Nr.5

Die Gleichheit

Die österreichischen Genoffinnen gegen den Krieg. In mehr als dreißig Frauenversammlungen haben die Genossinnen Öster reichs in den letzten Wochen gegen jede Kriegsheze protestiert. Da den Frauen nicht das Recht zusteht, in den Parlamenten gegen die Kriegsrüstungen Stellung zu nehmen, tun sie dies in Versammlungen. Ebenso in vielen der großen Volksversammlungen gegen den Krieg, in denen die sozialdemokratischen Abgeordneten zu ihren Wählern sprechen, ergreift fast stets auch eine Genossin das Wort, um gegen den Massenmord zu protestieren. Besonders eindrucksvoll waren die großen Friedensdemonstrationen, die Sonntag den 10. No­vember, einem Beschlusse des Parteitages entsprechend, in ganz Öster­ reich   stattfanden. In allen Zügen der demonstrierenden Proletarier, die in Wien   aus den Vororten auf die Ringstraße kamen, waren Frauen vertreten. Ebenso bei den Kundgebungen in den Provinz­orten.

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a. p.

I. K. Die Beteiligung der Genoffinnen am Parteitag der deutschen   Sozialdemokratie in Österreich  . Dem Parteitag, der diesmal in Wien   stattfand, wohnten 29 Genofsinnen als Delegierte bei, außerdem Genossin Popp als Mitglied der Parteivertretung und Genossin Freundlich für die Arbeiterinnenzeitung. In der Zahl der weiblichen Delegierten kommt die Entwicklung der Ar­beiterinnenbewegung in Österreich   zum Ausdruck. 20090 Genossinnen gehörten am 30. Juni 1912 der sozialdemokratischen Partei in Oster­ reich   an, und Genosse Staret, der Parteisekretär, hat in seinem Referat besonders rühmend den agitatorischen Fleiß und die Erfolge der Genossinnen hervorgehoben. Beim Bericht über die Presse wurde dasselbe konstatiert. Von jeder Nummer der Arbeiterinnen­zeitung" wurden 27200 Exemplare verkauft. An den Verhandlungen des Parteitags beteiligten sich die Genossinnen Popp, Prost, Schlesinger und Freundlich. Genossin Popp sprach über die Schikanen, die der§ 23 des Preßgesezes auch den Genossinnen beschert. Dieser Paragraph verbietet das Verbreiten von Druckschriften in hierzu nicht bestimmten Lokalen. Dadurch wird das Verkaufen der Zeitungen auf den Straßen verhindert, aber auch das Austeilen in der Nähe von Fabriken und sogar die Verbreitung von Hand­zetteln. Gerade während des Parteitags wurden zwei Metallarbeiter verhaftet, als sie Arbeiterinnen, die aus der Fabrik kamen, die ,, Arbeiterinnenzeitung" übergaben, die einen sie betreffenden Artikel enthielt. Genoffin Bopp forderte, daß die Fraktion im Parlament neuerdings die Abschaffung dieses§ 23 dringlich fordern solle.

Zum Organisationsstatut, das einer Änderung unterzogen wurde, lag ein Antrag einer Bezirksorganisation vor, der die Dele­gierung von Frauen zum Parteitag betraf. Bekanntlich haben in der österreichischen Partei Bezirke und Wahlkreise das Recht, wenn sich in ihrem Arbeitsgebiete eine Frauenorganisation befindet, außer den Vertretern der Parteiorganisation noch eine Genossin zum Parteitag zu delegieren. Der vom Bezirk Karlsbad   gestellte An­trag wollte dieses Recht erweitern. Er forderte, den politischen Frauenorganisationen dasselbe selbständige Delegationsrecht einzu­räumen, wie es die Bezirksorganisationen besigen. Dagegen sprach Genossin Broft im Namen des Frauenreichskomitees. Sie führte aus, daß die Genossinnen diese Selbständigkeit nicht wollen, sondern im Einvernehmen mit den Genossen zu delegieren wünschen. Der Umstand, daß die Frauen nach dem Vereinsgesetz eine eigene poli­.tische Organisation haben müssen, wolle von den Genossinnen nicht zu überflüssigen Sonderrechten ausgenügt werden. Zur besonderen Agitation unter den jungen Mädchen forderte die Genossin Schlesinger auf. Genossin Freundlich beantragte, in die Resolution zum Punkt Arbeiterschutz und Parlament" die Forderung nach dem freien Sonnabendnachmittag einzufügen, was be­schlossen wurde. Alles in allem hat der Parteitag, hauptsächlich innere Angelegenheiten der Partei erledigt. Eine Ausnahme davon bildeten die Verhandlungen über den Krieg und die Friedens­aktion der Sozialistischen Internationale. Sie waren der Höhepunkt des Parteitags.

a. p.

I. K. Die Jahresversammlung des Internationalen Sozia­listischen Frauenrats für Großbritannien   hat am 7. Dktober in London   stattgefunden. Leider nahm nur eine kleine Zahl Delegierter an ihr teil. Genossin Macpherson, die internatio nale Korrespondentin der Körperschaft, gab Einblick in ihren Briefwechsel mit den Genossinnen opp und Zetkin sowie mit dem Genossen Huysmans  , dem Sekretär des Internationalen So­zialistischen Bureaus zu Brüssel  . Diese Korrespondenz drehte sich in der Hauptsache um die nächste internationale Konferenz der sozialistischen   Frauen und Vorschläge zur Tagesordnung dazu, ferner um Auskünfte über die Organisation und Tätigkeit der ausländischen Genofsinnen, soziale Einrichtungen für geistig min­derwertige Kinder usw. Die Jahresversammlung übertrug durch Wahl die Leitung des Frauenrats wieder den Genossinnen, in

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deren Händen sie bisher ruhte. Mit zwei Ausnahmen jedoch, Ge­nossin Soryman von der Women's Labour League( Liga für die Interessen der erwerbstätigen Frauen) wurde für Genossin Murby zur Sekretärin gewählt, die ihr Amt niedergelegt hat, weil sie auf Grund des neuen Versicherungsgesetzes zur Gesund­heitsinspektorin ernannt worden ist. Genossin Wilson von den Fabiern" trat an die Stelle von Genossin Hendin als Vize­vorsitzende, da deren Mitgliedschaft erloschen ist. Auf einen Antrag von Genossin Macpherson beschloß die Versammlung, die neugegründete Britische Sozialistische   Partei aufzu­fordern, sich in dem Internationalen Frauenrat   durch Delegierte vertreten zu lassen und ihr vorzuschlagen, Genossin Hendin als solche wählbar zu erklären. Sie trat ferner der Anregung bei, daß die Mitglieder der Leitung von den angegliederten Organisationen in Vorschlag gebracht werden müßten und nicht von einzelnen Delegierten zur Jahresversammlung. Die Kassiererin, Genossin Bentham  , wies einen befriedigenden Kassenstand nach. Die Jahresversammlung trat dem Vorschlag der holländischen Genossinnen bei, die nächste Internationale Sozialistische Frauenkonferenz möge wie der allgemeine Internationale Kon­greß erst 1914 und nicht schon 1913 stattfinden. Die nächste Quar­telssihung des Frauenrats soll am 20. Januar 1913 abgehalten werden und die Organisation der sozialistischen   Frauen auf dem Kontinent erörtern. Mary Macpherson, London  .

I. K. Eine fozialistische Kinderbewahraustalt in Lawrence  ( Massachusetts  ) soll gegründet werden. Lawrence   ist eine Fabrikstadt von 85000 Einwohnern, ein Mittelpunkt der nordamerikanischen Baumwollweberei. Wie unsere Leserinnen wissen, war es während des verflossenen Jahres der Schauplatz großer Arbeiterunruhen und eines siegreich beendeten Streits. Die Textilarbeiter von Lawrence haben mit schweren Lebensbedingungen zu kämpfen. Trotz der ge­ringen Lohnerhöhung, die der große Streit ihnen brachte, sind die Löhne noch so niedrig, daß selbst ein geschickter Weber nicht genug verdient, um eine Familie ernähren zu können. Mann, Frau und Heranwachsende Kinder müssen gemeinsam erwerben, damit eine einigermaßen menschenwürdige Lebenshaltung möglich ist. So blüht denn in Lawrence die Lohnarbeit der verheirateten Frauen, und mit ihr geht die unvermeidliche Begleiterscheinung: hohe Säug­lingssterblichkeit. Diesem furchtbaren Übel will die bürgerliche Ge­sellschaft in Lawrence, wie in allen übrigen amerikanischen   Städten, lediglich durch das Mittel privater Wohltätigkeit steuern. Die wenigen Kinderbewahranstalten, in denen erwerbstätige Proletarierinnen tags­über ihre Kleinen lassen können, sind in den Händen von Kirchen­gemeinden. Als Zugabe zu dem bißchen Hilfe wird dort den armen Müttern Frömmigkeit, Ergebung und Demut gepredigt. Nun wollen unsere Genossinnen und Genossen in Lawrence eine sozialistische Kinderbewahranstalt gründen. Ohne salbungsvolle Reden, ohne die Gebärde herablassender Wohltätigkeit, werden dort aufgeklärte Frauen der Arbeiterklasse ihren Schwestern helfen, indem sie tagsüber deren Ileine Kinder hegen und pflegen. Zwei Genossinnen, die als geschulte Krankenpflegerinnen mit der Behandlung von Säuglingen vertraut sind, Frau Arnold und Frau Stoppenbach aus New York   über­nehmen die Leitung der neuen Anstalt. Wenn sich der Versuch als erfolgreich erweist, so wird er wahrscheinlich in anderen amerika­ nischen   Industriestädten Nachahmung finden. Jedenfalls bringen ihm die sozialistischen   Frauen in New Yorf und anderwärts großes Inter­esse entgegen, und ich werde demnächst näheres darüber an die ,, Gleichheit" berichten können. Meta L. Stern, New York  .

Frauenstimmrecht.

Die Rechtsschwenkung des Deutschen Verbandes für Frauen­stimmrecht tritt augenscheinlich zu Tage. Die sich abspielenden Vor­gänge schieben einzelne Personen in den Vordergrund, aber es sind Prinzipien, um die der Kampf geht. Das Prinzip eines wirklich demokratischen Wahlrechts für alle Großjährigen ohne Unterschied des Geschlechts ist das Kampfobjekt. Der Deutsche Verband für Frauenstimmrecht will diese grundsägliche Forderung seines Pro­gramms wieder fallen lassen, die sein Prunkstück war, obgleich er sich erst Jahre nach seiner Gründung dazu bequemte, sich in aller Form zu ihr zu bekennen. Nun erweist sich das Prinzip als ein Hindernis für die Sammlung" der bürgerlichen Frauen. In ihrer großen Mehrheit begehren diese nicht gleiches Recht für jedermann, sondern nur gleiches Vorrecht für Damen und Herren der besitzen­den Klassen. Auf der Beiratskonferenz des Vorstandes in Weimar  , von der schon berichtet worden ist, gelangte ein Antrag von Fräulein Augspurg zur Annahme, bei den Mitgliedern darauf hinzuwirken, daß an die Stelle des jetzigen§ 3 der folgende Bassus tritt: Der Verband erstrebt das persönlich auszuübende gleiche Wahlrecht für