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Die Gleichheit

heit schirmt, die mit ihrer eigenen Zukunft zugleich die der Menschheitskultur und Menschheitsentwicklung zum Siege trägt. Darum ist fie auch in unseren Tagen allem gleißen­

den Schein der Dinge ungeachtet die einzige gesellschaftliche Macht, die willens und stark genug ist, Hüterin des Frie­dens und seiner Güter zu sein.

Es ehrt die Baseler Regierung und die Kirchenbehörden, daß sie unberührt durch das Gezeter törichter oder schlechter Gesellen von den paterlandslosen Internationalen, vor­urteilslos und aufrecht genug gewesen sind, dies in aller Form anzuerkennen. Die Regierung entbot dem Kongreß freundlichen Willkommensgruß und herzliche Wünsche für das Gelingen seines Werkes, und sie stellte ihm für seine Arbeiten und Veranstaltungen Räume zur Verfügung, die bei uns in Deutschland und in den meisten Ländern nur denen offen stehen, die die Arbeiterklasse und ihre Ideale bekämpfen und verleumderisch besudeln. Die Kirchenbehörden des protestantischen Münsters erachteten ihrerseits mit flarem Blick und wirklich christlicher Gesinnung diesen größten und schönsten Bau nicht für entweiht, wenn in ihm und auf dem Blaze um ihn die internationale Sozialdemokratie die Völker zum Frieden rief. So konnten die nationalen Delega­tionen und das Internationale Bureau in der Klaraschule beraten, die Teilnehmer an dem riesigen Demonstrationszug sammelten und ordneten sich im Rafernenhof, und die Frie­denskundgebung erreichte ihren Abschluß und Höhepunkt im Münster und auf dem Münsterplatz. Schule Kaserne- Kirche, meist eine Dreiheit zur Knechtung der werktätigen Massen, in Basel als Rahmen ihrer politischen Aktion!

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Der Kongreß hat sich wahrlich nichts dabei vergeben, daß er den weltlichen und geistlichen Behörden Basels für die be­tätigte freie, würdevolle Gesinnung reichen Dank zollte. Denn dies fonnte aus dem stolzen Bewußtsein heraus ge­schehen, daß heute das klassenbewußte Proletariat nicht mehr der sozial heimatlose Bogel auf dem Dache" ist, sondern eine Macht, nach der vertrauensvoll alle blicken, denen das vom Kriege gefährdete Kulturerbe der Menschheit über Profit, Eroberungen und blutbefleckten Ruhm geht. Am meisten sollten von Rechts wegen die bürgerlichen Klassen den Baseler Behörden Dank wissen. Durch ihr Verhalten haben diese bewiesen, daß unter den Besitzenden und Herr­schenden das Gewissen, die Aufrichtigkeit religiöser und mo­ralischer Grundsätze noch nicht überall zu den Hunden ge­slohen sind. Aber fast scheint es, daß die Baseler Behörden als Ausnahme von der Regel nur sich selbst und nicht ihre Klasse geehrt haben. In Deutschland zum Beispiel hat sogar die liberale Presse mit der einzigen anerkennenswerten Ausnahme der Frankfurter Zeitung " für das sozia­listische Friedenswerk zu Basel nicht so viel Interesse gezeigt wie für die Tauen, Hirsche und anderes edle Wild, das der österreichische Thronfolger auf der Hofjagd mit Wilhelm II. in Springe erlegt hat, oder für die Höschen und Hemden der Fürstlich Fürstenbergischen Ausstattung in Donaueschingen .

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Sei's drum! Wir geben gern zu, daß es vom Standpunkt der bürgerlichen Gesellschaft und ihrer Moral aus weit wich­tiger, ehrenvoller und einträglicher ist, Kriegsrüstungen, Kriegsheze und Völkermord industriell und finanziell ge­schickt auszunußen, statt für die Wahrung des Friedens zu wirken. Das Proletariat kann überzeugt sein, daß trotz allem Verlegenheitsschweigen und Verlogenheitstoben von den Ne­gierenden und Herrschenden die Sprache der Baseler Tagung verstanden worden ist. Ob sie daraus lernen werden, ist ihre und nicht seine Sache. Ihm muß es daran genügen, daß die Volksmassen das Wort des Kongresses hören und in ihrem Herzen bewegen. Denn der Schutz des Friedens ist nicht ein glänzendes Eintagswerk, vielmehr ein langes und zähes Ringen, Brust an Brust mit den mächtigen Feind. Solches Ringen kann nur das Werk selbstvertrauender, aber auch opferbereiter, gerüsteter Massen sein. Die Massen zur Samm­lung gerufen, ihnen Ziel und Weg gewiesen zu haben, ist die unvergängliche Tat des Baseler Kongresses.

Nr. 6

Die Frauen bei der internationalen sozia­ listischen Friedenskundgebung zu Basel .

Die großen äußeren Schwierigkeiten, unter denen der Außerordentliche Internationale Sozialistische Kongreß zu Basel zusammentreten mußte, fast ohne Zeit zur Vorberei­tung, schlossen von vornherein eine zahlreiche Beteiligung der Genossinnen aus. Trotz allem haben die sozialistischen Frauen bei dieſer wichtigen Tagung nicht gefehlt. Es be­

deutet dies mehr als nur einen Beweis ihrer leidenschaft­lichen Kampfesbegier im Dienste ihres Ideals. Es kommt Kampfesbegier im Dienste ihres Ideals. Es kommt darin die wachsende Bedeutung der sozialistischen Frauen­bewegung zum Ausdruck, die steigende Erkenntnis, wie un­entbehrlich diese Bewegung für das allgemeine proletarische Befreiungsringen ist. So hatte die deutsche Sozialdemo­kratie in Österreich die Genoffinnen Popp und Böl­zer nach Basel entsendet, die tschechische Sozialdemo­fratie zählte unter ihren Delegierten eine Genossin. Der französischen Delegation gehörten 3 Genossinnen an, darunter Genossin Roussel; die Vertreter der italieni­schen Sozialdemokratie hatten Genoffin Balabanoff in ihrer Mitte. Für die russische Delegation hatten die or­ganisierten Näherinnen und Tertilarbeiterinnen von Peters­ burg der Genossin Kollontay ein Mandat übertragen. Genossin Montefiore befand sich unter den Delegierten der englischen Sozialdemokratie. Zur Delegation der polnischen Sozialdemokratie in Rußland gehörte Ge­nossin Luxemburg , die die Vertreterin dieser Partei im Internationalen Sozialistischen Bureau ist. Die Sozial­demokratie Deutschlands hatte die Genossinnen Baader, Zieß und Zetkin delegiert. Es versteht sich, daß alle diese Genossinnen eifrigen Anteil an den Beratun­gen ihrer nationalen Sektionen genommen haben.

Soweit die Kürze der Zeit eine internationale Verstän­digung zwischen den Genossinnen erlaubt hatte, war einhellig der Wunsch nach einer einheitlichen Kundgebung der soziali­ stischen Frauen auf dem Kongreß zum Ausdruck gekommen. Gewiß waren die Genossinnen überall von der überzeugung durchdrungen, daß sie eine treue Vertretung ihrer Auffassung und ihres Willens in der Sozialdemokratie, in der Delegation ihres Landes besaßen. Allein sie gedachten der dringenden Notwendigkeit, die breitesten Frauenmassen des arbeitenden Volkes zum schärfsten Protest gegen das wahnwißige Ver­brechen des Brudermordes zu rufen. Und um dieser ihrer besonderen Aufgabe willen erachteten sie es für geboten, daß auf dem Kongreß im Namen der sozialistischen Fraueninter­nationale erklärt würde: die Frauen, die Mütter der werk­tätigen Massen sind bereit zum raftlosen, gefahrenreichen Krieg gegen den Krieg und wollen ihre Kräfte bis zum letz­ten Fünfchen für die Freiheit, für den Sozialismus ein­jezzen. Wortführerin der Genossinnen aller Länder sollte die internationale Sekretärin sein, Genossin 3 etkin. Freudige Zustimmungen zu der Anregung gingen ein aus Deutsch­ land , Österreich , Holland , der Schweiz , ta­lien, Dänemart, Schweden , Finnland , Böh. men, Österreichisch- Polen, Russisch- Polen, Rußland und England. Aus manchen dieser Länder schickten die Genossinnen außerdem Adressen für den Kon­greß, die wir weiter unten mitteilen. Die Kongreßleitung beziehungsweise das Internationale Sozialistische Bureau würdigte durchaus die Gründe dafür, daß trop der knapp be­messenen Tagungszeit die internationale Beauftragte der so­ zialistischen Frauen sprechen solle und anerkannte damit, daß die sozialistische Frauenbewegung eine Macht ist, die die Internationale nach ihrer Bedeutung schätzt. Wir lassen weiter unten Genossin Zetkins Ansprache an den Kongreß folgen.

Genossinnen in

Die nachstehenden Zuschriften von Schweden , Böhmen , Italien und Rußland sind dem Internationalen Sozialistischen Bureau zur Veröffent­lichung im Protokoll des Kongresses übermittelt worden: