Nr. 5
23. Jahrgang
Die Gleichheit
Zeitschrift für die Interessen der Arbeiterinnen
Mit den Beilagen: Für unsere Mütter und Hausfrauen und Für unsere Kinder
Die Gleichbett erscheint alle vierzehn Tage einmal. Preis der Nummer 10 Pfennig, durch die Poft vierteljährlich obne Bestellgeld 55 Pfennig; unter Kreuzband 85 Pfennig.
Jabres- Abonnement 2,60 Mart.
Inhaltsverzeichnis.
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Krieg dem Kriege. - Roms„ Segen". Von W. D. Schwankungen der Arbeitsintensität von Textilarbeiterinnen. I. Von J. H. Gegen die Frauenverblödung im Kino. Von P. May Grempe. Betrogene Witwen und Waisen. Von Rudolf Vogler. Das Bürgerrecht der Frau in der Gemeinde. Von Paul Hirsch . Aus der Bewegung: Der Internationale Sozialistische Kongreß zu Basel und die Frauen. Von der Agitation. Der Stand der Arbeiterinnenorganisation in Nürnberg . Politische Rundschau. Politische Rundschau. Von H. B. Gewerkschaftliche Rundschau. Aus der Textilarbeiterbewegung. Von sk. Arbeitslosenzählung im Deutschen Textilarbeiterverband. Von sk. Aus der Holzarbeiterbewegung. Von fk.
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Notizenteil: Sozialistische Frauenbewegung im Ausland.- Frauen stimmrecht. Soziale Elendsbilder.
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Krieg dem Kriege.
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Seit Wochen schreitet im Südosten Europas das geschicht liche Geschehen mit Schritten vorwärts, die weithin sichtbarer sind als die umwälzende Entwicklung des ruhigen Alltags, die es vorbereitet und ihm die Bahn geöffnet hat. Denn unter Gewehrsalven und Geschützdonner geht es von Schlachtfeld zu Schlacht seld, auf dem sich die zerfekten Leiber von Verwundeten, Sterbenden und Toten in schauerlichem Durcheinander türmen, und die Niesenfackeln brennender Dörfer und Städte beleuchten seinen Weg, der rechts und links voller Barbarei und Grauen ist. Das Blut stockt in den Adern, der Atem versagt, wenn man die entseßlichen Einzelheiten des Balkankriegs liest, der die Massenabschlachtung von Albaniern gebracht hat im Namen des nationalen Rechts, des Christentums, der Kultur-, der Hundert tausende, und aber Hunderttausende ausgesogener, hungernder, hilfloser Bauernfamilien von der Scholle reißt und in einer neuen Völkerwanderung vorwärts wälzt, deren Fluten sich zunächst um Konstantinopel stauen. Alle Schrecken von Dantes Hölle scheinen lebendig geworden. Die rohen Grausam keiten, mit denen in für uns längst versunkenen finsteren Zeiten Menschen gemartert und gemordet wurden, paaren sich in diesem Kriege mit den phantastischen Gräßlichkeiten, um die die moderne Technik die Massenvernichtung bereichert hat. Alle ttlichen Begriffe und Ideale, die sich die Menschheit mühsam crobert hat, werden verhöhnt, geschändet. Und um den Jammer voll zu machen, ist die Cholera gekommen, einer gefräßigen Bestie gleich, die lange gefastet hat. Die der Schärfe des Schwertes entronnen sind, würgt sie täglich zu Tausenden, Soldaten vor der Front wie Flüchtlinge. Ihr Pesthauch bedroht ganz Europa mit einem Massensterben.
Zuschriften an dte Redaktion der Gleichbett find zu richten an Frau Klara Zetkin ( 3undel), Wilhelmshöhe, Post Degerloch bei Stuttgart . Die Expedition befindet sich in Stuttgart , Furtbach- Straße 12.
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Finger zünftiger Diplomaten und schlimmer noch: profitgierige kapitalistische Fäuste. Ausdehnung gehört zum Wesen des Kapitalismus, die Eroberung neuer Ausbeutungsgebiete ist ihm Lebensluft. Die Herrschaft über den Balkan, über die Dardanellen den Weg nach Asien ist eine Beute, die der Appetit der besißenden Klassen in den großen europäischen Staaten schon längst umschleicht. Die kaum notdürftig verhüllte Gegensätzlichkeit ihrer Interessen, ihre Feindschaft offenbart sich seit den Siegen der Balkanstaaten über die Türkei in dem tagtäglich erneuten Rätselspiel voller Schrecken und fünftiger Verbrechen: wird es Österreich dulden, daß Serbien sich zum Herrn eines Hafens am Adriatischen Meer macht?, wird es auf seinem Anspruch eines freien Weges nach Saloniki beharren?
An der Antwort auf diese Frage hat Rußland das gleich leidenschaftliche Interesse wie Serbien selbst, das ja von dem Zarismus lediglich als ein Vorposten gegen Österreich betrachtet und ausgehalten wird. Darum bedeutet die Entscheidung noch Verhängnisvolleres als einen Krieg zwischen Österreich und Serbien allein, einen Kampf auf Leben und Tod zwischen dem Dreibund und der Tripleentente oder dem Dreiverband, mit anderen Worten: zwischen Deutschland , Öster reich und Italien auf der einen Seite, Frankreich , Rußland und England auf der anderen. Die Völker aber, die dann für die Macht, den Reichtum kleiner Minderheiten wie willenlose Hammelherden zur Schlachtbank getrieben würden, sind bis heute von den Herrschenden und Regierenden nicht nach ihrer Meinung befragt worden. Über ihr Geschick verhandeln hinter verschlossenen Türen Staatsmänner, die sich räuspern und spucken, als ob sie die Herren der Weltgeschichte und nicht ihre ohnmächtigen Hampelmänner wären. Die Lieferanten von Mordwerkzeugen und anderem Striegsbedarf buchen unterdessen schmunzelnd ihre Aufträge und Profite, und die Großbanken gleichen den Bienen, die aus allen Blüten Honig saugen: die Spekulation heute auf den Strieg, morgen auf den Frieden füllt ihre Kassen.
Gegenwärtig sieht es zwar so aus, als ob eine sichere Verständigung zwischen Österreich und Serbien die drohende Gefahr beseitigen würde. Die bürgerliche Presse Deutschlands , die bis zu den Blättern des entschiedenen Liberalismus auf die Ehre verzichtet hat, ihre Stimme mannhaft und rücksichtslos gegen Striegsheke und Kriegsgefahr zu erheben, hat sich nun um so lauter wieder gesunden, um die Sozialdemokratie wegen ihrer machtvollen Kundgebungen gegen den Krieg läppisch zu verhöhnen,„ den niemand wolle". Die weisen Thebaner, die im Berliner Tageblatt" und geschäftsverwandten Zeitungen die öffentliche Meinung posieren, schweigen davon, welchen großen Anteil das kämpfende Proletariat daran beanspruchen darf, daß die entfesselte Striegsfurie bis heute noch nicht über die Grenzen der Balkanstaaten hinausrafen konnte. In Ungarn und namentlich in Österreich haben sich unter der Führung der Sozialdemokratie die Massen der Werktätigen vom ersten Tage an den gewissenlosen Treibereien der abenteuer- und goldhungrigen klerikalen- kapitalistischen
Unser heißes Mitgefühl strömt den unglückseligen Völlerschaften zu, über deren Leiber und Fluren hinweg Eisen und Blut eine neue politische Ordnung der Dinge auf dem Balkan aus der Taufe heben. Mit ihm aber mischt sich die bange Frage: Wird der jetzige Krieg das Ungeheuer eines Weltkriegs gebären? Seitdem das blutige Ringen auf dem Balkan angehoben hat, hängt die Drohung dieses höchsten Unheils wie ein Damoklesscivert über den Völkern des übrigen Europa . Mit dem dünnen Faden, der es hält, spielen die ungeschickten Obligator. Nebenorgan zum„ Textilarbeiter" für Frauen, die wie ihre Männer Mitglieder des Deutschen Textilarbeiter- u.- Arbeit.cinnen- Werb. sind.