Nr. 6
Die Gleichheit
„ Wir wissen, daß alle sozialdemokratischen Frauen in unserent Lande mit Abscheu gegen den Krieg erfüllt sind, den man zugelassen hat. Der Empörung, die uns beseelt, hat eine Genossin in unserer Presse diesen Ausdruck verliehen: Abermals blutet die Menschheit! Aus einer großen, offenen und schrecklichen Wunde: Der Balkanfrieg! Scheinheilige Christenheit! Versuche wenigstens, dich vor dir selbst zu schämen, wenn du zu Weihnachten 1912 das Evangelium predigst: Friede auf Erden! Ihr Frauen der Internationale! Ist es unserer würdig, dem Vormarsch der kapitalistischen Zivilisation auf dem Ballan stillschweigend zuzusehen? Kann es unserer würdig sein, stillschweigend den schändlichen Grausamkeiten zuzusehen, die im Zeichen des heiligen Kreuzes an unschuldigen Frauen und Kindern verübt werden? Nein! Reißt sie herunter die Maste der Heuchelei, so daß die kapitalistische Raublust unverhüllt allen Augen sichtbar wird. Laßt uns protestieren!
Stockholm , Ende November 1912.
Der geschäftsführende Ausschuß des sozialdemokratischen Frauenkongresses:
Anna Sterky , Lyda Östlund, Elise Engelström, Anna Lindhagen , Signe Swensson.
Die tschechoslawischen sozialdemokratischen Arbeiterinnen und Arbeiterfrauen sind mit der ganzen sozialistischen Internationale einig in dem Protest gegen den Balkanfrieg wie gegen die Gefahr eines möglichen Weltkriegs. Die außergewöhnlich schwere Zeit und ins besondere die drohende Kriegsgefahr fordern auch von uns Frauen außergewöhnliche Opfer und rufen uns zum Kampfe gegen den Massenmord. Eines Sinnes mit der in Basel tagenden sozialistischen Internationale rufen wir: Strieg dem Kriege! Vorwärts für den Frieden!
Für die
organisierten tschechoslawischen Sozialdemokratinnen: Karla Macha.
In Basel wird das Proletariat aller Länder den heiligen Bund besiegeln, der verhindern soll, daß ein Weltbrand sich entzündet und daß die Völker zu Nutz und Frommen der Interessen einer Minderheit von industriellen Kapitalisten, Spekulanten und Agrariern zur Schlachtbank geschleppt werden. Bei dieser Gelegenheit muß, die Stimme der sozialistischen Frauen ertönen, denn sie sind die Ver
treterinnen der Frauen des arbeitenden Wolfes, ohne deren freudige Mitwirkung keine Auflehmung, kein Kampf des männlichen Proletariats die volle Straft zu entfalten vermag, von jener Begeisterung und Opferwilligkeit getragen werden kann, die von großen Zielen gefordert werden. Im Namen der sozialistischen Frauen aller Länder und für die Proletarierinnen aller Länder muß auf dem Kongreß zu Basel unser Fühlen und Wollen zum Ausdruck gelangen. Mit dem Weltproletariat zusammen erheben sich die sozialistischen Frauen gegen den Völkermord und gegen die kapitalistische Ordnung, die den Völkermord heraufbeschwört; mit dem Weltproletariat zusammen bekunden sie ihren unerschütterlichen Willen, mit aller Kraft an dem gewaltigen Kulturwerk des Krieges wider den Krieg teilzunehmen. Mailand , Ende November 1912.
Für den Ausschuß
der nationalen Union sozialistischer Frauen in Italien : Dr. Anna Kulischoff.
Die organisierten Näherinnen von St. Pe tersburg hatten sich mit der sozialistischen Internationale durch diese Resolution solidarisch erklärt, der auch die organisierten Textilarbeiterinnen ihre Zustimmung gegeben haben:
Wir, die organisierten Näherinnen von St. Petersburg , protestieren gegen die Grenel des Bruderkriegs, der sich gegenwärtig auf der Baltanhalbinsel abspielt und erheben in Übereinstimmung mit dem Proletariat aller Länder unsere Stimme gegen den Krieg."
Der mangelnde Raum verbietet es, die vielen Zuschriften ähnlichen Inhaltes auch nur aufzuzählen, die einzelne Genossinnen aus allen Ländern der internationalen Sekretärin zugeschickt haben. Dagegen können wir nicht schweigend an der erhebenden Bekundung sozialistischer Gesinnung, sozialistischen Kampfesmuts vorübergehen, die unsere Genossinnen in der Schweiz , allen voran natürlich die von Basel und Umgegend, gegeben haben. Hunderte von Frauen und Mädchen darunter viele russische und polnische Studentinnen und Emigrantinnen befanden sich unter der Menge, die sich während der Sizungen der Internationale auf der Galerie, in den Gängen und Vorräumen der Burg
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vogtei drängte. Sie waren nicht als fühle Zuschauerinnen eines interessanten Schauspiels" gekommen. Man sah es ihren leuchtenden Blicken an, man hörte es aus ihrem stürmischen Beifall heraus, daß sie sich als Mitwirkende an einem bedeutsamen geschichtlichen Ereignis fühlten, daß sie eines Sinnes und eines Willens mit denen waren, die unten im Saale als Sozialisten dem Kriege unerbittlichen Krieg erklärten. Und wären die imposanten, unvergeßlichen Massenfundgebungen für den Frieden ohne die Frauen denkbar? Im Demonstrationszug voller Wucht und Leben marschierten viele Frauen, die weiblichen Delegierten, Genossinnen von überall her, marschierten vor allem organisierte schweizerische Arbeiterinnen und Arbeiterfrauen, die wie die Genossen aufrecht und stark, mit fröhlichem Stolze ihre Banner trugen. Frauen sehr oft mit roten Abzeichen geschmückt- in allen Straßen, die der Zug passierte, zu Tausenden unter den Massen, die im Münster und auf dem Münsterplaß ihre heilige Empörung wider den Völkermord bezeugten. Wo aber die Frauen find, die Mütter, da konnte die Jugend nicht fehlen. Die Jugendorganisation der Baseler Arbeiterschaft hatte ihre Scharen aufgeboten, die jungen Proletarier in mittelalterlicher Tracht als Pfeifer und Trommler, die Mädchen in weißen Kleidern, Palmenzweige in den Händen, den präch tigen Friedenswagen begleitend und der Friedensgöttin huldigend. Waren sie nicht zu Fleisch und Blut verkörpert Symbol und Bürgschaft zugleich dafür, daß der Geist der sozia listischen Mutter über die Gegenwart hinaus lebendig weiter. wirft?
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Die Baseler Tagung Klang für die Genossinnen in zwei Veranstaltungen aus, voller Kraft und Hoffnungsfreudigkeit. Der Baseler Arbeiterinnenverein hatte eine Frauenversammlung einberufen, zu der Hunderte keinen Zutritt mehr finden konnten. Unter dem Vorsitz der tapferen Genossin Schmidt sie hatte auf dem Wege zur Versammlung einen schlimmen Unfall erlitten, ließ sich aber dadurch nicht
abhalten, ihre Pflicht zu tun-sprachen die Genossinnen Popp, Montefiore, Kollontay, Ziez und 3 etkin. In der großen Versammlung der Jugendorganisation traten die Genossinnen für die verhinderten Referenten ein: die Genossinnen Kollontay und Ziez gaben aus dem Stegreif treffliche Referate über die Pflichten von jung und alt zur Förderung der sozialistischen Jugendbewegung, die Genossinnen Popp und 3ettin fügten fürzere Ansprachen hinzu. In beiden Veranstaltungen waren Rednerinnen und Zuhörerschaft durch die starken Bande des Bewußtseins verknüpft, eins zu sein im Kampfe gegen den Krieg, gegen den Kapitalismus. Es gab den Reden zündende Kraft, es jubelte aus der begeisterten Zustimmung der Versammelten: Der Sozialismus hat im Weltproletariat ein einig Volf von Brüdern und Schwestern geschaffen, das feine Not mehr trennet und Gefahr!". über dem blutigen Leid, der zehrenden Sorge der Gegenwart leuchtete die große, reine Zukunftssonne der Menschheitsbefreiung.
Genossin Zetkin führte vor dem Kongreß aus:
Im Namen der sozialistischen Frauen aller Länder habe ich dieses zu erklären: In einer unzerstörbaren Einheit des Zieles mit der großen sozialistischen Internationale verbunden, haben wir es jederzeit als unsere Pflicht empfunden, ist es unsere Ehre und unser Glück gewesen, alle eure Arbeiten und Kämpfe zu teilen. Wenn wir aber jemals besonders freudig, mit ganzem Herzen mit euch zusammengewirkt haben, so in diesem jezigen Augenblick, wo ihr das Weitproletariat zum heiligen Kreuzzug gegen den Krieg führen. wollt. Wir sind dabei mit allem, was wir sind, mit allem, was wir fühlen! Gerade weil wir Frauen, weil wir Mütter sind! Wie immer sich die sozialen Verhältnisse im Laufe der Zeiten gewandelt haben, ist durch die Jahrhunderttausende mit unserem Geschlecht die Aufgabe gegangen, neues menschliches Leben zu tragen, zu hegen und zu pflegen. Diese Aufgabe ist unsere Bürde gewesen und unsere