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Die Gleichheit

der Beifall die lebhafte Diskussion, die sich an ihren Vortrag über das Thema anknüpfte: Warum müssen sich die Frauen politisch betätigen?" Die Versammlung brachte unserer Parteiorganisation neue Mitglieder und unserer Presse Abonnenten. Die Stockfelder Genossinnen können mit um so größerer Befriedigung auf diese Erfolge zurückblicken, als die Vorbereitungszeit für die Versamm­Tung nur furz gewesen war. Mit ihr ist in der Vorstadt die prole­tarische Frauenbewegung in Fluß gekonumen, die sich hoffentlich gut weiter entwickeln wird. In Straßburg   selbst nahm Genossin Kardos in einer Protestversammlung gegen die Teuerung nach dem Genossen Böhle zu einer Ansprache an die Frauen das Wort. Die aufklärenden und aufmunternden Ausführungen fanden stür­mische Zustimmung. Mit gleich gutem Erfolg referierte unsere Genossin noch in Bischheim   in einer start besuchten Versamm­lung. Die gegnerischen Zeitungen haben durch wütendes Gekläff über die erweckende und schulende Wirkung dieser Agitation quittiert.

Luise Felmé, Straßburg  .

Eine Agitationstour durch Südbayern unternahm Genossin Röhl aus Neu- Kölln. In Südbayern wie in allen jenen Gegenden, in denen die Landwirtschaft überwiegt, hat die politische und gewerk­schaftliche Organisierungsarbeit mit großen Schwierigkeiten zu fämpfen. Gewiß gibt es auch hier Städte und Ortschaften mit reger Industrie. Und das Kapital wandelt langsam, aber unver­meidlich die Kleingütler, Söldner, Kleinbauern und Kleinhandwerker in Lohnsklaven um. Aber auch in der Industrie sind diese noch start in den kleinbürgerlichen Anschauungen jener Schichten be= fangen, denen sie entstammen. Natürlich erschweren diese Verhält­nisse vor allem die Aufklärungsarbeit unter den Frauen. Schon die erste Versammlung in Regensburg  , einer Stadt mit gegen 50000 Einwohnern, hatte leider schwachen Besuch. Knapp 80 Per­sonen, zu drei Viertel Frauen, waren erschienen. Wenn die Ge­nossinnen erst einig unter sich arbeiten, muß es jedoch hier mit der Drganisation der Frauen vorwärts gehen. Die kleinste Zuhörer­schaft kam in Pasing   zusammen, einer Stadt mit 10000 Gin­wohnern in der Nachbarschaft Münchens  . War diese Versammlung auch erst in letzter Stunde an Stelle einer anderen angesetzt wor­den, so hätte doch durch rührige Agitation ein besserer Besuch be­wirft werden können. Auch die beiden Münchener   Versammlungen ließen zu wünschen übrig. Es waren in jeder der Versammlungen ungefähr 300 bis 400 Personen, meist Frauen, anwesend. Eine rege Diskussion fand in beiden Versammlungen statt. In Lands­ hut  , der niederbayerischen Kreishauptstadt, in der heuer die Sozial­demokraten Bayerns   ihren Landesparteitag abgehalten haben, war erfreulicherweise der geräumige Saal überfüllt. Eine kampfes­freudige Arbeiterschar mit einer tüchtigen Leitung an der Spitze läßt hier für die Partei große Erfolge erhoffen. Gut besucht waren auch die Versammlungen in Reichenhall  , Penzberg  , Haus= ham, Kempten  , Augsburg   und Lechhausen. Namentlich in den lettgenannten drei Drten wurden viele Mitglieder für die Partei und Leser für das Bayerische Wochenblatt", für unsere Tagespresse und für die Gleichheit" gewonnen. Der Vortrag Die Frau im politischen Kampfe" fand überall die größte Aufmerksam feit und Zustimmung. Die Rednerin verstand es trefflich, die Zu­hörer aufzurütteln und zu fesseln. Solche Agitationstouren von Genossinnen sind ein dringendes Bedürfnis für unsere Aufklärungs­und Werbearbeit unter den Frauen. Allein in unseren Bergarbeiter­revieren sind Hunderte von Frauen und Mädchen für die Sache des Sozialismus zu gewinnen, ganz abgesehen von den Massen der Proletarierinnen, die in den Städten ihr fümmerliches Dasein fristen müssen. Wer hat denn heute am meisten unter Not und Elend zu leiden? Die proletarische Frau und Mutter. Und wie würde das Elend riesengroß sich aufrichten, wenn es den Regie­rungen einfallen sollte, die Männer in den menschenmordenden Krieg zu führen. Muß da der Mutter, der Frau nicht alles daran gelegen sein, auch ein Wort in der Politik mitzureden? Aber das Recht hierzu muß sie sich erst zusammen mit der Sozialdemokratie erkämpfen! Hans Nimmerfall  .

Agitation in der Pfalz  . Von meiner heurigen Agitation in der Pfalz   kann ich leider nicht so viel Schönes wie im Vorjahr mitteilen. Die vorjährige Agitation stand im Zeichen der politischen Hochspannung, die allemal einer Reichstagswahl vorausgeht. Dazu kam die Auflösung des bayerischen Landtags. Diese Lage der Dinge übte eine aufrüttelnde Wirkung auf die Massen aus, füllte unsere Versammlungen und trug nicht unwesentlich dazu bei, daß viele Leute unserer Partei beitraten. In diesem Jahre fehlte ein un­mittelbar treibender politischer Anlaß, der die Massen in Bewegung gesetzt hätte. Zwar müßte die Teuerung der notwendigen Lebensmittel Anlaß genug sein, das werktätige Volf, vor allem die Frauen, aufzupeitschen, regeren Anteil am politischen Leben zu

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nehmen. Aber in den kleinen Städten und Ortschaften der Pfalz  ist es nicht wie in Berlin   oder anderen großen Wirtschaftszentren. Viele Pfälzer   gehören noch zu jenen, die sehr leicht ihre Not und Bedrängnis vergessen und sich an einen Zustand chronischer Unterernährung gewöhnen und in ihrer Armut und Bedürfnislosigkeit keinen rechten Kampfes- und Wagemut in sich fühlen. Nach meiner Ansicht fanden aber auch meine Agitations­versammlungen drei bis vier Wochen zu früh statt. Während int Vorjahr Weinlese und Feldarbeiten fast beendet waren, als wir uns aufklärend an die Pfälzer   wandten, fiel Heuer der Beginn der Agitationstour mit. der Weinlese zusammen. Diese aber und die Kartoffelernte nehmen die Frauen vollständig in Anspruch, so daß sie des Abends, abgerackert und müde, wenig aufgelegt sind, noch Versammlungen zu besuchen. Meine Tour erstreckte sich diesmal nur auf die größeren Städte und Ortschaften der Pfalz  , in denen im Vorjahr der Grundstein neuer Frauenorganisierung gelegt worden war. Die erste Versammlung fand in dem weinfrohen Neustadta. H. statt, das sich stolz die Perle der Pfalz   nennt. Die Frauen waren recht zahlreich unserem Rufe gefolgt. Ich erörterte hier wie auch in den anderen Drten die Frage: Warum müssen sich die Frauen politisch betätigen?" Von Neustadt ging es zurück nach Ludwigs= hafen und weiter, vorbei an herbstlich gefärbten Wäldern und rot leuchtenden Rebengeländen nach Dürkheim  , Grünstadt  , Kandel  , Pirmasens  , Zweibrücken  , St. Ingbert  , Rammelsbach  , Kaiserslautern  , Hochspeyer  , Speyer  , Homburg  , Landau  und Frankenthal  . In Rammelsbach   müssen die Frauen schwer im Steinbruch arbeiten; sie zerkleinern schottern, wie man es nennt die Steine, die für den Straßenbau usw. verwendet werden. Greisinnen, Frauen und Mädchen verrichten, mit Schutzbrillen be= waffnet, diese Arbeit im Akkord; sie verdienen in vierzehn Tagen 14 bis 15 Mt. Für diesen geringen Lohn schwingen sie täglich sechs lange Stunden den langstieligen, etwa dreiviertel Pfund schweren Hammer mit wuchtigem Schlage, um das harte Gestein zu zertrümmern. Diese schwere Arbeit hat zur Folge, daß sehr viele Frauen an Lungen- und Gallensteinleiden erkranken und die Zahl der invaliden Arbeiterinnen ungeheuer anschwillt. Bei gegen 1700 Einwohnern zählt Rammelsbach   69 invalide Frauen, die durch ihre Arbeit im Steinbruch frühzeitig elend und arbeitsunfähig geworden sind. Wie singen doch Spießbürger mit dem Dichter? Ehret die Frauen, sie flechten und weben himmlische Rosen ins irdische Leben." Die Zahl der neu aufgenommenen Parteimitglieder ist heuer nicht so hoch als im Vorjahr. Es sind 111 Frauen und 34 Männer; außerdem sind etwa ein Dußend Abonnenten auf die Pfälzer Post" neu gewonnen worden. Der Hauptzweck unserer Versammlungen war jedoch weniger die Ausdehnung der Organisation als vielmehr der, den weiblichen Mitgliedern Anregung, Aufmunterung zu bringen, fie immer mehr von der Notwendigkeit ihrer Beteiligung am Kelassen= fampf zu überzeugen. In Neustadt  , Pirmasens  , Ludwigs­ hafen   und Frankenthal   wurden die Versammlungen äußerst ge­schickt von Genossinnen geleitet, und in fast allen Orten sigen Frauen im Vorstand der örtlichen Parteiorganisationen. Das bisher Erreichte berechtigt zu der frohen Hoffnung, daß die Frauen der Pfalz   trotz der ungeheuer starken klerikalen Beeinflussung immer mehr erkennen, daß die Befreiung des weiblichen Geschlechts nur im und durch den Sozialismus erfolgen kann. Wenn Aufklärungs­arbeit unter den Frauen in diesem Sinne wirkt, so hat die Sozial­demokratie reichen Gewinn davon. W. Kähler.

Der Stand der Arbeiterinnenorganisation in Nürnberg  . Der Bericht des Nürnberger   Arbeitersekretariats, an dem Genoffin Grünberg als Sekretärin tätig ist, kann für das Jahr 1911 wieder eine erfreuliche Zunahme der organisierten Arbeiterinnen verzeichnen. Betrug 1910 die Zahl der organisierten Arbeiterinnen 11 040, so ist sie im Berichtsjahr auf 13 439 ge= stiegen, die sich auf 23 Verbände verteilen. Die Zunahme beträgt 2399 und beweist, daß der Organisationsgedanke unter den cr= werbstätigen Proletarierinnen immer fester Fuß faßt. Das kann besonders von den Industriearbeiterinnen festgestellt werden. Sie weisen mehr Organisierte als Unorganisierte auf, denn sie sind bis zu 60 Prozent ihren Gewerkschaften angeschlossen. Die letzte Be­rufszählung ermittelte für Nürnberg  , abzüglich der weiblichen Selbständigen und Angestellten, in Industrie und Gewerbe 21 108 Arbeiterinnen, 12 659 davon sind in 16 Verbänden organisiert. Dazu kommen noch 780 weibliche Mitglieder in 7 Verbänden, die das steinige Gebiet des Handels- und Gastwirtschaftsgewerbes zu bearbeiten haben beziehungsweise sich die Organisierung der häus­lichen Dienstboten, der Hausangestellten angelegen sein lassen. Ju Jahre 1905, als Genossin Grünberg ihre Tätigkeit als Sekre­tärin begann, waren erst rund 2000 Arbeiterinnen organisiert. Die Agitation zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen war