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Die Gleichheit

der frauenrechtlerischen Hoffnungen welfen. Zuerst polterte die fortschrittsoffizielle Freifinnige Zeitung" gegen die Neuerungsfüchtigen los, denen die sanfte Formel einer Er­weiterung der Frauenrechte" nicht mehr genügte. Sie be­schwor gegen sie das Gespenst eines Auseinanderfallens der Partei, in der ein Drittel, vielleicht sogar noch die Hälfte der Mitglieder entschieden gegen das Frauenwahlrecht sei. Ind die keifende pfahlbürgerliche Fraubase von Anno Toback er­hielt eine Bundesgenossin in der Salonschönen Berlin   W. modernsten Stils.

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Das Berliner Tageblatt" konnte sich nicht damit berubi­gen, in Notizen den drohenden Schulmeisterfinger gegen die frauenrechtlerische Forderung zu erheben und sie gelegentlich mit Nadelstichen zu bekämpfen. Es veröffentlichte einen Lei­ter Der Antrag der Damen  ", in dem sich Herr Theodor Wolff   höchstselbst mit ihr auseinandersetzte. Und wie! Der Artikel wäre nach Auffassung und Ton in jedem konserva­tiven Provinzblättchen dritten Ranges am Blaze gewesen. Die spielerische Eleganz der Form verdeckte den gewöhnlichen Inhalt nicht, sondern ließ ihn noch schärfer hervortreten. über das Frauenwahlrecht würde Herr Wolff allenfalls noch mit sich reden lassen. Warum auch nicht? Da man im Inter­esse des Hausfriedens nicht nur der Köchin das Stimmrecht geben kann, so wird man es eines Tages vielleicht auch der liebenden Gattin verleihen." Außerdem braucht das Män­nerherz" nicht im Ernst zu befürchten, Frieda werde nun nicht mehr abends um acht zum Rendezvous kommen, weil sie alle fünf Jahre einmal zur Wahlurne geht". Wohl aber flüchtete Herr Wolff in die trauliche Runde der Weißbier. philister bei dem Gedanken zurück, die Frauen könnten eines Tages verwegen genug sein, nach all den Ämtern" zu trach­ten ,,, die das Staatswesen fennt". Wie schrecklich, wenn sie mit der Mittelmäßigkeit der Bülow und anderer gepriesener Helden des Berliner Tageblatts" konkurrieren wollten! Sie würden damit gegen ihre ureigenste Natur freveln und gegen das in ihr begründete Gesetz der Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern. Und die tiefe Besorgnis des Männerherzen" kleidete sich schamhaft in diese schalthaften Fragen: Sollen die Frauen ebensogut Richter und Staatsanwälte werden können wie Bürgermeister, Lokomotivführer und Polizei­präsidenten?... Soll der ehemalige Herr der Schöpfung höchstens als Soldat, Feuerwehrmann und Polizist eine Ge­sellschaft beschüßen dürfen, in der jeder andere Beruf auch sei­ner Gefährtin offen steht?" Schließlich mißbrauchte noch Herr Paul Harms auch eine Leuchte des Fortschritts- die Skan­dalosa eines gut bürgerlichen Ehescheidungsprozesses dazu, den Antrag der Damen  " unter Anrufung des Heiligsten und Gefürchtetsten zu verulken, das der freisinnige deutsche Bürgersmann fennt: Professor, Schwiegermutter und De­tektiv". Wir haben das Rüpelspiel sfizziert, das den großen Atte in Mannheim   vorausging, weil es in zweifacher Hin­sicht außerordentlich kennzeichnend ist. Es läßt die geistig­politische Atmosphäre verstehen, in der die linksliberalen Frauenrechtlerinnen sich für die grundsätzliche Anerkennung ihrer Ziele mühen. Es zeigt, wie bescheiden das Frauenrecht hinter die fortschrittliche Parteipolitik zurücktritt, wenn die Damen in dieser Atmosphäre ihr Vaterland" suchen.

Den Mannheimer   Verhandlungen der Fortschrittlichen Bolkspartei lagen nicht weniger als 13 Anträge vor, die dem § 8 eine bessere, bindende Fassung geben wollten. Zu den An­tragstellern gehörten der Arbeitsausschuß der Frauen der Fortschrittlichen Volkspartei  , die organisierten Frauen von Wilmersdorf  , der Landesausschuß der Partei für Sachsen  , die vereinigten Liberalen in Hamburg  , der pommersche De­legiertentag usw. Den Vorwärtsdrängenden stellte der ge­schäftsführende Ausschuß der Volkspartei die nachstehende Resolution entgegen:

" Der Parteitag sieht zurzeit von einer Abänderung des Ab­sabes 8 des Parteiprogrammes betreffend die Rechte der Frauen mit Rücksicht auf die in der Partei bestehenden Meinungsver= schiedenheiten ab, erkennt aber das Recht eines jeden Partei­

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genossen an, seinerseits für die Erweiterung der Rechte der Frauen über die in das Parteiprogramm aufgenommenen Grundlinien hinaus zu wirken."

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Zum eigentlichen Kampfe um die aufgerollte Streitfrage ist es in Mannheim   nicht gekommen und damit auch nicht zu einer endgültigen Entscheidung. Die von Herrn Naumann in den höchsten Tönen besungene Einheit und Geschlossen­heit" der Volkspartei wäre nämlich dabei wie ein Kartenhaus zusammengestürzt. Die als sicher herausgerechnete Mehrheit für die Forderung ,, voller staatsbürgerlicher Gleichberechti­gung" der Frauen war bedenklich vor der Drohung zusam­mengeschmolzen, daß ein großer Teil der mühsam geeinten Linksliberalen wieder auseinanderlaufen werde wie eine Hammelherde beim Brand, wenn das Parteiprogramm grundsäßlich zum Kampfe für die volle staatsbürgerliche Rechtsgleichheit der Geschlechter verpflichte. Die Anhänger­schaft dieser Forderung in der Volkspartei ist jedoch stark ge­nug geworden, daß man sie nicht mehr kurzerhand und ohne jede kleine Gabe beiseite zu schieben wagt. Wer weiß! Die Gefahr" des Frauenwahlrechts rückt vielleicht rasch näher, da darf die Volkspartei nicht zu spät aufstehen und den ganzen Gewinn der Entwicklung der Sozialdemokratie und dem Zentrum zufallen lassen. Von beiden Seiten aus war man daher offenbar in Mannheini von vornherein entschlossen, sich nicht für eine klipp und klare Entscheidung zu schlagen, son­dern einer solchen ausweichend sich zu vertragen. Frau Voß­Biey brachte mit dem Reichstagsabgeordneten Dr. Ha a 3- Karlsruhe und Dr. Braband   Hamburg zusammen einen Vermittlungsantrag ein, der von 23 Delegierten unterstützt wurde, darunter die beiden angesehensten frauenrechtlerischen Führerinnen: Fräulein Lange und Fräulein Bäumer, die Vorsitzende des Bundes deutscher Frauenvereine". Nach diesem Antrag sollte der Parteitag die folgende Resolution beschließen:

" Die wirtschaftliche und soziale Entwicklung hat die Zahl der berufstätigen Frauen außerordentlich vermehrt. Diese Entwid­lung, die sich zweifellos fortseßt, und die wachsende Teilnahme von Frauen aller Schichten am öffentlichen Leben führt mit innerer Notwendigkeit zur politischen Gleichberechtigung der Frau. Der Parteitag fordert deshalb die Parteigenossen auf, die Frauen im Kampfe um ihre politischen Rechte bis zur vollen staatsbürgerlichen Gleichberechtigung zu unterstüßen."

Um die Empfindlichkeit auch der verbohrtesten Gegner frauenrechtlerischer Ziele zu schonen, brachte der Abgeordnete Müller Meiningen noch ein abschwächendes Amendement zu der alles in allem recht harmlosen Resolution ein. Sinter die Worte: die wachsende Teilnahme von Frauen aller Schichten am öffentlichen Leben führt" sollte eingeschaltet werden: nach der Ansicht weiter Parteikreise". So war alles für die Verständigung" wohl vorbereitet, und man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, daß sie schon vor der Debatte fix und fertig vorlag. Die wohltemperierten Reden wurden nur noch für die Galerie" gehalten, für die Wirkung nach außen, um das Gesicht zu wahren", wie die Chinesen sagen. Vor allemt mußte die freisinnsfromme Echternacher Springer­prozession der Frauenrechtlerinnen gedeckt werden, die kühn zwei Schritte vorwärts gehupft waren, um noch fühner' wie­der einen Schritt zurückzuhupfen. Gewiß: Fräulein Bäumer und Fräulein Lange, Dr. Ha a 3 und Rechtsanwalt Cohn verfochten mit glänzender Beredsamkeit die frauenrechtle­rischen Forderungen, und insbesondere Fräulein Bäumer gab ein kleines Kabinettsstid taktischer Geschicklichkeit. Allein all diese schönen Reden hatten in der vorliegenden Situation zu der umstrittenen Frage nur akademische Bedeutung, sie waren nicht politisch entscheidende Faktoren. Fräulein Bäu­mer und Fräulein 2ange schoben das Interesse des Links. liberalismus breit in den Vordergrund ihrer Ausführungen. Dr. Haas und einige andere Volksparteiler hinwiederum bekannten sich mit Begeisterung und Verständnis zu den frauenrechtlerischen Forderungen. Und ,, in den Armen lagen sich beide und weinten vor Schmerzen und Freude". Die An­