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Aus der Bewegung.

Die Gleichheit

Der Internationale Sozialistische Kongreß zu Basel und die Frauen. Der Kapitalismus läßt neben Teuerung und Hungers not die Kriegsgefahr zu einer dauernden Erscheinung werden. Der Balkankrieg mit seinen drohenden Folgen ist ein neuer Beweis dafür. Dem Schrecken ohne Ende gilt es, das erwachte internationale Proletariat in geschlossener Front entgegenzustellen. Welt gegen Welt! Drüben die Welt der profittollen, friegshezenden Ausbeutenden, hüben die Welt der freiheitssehnsüchtigen Ausgebeuteten. Unter dem Drucke der ernsten Situation berief das Internationale Sozialistische Bureau einen Außerordentlichen Internationalen Sozia listischen Kongreß nach Basel ein. Er wird nur einen Punkt behandeln:

Die internationale Lage und die Vereinbarung für eine Aktion gegen den Krieg.

Bei dieser wichtigen Willenskundgebung des Weltproletariats dürfen die sozialistischen Frauen so wenig fehlen, wie im heiligen Kriege gegen den Krieg. Die Internationale Sekretärin der Genos­sinnen aller Länder ließ daher der Einberufung des Kongresses so­fort diesen Aufruf folgen:

Au die sozialistischen Frauen aller Länder. Genossinnen! Das greuelvolle Völkerringen auf dem Balkan droht durch die Schrecken eines Weltkriegs überboten zu werden. Die Folgen solchen Geschehens für die Arbeiterklasse sind unabsehbar. Für die Arbeiterklasse, das besagt aber für den gewaltigen Kampf, der die kapitalistische Ordnung stürzen und Raum für den Sozia­lismus und die höhere Entwicklung schaffen muß. Für das kämpfende Proletariat ist es die heiligste Verpflichtung dieser ernsten Stunde, Schützer und Bewahrer des Friedens zu sein. Die sozialistische Internationale, vertreten durch das Internationale Sozialistische Bureau, hat daher die Arbeiterklasse aller Länder aufgerufen, ihren ehrlichen, unerschütterlichen Friedenswillen der verbrecherischen Kriegs­Hetze von Minderheiten entgegenzustellen, für die der Völkermord zum Geschäft gehört. Ein bedeutsames Glied in der Kette der Massenkundgebungen gegen den Krieg wird der

Außerordentliche Internationale Sozialistische Kongres bilden, der für den 24., 25. und 26. November nach Basel einberufen worden ist.

Genossinnen! Die ungewöhnlichen, verantwortungsschweren Ilm­stände schlossen eine längere Vorbereitungszeit für die Tagung aus. In der Folge ist es euch nicht möglich, euch an diesem Kongreß in einer Stärke zu beteiligen, die eurem Interesse an der Erhaltung des Friedens und der Bedeutung eurer Betätigung im Kampfe gegen Imperialismus und Kriegsgefahr entspricht. Im so dring­licher ist es, daß ihr euch sofort mit den Genossen über die Ent­sendung weiblicher Delegierter verständigt. Auf dem Kongreß muß es zum Ausdruck kommen, daß in allen Ländern die sozialistischen Frauen mit der gesamten sozialistischen Internationale zum Kampfe zusammengeschlossen sind. Das Blut, das die Schlachtfelder tränken soll, ist den Proletarierinnen kostbarer als der eigene Lebenssaft: es ist das Blut der Ihrigen. Frauenmühen, Frauentränen hängen an dem Gut, das Rüstungswahnsinn und Eroberungstollheit ge= wissenlos vergeuden. Hoffnung auf fünftiges Erbe, das der Sozia­lismus unserem Geschlecht ganz erschließt, ist uns die Kultur, die von cines Weltkriegs ehernem Tritt und bluttriefender Faust bedroht wird. Genossinnen! Sorgt in fester Jdeen- und Kampfesgemeinschaft mit der sozialistischen Internationale dafür, daß es niemals an dem Verständnis und der Opferfreudigkeit der arbeitenden Frauen­massen fehlt, wenn das kämpfende Proletariat seine breite Brust der Kriegshezze entgegenstemmt. Unser Kampf gegen den Krieg gilt unserem Todfeind: dem Kapitalismus, der Friede soll uns Weg­bereiter des Sozialismus sein

Mit sozialistischem Gruß

Klara Zetkin ,

Internationale Sefretärin der sozialistischen Frauen. Weibliche Delegierte werden auf der Bajeler Tagung nicht fehlen. Der Parteivorstand der deutschen Sozialdemokratie ist für die Delegierung von Genossinnen eingetreten. Die Organisations­bezirke, die mehrere Delegierte entsenden können, sind von ihm auf gefordert worden, möglichst auch einer Genoffin ein Mandat zu über­tragen. So viel bis jetzt befannt ist, hat die Berliner Partei­organisation außer zivei Genossen Genossin Baader mit ihrer Ver­tretung betraut. Der Parteivorstand hat Genossin Zetkin als internationaler Sefretärin ein Mandat übertragen. Die Partei­leitung der österreichischen Sozialdemokratie hat die Ge­

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nossinnen Popp und Pölzer nach Basel delegiert, die italienische Sozialdemokratie dürfte durch Genossin Balabanoff vertreten sein. Wir hoffen, daß auch aus anderen Ländern Genossinnen am Stongreß teilnehmen werden.

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Von der Agitation. In der zweiten Hälfte des Oktober fanden für die drei Hamburger Wahlkreise 18 öffentliche Frauenversamm lungen statt. Die Genossinnen Ruben, Weyl und Zietz aus Berlin und Genossin Wackwig aus Dresden sprachen über: Die Frau im Kampf gegen Teuerung und Hungersnot". Die Versamm­lungen waren zum Teil überfüllt und vorwiegend von Frauen be­sucht. Es ist das als ein Erfolg unserer Hamburger Frauenbewegung zu begrüßen, da in den früheren Volfsversammlungen, die sich mit ähnlichen Fragen wie den obigen beschäftigten, hauptsächlich Männer anwesend waren, weil beide Gatten selten zugleich vom Hause und von den Kindern fortgehen können. In Barmbeck , Eilbeck , Finkenwärder und Bergedorf sprach Genossin Ruben. In der ihr eigenen markigen Art wußte sie in allen Versammlungen durch ihre sachlichen Ausführungen die Zuhörer zu fesseln. Finkenwärder, eine fleine Elbinsel, war früher ausschließlich von Fischern bewohnt. Die Entwicklung hat auch proletarisierend in die Reihen dieser selb­ständigen Existenzen eingegriffen, die fern vom Trubel der großen Welt leben. Die meisten Männer des Inselchens mußten infolge der Anwendung neuzeitlicher, zweckmäßigerer Verfahren im Fisch­fang und anderer Umstände ihr liebgewordenes Handwerk aufgeben. Sie sind heute Hafenarbeiter. Lernten sie auch im täglichen Ver­fehr mit ihren großstädtischen Arbeitsbrüdern im Laufe der Zeit die Notwendigkeit des Klassenkampfes verstehen, so hingen ihre Frauen daheim um so zäher am Althergebrachten. Den Genossen war es bislang noch so gut wie gar nicht gelungen, ihre weiblichen Ange­hörigen für unsere Bestrebungen zu gewinnen. Um so freudiger sind die 25 Frauen, die die Versammlung unserer Partei zugeführt hat, in unseren Reihen zu begrüßen. Die Gleichheit" wurde in ziem licher Anzahl bestellt. Damit hat auch in Finkenwärder die proleta­rische Frauenbewegung Eingang gefunden. In Eppendorf , Hamm , Hohenfelde und Eimsbüttel , wo an die 1000 Per­sonen erschienen waren, erntete Genossin Weyl reichen Beifall durch ihre ebenso flaren als leicht verständlichen Ausführungen. Auf der Veddel, in Harvestehude , Billwärder , Fuhlsbüttel , Eur­haven, Geesthacht und im zweiten Hamburger Wahlkreis hatte Genossin Wackwitz den Vortrag übernommen. Auch sie fand eine aufmerksame Zuhörerschaft, die mit ihrer Zustimmung nicht fargte. Jm Gewerkschaftshaus, für den ersten Hamburger Wahl­freis, in Uhlenhorst und in Rotenburgsort sprach Genossin Zieß in gut besetzten Sälen. In Rotenburgsort waren reichlich 1000 Personen erschienen, darunter ungefähr 800 Frauen, die den beredten Worten der Referentin mit ungeteilter Aufmerksamkeit bis zum Schluß folgten. Rotenburgsort ist ein großer, fast ausschließ­lich von Arbeitern, zumal Hafenarbeitern dicht bewohnter Stadt­teil. Ist die Organisation der Männer hier auch eine verhältnis­mäßig gute, so ließ die der Frauen und deren Beteiligung am po­litischen Leben noch bis vor Jahresfrist sehr zu wünschen übrig. Inzwischen hatte schon der rasch gestiegene Besuch unserer periodisch einberufenen Frauenagitationsversammlungen den Beweis für die gesteigerte Anteilnahme der Proletarierinnen an den politischen Ver­anstaltungen erbracht. Der Erfolg in unserer letzten öffentlichen Frauenversammlung war geradezu ein glänzender. 98 weibliche Parteimitglieder und eine tüchtige Anzahl Gleichheit" abonnenten wurden gewonnen. Der Erfolg der Versammlungen insgesamt war ein sehr guter: Weit über 400 Parteimitglieder und eine große Zahl Gleichheit" abonnenten sind das vorläufige Ergebnis. Eine allgemeine Nachwirkung der Agitation wird nicht ausbleiben.

Die Versammlungen gaben Gelegenheit zu einer internen Be­sprechung, an der alle weiblichen Delegierten zu den Kreis- und Landesorganisationsversammlungen, alle Obleute der weiblichen Bestellfommissionen und die Vertreter des Landesvorstands teil­nahmen. Genossin 3ieß sprach über die Agitation unter den Frauen und deren Schulung fürs politische Leben. Ihren gründlichen Ausführungen schloß sich eine rege und flärende Debatte an. Soweit die vielseitigen Anregungen der Genossin Zieg noch nicht durchgeführt sind, werden sie befruchtend für die fernere Agitations= arbeit der Genossinnen sein. Leider war es der Vortragenden infolge vorgerückter Zeit nicht mehr möglich, sich eingehend über die Auf­gaben der Kinderschußtommissionen unter besonderer Berück sichtigung der örtlichen Verhältnisse zu verbreiten.

e. g.

In Straßburg und Umgebung hat fürzlich Genossin Kardos­Mainz mit bestem Erfolg unter den Frauen gewirkt. Sie sprach zuerst in einer sehr gut besuchten Frauenversammlung in der neu erbauten Gartenvorstadt Stockfeld. Daß sie die aufmerksam lau­schenden Zuhörerinnen aufzurütteln verstand, bewies besser noch als