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Die Gleichheit

blicken, die in den Fortschritten der sozialdemokratischen Bewegung im allgemeinen wie unserer Frauenbewegung im besonderen zum Ausdruck kommt. Diese Fortschritte können uns nur anspornen, unser Arbeitsfeld auszudehnen, gilt es doch nun, die in Angriff genommenen Leseabende auszugestalten. Auch im neuen Arbeits­jahr werden wir all unsere Kraft in den Dienst unserer gerechten Sache stellen. Therese Blase. Vom Landesparteitag in Schwarzburg- Rudolstadt  . Vorstand und Parteisekretär konnten auf dem Landesparteitag, der am 13. Juli in Blankenburg   tagte, von guten Erfolgen auf organisatorischem und politischem Gebiet berichten. Der Sekretär, Genosse Otto- Rudolstadt, besprach eingehend die Aufgaben, die auf dem Gebiet der Organisation und der Schulung der Mit­glieder zu lösen sind. Dabei betonte er die Notwendigkeit einer intensiven Agitation unter den Frauen, der kräftigen Förderung der Jugendbewegung und des Ausbaus der Bildungsbestrebungen. Zur Agitation unter den Frauen beabsichtigt man eine Genoffin zu ge­winnen. Zu allen Parteiveranstaltungen will man die Frauen be­sonders einladen, und den Männern soll es zur Pflicht gemacht werden, ihre Frauen mitzubringen. An die Arbeitereltern ist ein Appell geplant, daß sie ihre Kinder der freien Jugendbewegung und nicht bürgerlichen Vereinen zuführen. Hierzu möchten wir be­merken, daß ein solcher Appell um so größeren Erfolg zeitigen wird, je mehr wir die Arbeiterfrauen organisieren und sie mit unseren Anschauungen erfüllen. Eine Agitation unter den Frauen ist deshalb gleichzeitig eine Agitation für die Jugendbewegung. Die politische Organisierung der Frauen hat im Kreise Rudolstadt   erst seit kurzem eingesetzt, jedoch schon ganz hübsche Erfolge erzielt. Im ganzen gehören der Partei 109 Frauen an, die sich wie folgt auf die einzelnen Orte verteilen: Blankenburg   44, Rudolstadt   31, Volk­ stedt   20, Schlotheim   6, Oberweißbach 4, Schwarza 2 und Stadtilm   gleichfalls 2. Die Partei zählt im Kreise 2222 männliche Mitglieder. Zirka 95 000 Einwohner hat das ganze Fürstentum aufzuweisen. Wir wünschen unseren Rudolstädter  Genossen den besten Erfolg bei ihrer in Aussicht genommenen Agi­tation unter den Frauen.

L. Z.

Der Jahresbericht der Kinderschutzkommission Rüstringen  . Wilhelmshaven   wirft grelle Schlaglichter auf die Kinderausbeutung. Ein Umstand gibt ihm besondere Bedeutung. Er zeigt, daß die schädliche Ausnutzung der Kinder nicht auf Industriezentren und Großstädte beschränkt ist. Die Kommission hat im Berichtsjahr wieder an zwei Sonntagen, am 19. November und 10. März, in der Zeit von 6 bis 8 Uhr morgens Streifzüge auf der Straße unternommen. Gerade gegen die Paragraphen 9 und 13 des so unzulänglichen Kinderschutzgesetzes, die der Beschäftigung von Kin­dern an Sonntagen steuern sollen, wird von gewissenlosen Aus­beutern unter Ausnutzung der Notlage der Eltern gesündigt. Die Kommission stellte auf ihren Rundgängen fest, daß in 25 Fällen 31 Kinder beim Austragen von Milch, Brötchen und Zeitungen gefezwidrig beschäftigt wurden. Das Alter der Kinder bewegte sich zwischen 5 und 13 Jahren. Fast alle diese Kinder machten einen äußerst schwächlichen, unterernährten Eindruc! Drei Geschwister im Alter von 8 bis 11 Jahren wurden angetroffen, die Brot für den eigenen Bedarf von den Schiffen geholt hatten. Sie sagten, ihre Eltern seien sehr arm. Gin fünfjähriger Knabe erklärte, er trage täglich morgens Milch für ein belegtes Butterbrot aus. Die Mutter bestätigte das mit den Worten: Sie selbst könne ihren Kindern keine Wurst und kein Fleisch kaufen. Der Junge tue das nur um des guten Butterbrotes" willen! Auf das Zureden der Kommission hin erklärte die Mutter, sie werde künftighin das Kind zu Hause behalten, wie überhaupt in den meisten Fällen Ab­hilfe versprochen wurde. Eines elfjährigen, von den Eltern schwer mißhandelten Knaben nahm sich die Kommission mit Erfolg an. Die Kommissionsmitglieder haben sehr unter dem Haß profit­lüsterner Unternehmer sowie unter der Verständnislosigkeit vieler Arbeitereltern zu leiden. Unbeirrt hierdurch werden sie aber ihre segensreiche Tätigkeit fortseßen, und sie hoffen, bei ihrem Wirken in immer stärkerem Maße von der klassenbewußten Arbeiterschaft unterstützt zu werden. Ihre Tätigkeit wird manches Gegenwarts­elend mildern, sie trägt aber vor allem zu der Erkenntnis bei, daß auf dem Boden der fluchwürdigen kapitalistischen   Ordnung keine gesunden, menschenwürdigen Entwicklungsbedingungen gedeihen. A. S. Luise Schirmer F. Mit Genossin Luise Schirmer, die im Alter von nur 38 Jahren starb, haben die Genossinnen des Kreises Dresden- Land eine ihrer treuesten Mitkämpferinnen ver­loren. Was sie uns als opferfreudige Verfechterin proletarischer Bestrebungen, als Vertreterin der Genossinnen von Toltewiß.

Nr. 1

Laube gast, als Leiterin der Diskussionsabende war, wird un­vergessen bleiben. Ihr edler Sinn und ihre Schlichtheit eroberten ihr die Herzen der Genossinnen und lassen ihren Tod besonders schwer empfinden. Am schönsten ehren wir das Andenken dieser Treuen   und Opferfreudigen, indem wir geloben, rastlos für die große Sache des Sozialismus weiterzufämpfen, der sie mit allen Kräften gedient hat. M. W.

Politische Rundschau.

Die Fleisch not verschlimmert sich von Tag zu Tag, ein wei­teres Steigen der Preise ist sicher zu erwarten, da der Vich­bestand stark gelichtet ist und die Nachzucht natürlich nicht ven heute auf morgen zu beschaffen ist. Und angesichts dieser bedroh­lichen Aussichten verharrt die deutsche Reichsregierung in völliger Tatenlosigkeit. Freilich, am 12. September ist der Reichskanzler aus den Ferien zurückgekehrt, und sogleich hat er, pflichtbewußt wie es einem Philosophen geziemt, sich mit der Frage der Fleisch­not beschäftigt. Nur hat das hungrige deutsche Volk von dieser Beschäftigung gar nichts. Denn das Handeln des Herrn Beth­ mann Hollweg   bestand in nichts anderem als in einer Besprechung mit dem Staatssekretär des Innern und dem preußischen Land­wirtschaftsminister. Über ihr Ergebnis beobachten die amtlichen Organe strenges Stillschweigen, und was in den offiziösen Blättern durchsickert, das ist so unbestimmt wie nur möglich ge­halten. Eine greifbare Angabe hat nur die Scherlpresse gemacht. Danach soll der Kanzler zu der Erkenntnis gekommen sein, daß der§ 12 des Fleischbeschaugesezes, der die Einfuhr von Fleisch berbietet, wenn sie nicht in ganzen oder halben Tierkörpern er­folgt, mit denen die Eingeweide noch verbunden sind, nicht auf­zuheben sei. Das heißt also, daß auch die Einfuhr von Ge= frierfleisch nicht ermöglicht werden soll, denn wenn obige schikanöse Bestimmung in Kraft bleibt, so ist diese Einfuhr ein­fach schon technisch unmöglich, da die Eingeweide auch in ge­frorenem Zustand zu schnell faulen und die Fäulnis auf das Fleisch übertragen. Die Scherlpresse versichert zwar, daß die Ge­frierindustrie jetzt so weit vorgeschritten sei, daß sie auch Fleisch in Verbindung mit den Eingeweiden frisch zu erhalten vermöge. Angesehene Sachverständige widersprechen jedoch dem ganz ent­schieden und erklären, daß bei der Aufrechterhaltung des§ 12 an eine Einfuhr von Gefrierfleisch einfach nicht zu denken sei. Der Herr Reichskanzler soll aber nach der Scherlpresse wissen, daz dieser Paragraph nicht aufgehoben werden dürfe, da sonst die Ge sundheit des deutschen Volkes Schaden leiden könne. Würde näm­lich das Fleisch in kleineren Stücken und ohne Eingeweide ein­geführt, so sei keine sichere Feststellung möglich, ob es gesund sei. Der ganze Wert oder besser Unwert dieser Behauptung erhellt schon daraus, daß, wie wir in der letzten Rundschau angeführt haben, das englische Volk schon einige Jahrzehnte lang mit diesem Gefrierfleisch versorgt wird, ohne daß die Einfuhr durch eine Be­stimmung gleich unserem§ 12 behindert wird und ohne daß von gesundheitsschädlichen Folgen während dieser langen Frist etwas bekannt geworden wäre. Der ganze§ 12 des Fleischbeschaugesetzes ist denn auch weiter nichts als eine Bestimmung zugunsten der Junker, der Viehproduzenten, um sie vor dem Wettbewerb des Auslandes zu schützen, wenn es diesem einfallen sollte, trotz der hohen Zölle die Grenzen, die dem lebenden Vieh verschlossen sind, mit dem Fleische des jenseits der Grenze geschlachteten Viehes zu überschreiten. Daß man solche Maßnahmen, die den Junkern und Großbauern und Händlern den Fleischwucher sicherstellen sollen, ins Gewand einer angeblichen Fürsorge für die Gesund­heit des deutschen Volkes steckt, das ist die empörende Heuchelei, die in der deutschen Gesetzgebung und Verwaltung einen immer breiteren Raum einnimmt.

Nach neueren Meldungen wäre aber selbst diese Meldung, daß Herr Bethmann Hollweg   schon einen Entschluß in der Fleischnot­frage gefaßt hätte, noch viel zu weitgehend. Einige Tage nach dem 12. September wurde dem deutschen   Volke durch die Täg­liche Rundschau" die tröstliche Botschaft, daß die hohe Reichsregic­rung zwar noch nicht wisse, was sie tun werde, daß sie aber doch schon angefangen habe, Erhebungen zu veranstalten. Das Reichs­gesundheitsamt sei um ein Gutachten darüber ersucht worden, ob die Einfuhr von Gefrierfleisch unter der Geltung des§ 12 mög­lich sei. Von diesem Gutachten werde das weitere abhängen. Aber natürlich werde darüber noch einige Zeit vergehen. Vorerst ge= schieht also nichts, vorerst darf der deutsche   Michel den Schmach!= riemen eben etwas enger schnallen. Endlich aber kam wieder einige Tage später die ebenso erhebende Meldung, daß der Reichs­kanzler die Entschließung über eventuelle Reichsmaßnahmen