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Die Gleichheit

Stunden ununterbrochen der Betriebsleitung zur Verfügung stehen muß, während dieser Zeit den Betrieb nicht verlassen darf und Reparaturarbeiten usw. in der Zeit zu verrichten hat, in der er nicht unmittelbar an der Feuerung beschäftigt ist. Dazu fügen fich noch zahlreiche überschichten, wie in den gewiß einwandfreien Berichten der Gewerbeinspektoren dargelegt ist, so daß in manchen Betrieben eine Schichtdauer von sechzehn Stunden und mehr her­auskommt. Sehr bemerkenswert ist auch folgendes. Ein Werks­direktor in Lothringen   hatte vor Jahren die Schichtdauer für die Hüttenarbeiter von zwölf auf zehn Stunden verkürzt und damit gute Erfahrungen gemacht. Er schlug daraufhin den Aktionären vor, zur Achtstundenschicht überzugehen. Die Herren aber wider­sprachen dem und befahlen dem Werksdirektor, wieder zur Zwölf­stundenschicht zurückzukehren, da man das Streben der Arbeiter nach Schichtverkürzung nicht unterstüßen dürfe. Dies ist auch der Grundsatz Herrn Buecks. Indem er zum Widerstand gegen die ge­ringste Verbesserung des so überaus dürftigen Arbeiterschutzes auf­fordert, preist er den Feuerarbeiter als das Urbild des kraftvollen, Leistungsfähigen und frischen Arbeiters. Schließlich bezichtigt er die Arbeiter der Rentenhysterie und Simulation, die sich zu einer furchtbare Gefahren mit sich führenden Seuche in den unteren Wolfsklassen ausgebildet habe. Nun, wir glauben, mit den Groß­grundbesitzern bilden die industriellen Scharfmacher die schlimmste Seuche am- deutschen Volkskörper, denn nicht nur, daß sie den so­zialen und politischen Fortschritt aufs stärkste hemmen, schädigen fie auch die körperliche Gesundheit der großen Volksmassen aufs schwerste durch Zollpolitik und Widerstand gegen Arbeiterschuh­geseze. Doch die organisierten Arbeiter rücken dieser Seuche tat­Kräftig zu Leibe.

In einer Zeit, in der die Unternehmer und ihre Klopffechter in der bürgerlichen Presse täglich über den Terrorismus der organi­sierten Arbeiter zetern und nach Zuchthausgesehen schreien, wäre es verlockend, die vielen, vielen Fälle von Terrorismus der Unter­nehmer und ihrer Organisationen in der Arbeiterpresse ans Licht zu ziehen. Und zwar Fälle, die den Vorzug haben, wahr zu sein, während die Bezichtigungen gegen die Gewerkschaften sich bei näherer Untersuchung in eitel Dunst auflösen. Doch wollen wir aus der reichen Sammlung nur ein besonders grelles Beispiel anführen. Die 3wangsinnung der Magdeburger  Bäcker hatte anläßlich der Lohnbewegung der Gehilfen im bo­rigen Jahre beschlossen, daß Innungsmitglieder täglich eine Ord­nungsstrafe von 20 Mt. zu zahlen haben, wenn sie ein Vertrags­berhältnis mit dem Verband der Bäcker eingehen. Ein Urteil des Oberlandesgerichts in Naumburg   bezeichnete nun Streif und Boy­tott als erlaubte Kampfmittel, und das Gericht lehnte den An­trag der flagenden Bäckermeister ab, deu Bäckergehilfen und ihrer Organisation die Veröffentlichung der tariftreuen Geschäfte zu untersagen. Trotzdem forderte die Junung die Strafgelder ein und drohte mit Zwangsvollstreckung. Die bestraften Innungsmeister wandten sich hierauf beschwerdeführend an die Aufsichtsbehörde, an den Magistrat, der sie abwies, sich jedoch bereit erklärte, eine Gr­mäßigung der Strafe sowie Bewilligung von Ratenzahlungen an= fireben zu wollen. Die Zwangsinnung will etwa 12 000 Mt. Straf­gelder eintreiben. Also unter Beihilfe einer städtischen Behörde können die terrorisierenden Bäckermenter durch ein gerichtlich ver­urteiltes Verfahren ihre Mitglieder schröpfen. So etwas müßte fich einmal eine Arbeiterorganisation erlauben, wie da die ganze Scharfmachermeute nach dem Büttel schreien würde!

Den Kampf in der erzgebirgischen Kartonnage industrie fonnten die Arbeiter mit gutem Erfolg beenden. Sie setzten für die Zeit der vierjährigen Vertragsdauer eine Verkür­zung der wöchentlichen Arbeitszeit von 58 auf 56 Stunden und eine Erhöhung der Löhne für Arbeiter, Arbeiterinnen und Hilfs­arbeiter durch. In der württembergischen Tuchschuh­industrie droht eine Aussperrung. Die Unternehmer weigern fich, die geringen Forderungen der Arbeiter und Arbeiterinnen an­zuerkennen und wollen in Heilbronn  , Lauffen   a. N. und Kirchheim a. N. aussperren. Ein großer Teil der Unorgani­fierten erklärte sich mit den Organisierten solidarisch und reichte bie Kündigung ein. Es kommen zunächst etwa 200 Personen in Betracht. Der Mainflößerstreit endete mit dem Ab­schluß eines Tarifvertrags. Den Flößern wurden Lohnzulagen be­willigt, eine achtstündige Nachtruhe während der Fahrt bisher Hatten sie durchschnittlich nur vier Stunden Nachtruhe-; ferner erhalten sie zwei Sonntage im Monat frei; dazu kommen noch weitere kleine Verbesserungen der Arbeitsbedingungen.

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Die überaus elenden Lohnverhältnisse der Papierarbeiter treten grell ins Licht bei einem Streit der Arbeiter und Arbei­terinnen in der Jllingschen Papierfabrik in Nieder­

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Ramstadt bei Darmstadt  . Die Arbeiter erhalten 29 Pf., die Arbeiterinnen 15 Pf. Stundenlohn. Die Arbeiter und Arbeiterin. nen mußten ausständig werden, um ihrer Forderung nach Er­höhung solcher Hungerlöhne Nachdruck zu geben, die in der jetzigen entsetzlichen Teuerungszeit nicht zum Allernotwendigsten reichen können. Der Boykott über die Halberstädter Wurst­fabrik Heine& Co. ist aufgehoben. Der Fleischerverband fonnte einen Tarifvertrag abschließen, der den Gehilfen 1,50 Mt., den Hilfsarbeitern 0,75 Mt. wöchentliche Lohnzulage sichert. Die Arbeitszeit soll demnächst auf zehn Stunden festgesetzt werden. Dieser Erfolg des unter schwierigen Verhältnissen kämpfenden Fleischerverbandes ist um so höher zu werten, als die Firma die größte ihrer Art in Deutschland   ist und etwa 450 Personen be­schäftigt. Der Boykott gegen die Kakesfirma Harry Trüllerin Celle dauert fort, da der Unternehmer sich durch­aus nicht zu der so leicht möglichen Einigung verstehen will. Vor allem die Arbeiterfrauen haben die Pflicht, die Erzeugnisse der Firma Harry Trüller   nicht zu kaufen, so lange sie denen ihr Recht vorenthält, die ihr Reichtum erschanzen.

Mit der Schmach, die die Christlichen durch ihren Streifbruch beim Bergarbeiterausstand auf sich luden, soll es nicht sein Be­menden haben, vielmehr ist der Streitbruch zu einem Pro­grammpunkt der Christlichen   geworden. Schon bei mehreren Streits der letzten Zeit ereignete es sich, daß die Führer zum Rück-. zug bliesen, obgleich die christlichen Gewerkschaftsmitglieder ihre Vereitwilligkeit zum Streit erklärt hatten. In der Tabakindustrie geschah dies in zwei Fällen. Zunächst mußte man annehmen, daß der christliche Verband wegen der Schwächung seiner Kasse durch die große westfälische Aussperrung nicht mitmachen will und kann. Doch bei einem kleinen Streit, bei dem nur 26 Mitglieder der Christlichen   in Betracht kommen, erklärte ihr Führer, daß sie nicht aus finanziellen Gründen nicht mitmachen wollen, sondern aus Prinzip den Kampf ablehnen. Es scheint, daß die höhere Leitung der christlichen Gewerkschaften einen dahingehenden Beschluß ge­faßt hat. Natürlich hüten sich die jesuitischen Führer, Farbe zu bekennen. Aber die Taten zeugen gegen sie. An den christlichen Ar­beitern, denen es Ernst ist mit der Verbesserung ihrer Klassenlage, ist es, aus den Vorgängen der Zeit die richtige Schlußfolgerung zu ziehen!

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Arbeitslosenzählung im Deutschen   Textilarbeiterverband. Die Augustzählung ergab 1042 Arbeitslose, darunter 417 Arbeite­rinnen. Im Vormonat waren 793, im August des Vorjahres 1128 Beschäftigungslose verzeichnet worden. Am gleichen Tage wurden als auf der Reise befindlich gemeldet insgesamt 121 arbeitslose Mitglieder, darunter 4 weibliche; im Vormonat 145, im Auguft des Vorjahres 167. Die Zählung erfaßte 98,4 Prozent der Mit­glieder. Die Zahl der Mitglieder betrug 85 757 männliche und 52 554 weibliche, zusammen 138 311, im Vormonat waren es 138 355. sk.

Aus der Holzarbeiterbewegung. In der Holzindustrie stehen gegenwärtig noch recht viele Orte in Lohnbewegungen. Bezeich­nenderweise handelt es sich vorwiegend um kleinere Orte, die dabei bestrebt sind, ihre Arbeitsverhältnisse denen der fortgeschritteneren Industriezentren gleich zu gestalten. Diese Bestrebungen sind um so berechtigter und haben um so größere Aussicht auf Erfolg, als gerade die Produktion dieser Bezirke seither preisdrückend wirkte und ein Ausgleich in aller Interesse liegt. So stehen im Bezirk Bremerhaven Geestemünde Lehe die Tisch­Ler nunmehr seit 16 Wochen im Streit, um eine Herabsetzung der wöchentlichen Arbeitszeit von 60 auf 56 Stunden durchzudrücken. In Sensburg   in Ostpreußen   dauert der Kampf sogar schon 17 Wochen. Außerdem bestehen allgemeine Streits unter anderem in Reistenhausen   und Emden  . Dazu kommen zahlreiche Werkstattkämpfe. Ein solcher in Burg bei Magdeburg, der sich gegen die Tischfabrik Wolf richtet, hat in den letzten Tagen sogar ein Todesopfer gefordert. Der arbeitswillige Schreiner Joseph Nuppert aus Karlsruhe   hat auf der Straße einen völlig unbeteiligten Schuhmachergesellen erschossen. Der Herr Streifbrecher wurde zwar zunächst in Haft genommen, aber bald wieder auf freien Fuß gesezt. Im Düsseldorfer   Gebiet sind die Modelltischler an dem Kampfe um die Verkürzung der Arbeitszeit in den Maschinenfabriken beteiligt. Jn Tilsit stehen einige hundert Sägereiarbeiter im Ausstand. Drechsler kämpfen in Zirndorf   und Höhr   im Westerwald   um ihr Recht, die Stockarbeiter in Wald seit 21 Wochen. Dieser lang­wierige Kampf hat zu einem Abkommen zwischen dem Holz­arbeiterverband und dem Verband der Stockindustriellen in Kas= sel geführt, wonach bei künftigen Differenzen zunächst eine Ver­ständigung durch die Zentralvorstände versucht werden soll. In