Nr. 7

Die Gleichheit

sperrten und hielten ohne oder mit nur geringer Unterstüßung bis zu Ende des Kampfes aus. Der Beschluß der Unternehmer war für den Verband selbst nicht besonders gefährlich, weil seine meisten Mitglieder in Betrieben arbeiteten, deren Besitzer nicht dem Süd­deutschen Textilarbeitgeberverband angehören. Auch sonst gelang es, den Beschluß zu durchkreuzen.

Die Unternehmer änderten munmehr ihren Beschluß dahin, daß alle Arbeiter und Arbeiterinnen weiterarbeiten dürften, wenn sie aus der Organisation austräten und sich unterschriftlich verpflichte= ten, während zwei Jahren dem Verband nicht mehr beizutreten und in dieser Zeit keine Forderungen zu stellen. Solche Bedingungen sind nach Ansicht der Textilunternehmer durchaus nicht terroristisch, son­dern lediglich wohlgemeinte" Ratschläge im Interesse der Arbeiter­schaft. In den Betrieben, wo die Organisation noch nicht Fuß ge­faßt hatte, war es den Unternehmern ein leichtes, die Unterschriften zu erlangen. Wie uns jedoch vielfach versichert wurde, wissen die meisten Arbeiterinnen und Arbeiter nicht, was sie unterschrieben haben. Nach unserer Ansicht ist die Forderung einer Unterschrift unter solchen limständen schon mehr Erpressung. Freilich findet sich kein Staatsanwalt, der die Unternehmer zur Verantwortung zieht. Jedenfalls brauchen sich die Arbeiter durch die gegebene Unterschrift nicht für gebunden halten, da die Art, wie sie erzielt wurde, gegen die guten Sitten verstößt. Viele der Unterzeichner sind sich dessen auch bewußt und haben sich trotz der Unterschrift organisiert. Die Unternehmer be­haupten, der Kampf wäre für die Arbeiterschaft ergebnislos ver­laufen. Das ist weiter nichts als eine Verdrehung der Tatsachen. Der Kampf ging nicht mehr um die paar Pfennige Lohn, vielmehr hatten sich die Unternehmer das Ziel gefeßt, dem Deutschen Textil­arbeiterverband eine Niederlage zu bereiten, wenn nicht gar ihn in Württemberg   zu vernichten. Dies ist ihnen nicht gelungen. Im Gegenteil, sie haben sich selbst solch hohen Schaden zugefügt, daß sie ein zweites Mal sicher vorsichtiger sein werden. Die ausgesperrte Arbeiterschaft hat höchstens ein paar Mark Geld verloren, dafür an Ge­sundheit durch die Ausspannung von der Fron viel gewonnen. Durch den Kampf wurden die linternehmer außerdem gezwungen, die früheren Zugeständnisse zu erhöhen, die wiederholt zurückgezogen worden waren und schließlich endgültig bewilligt werden mußten. Nur auf einem ist die Unternehmerorganisation bestanden: die Organisation der Ar­beiter nicht anzuerkennen. Aber auch dieser Erfolg ist zweifelhaft. Denn was die Unternehmer auf geradem Wege nicht tun wollten, das mußten sie doch auf Umwegen tun. Nur das, was die Organi­sation für gut und zweckmäßig hielt, durften die Arbeiterausschüsse weiter vermitteln. Der beste Gewinn der Arbeiterschaft liegt darin, daß dieser Kampf ihr Klassenbewußtsein geweckt und geschärft und ihr zugleich die Notwendigkeit einer schlagfertigen, machtvollen Dr ganisation erwiesen hat. Versicherung in höheren Klassen und bessere Durchbildung der Mitglieder ist jetzt das nächste Ziel. Hervorgehoben muß werden, daß es Arbeiterinnen waren, die das Vorpostengefecht füt den ersten großen Kampf mit den Tertilunternehmern in Württem berg geführt haben, und daß sie von der ersten bis zur letzten Stunde im Stampfe standhielten. Der vierzehnwöchige Kampf ist beendet, die Rüstung zum neuen Stampf beginnt, das ist das Losungswort!

a.

Arbeitslosenzählung im Deutschen   Textilarbeiterverband. Die Novemberzählung ergab 728 Arbeitslose, darunter 197 Ar­beiterinnen. Im Vormonat waren 716, im November des Vor­jahres 701 Beschäftigungslose verzeichnet worden. Am gleichen Tage wurden als auf der Reise befindlich gemeldet 91 arbeitslose Mitglieder; im Vormonat waren es 119 und im November des Vorjahres 95. Die Novemberzählung erfaßte 98,6 Prozent der Mitglieder; 30 Filialen mit 1969 Mitgliedern haben sich nicht an der Zählung beteiligt. Die Zahl der Verbandsmitglieder betrug 87 301 männliche und 54 501 weibliche, zusammen 141 802; im Bormonat waren es 141 978. sk.

Aus der Textilindustrie. Durch die Kursstürze, die seit Ende Ottober an den deutschen Börsen eingesezt haben, sind auch in Schlesien   verschiedene Bankhäuser gezwungen worden, ihre Zah­lungsunfähigkeit zu erklären. Als erstes fallierte das Bankhaus Weiß in Reichenbach, ihm folgte auf dem Fuße das Banf haus v. Einem. Die Zahlungseinstellungen find die mittelbare Folge der Balkanwirren, die an der Börse eine Senkung der Kurse der meisten Papiere herbeiführten, wobei allerdings die Großbanken noch fräftig nachhalfen. Der Zusammenbruch des Hauses v. Einem wirft seine Schatten auch über die Textilindustrie, da es das Geld­inftitut einer Reihe von Tertilfirmen im Eulengebirge war. In dem Reichenbach   benachbarten Neuro de haben bereits 3 weitere größere Geschäftshäuser den Konkurs anmelden müssen. Ob es allen Firmen gelingt, neue Geldquellen zu erschließen, steht noch dahin. Im Interesse der dortigen Tertilarbeiter wäre das sehr zu wünschen. Eine der in Schwierigkeiten geratenen Langenbielauer

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Tertilfirmen soll durch eine Familienfusion( lies Ehe) mit einer Millionenfirma saniert werden. Die gegenwärtige schwierige Lage des Geldmarktes befördert naturgemäß die Kapitalszusammenballung: der Großze wird von dem Größeren geschluckt. Das Bankhaus v. Einem, das als Millionenfirma galt, genoß im ganzen Bezirk das größte Vertrauen. Der Inhaber besaß in Reichenbach eine fürstliche Villa, ebenso noch an anderen Orten. Umsomehr über­raschte sein Zusammenbruch. Von diesem sind leider auch Arbeiter­organisationen betroffen worden. Der Konsumverein und die Filiale des deutschen   Textilarbeiterverbandes i Langenbielau   verlieren je 3000 und 4000 Mark Guthaben. Daz ist um so schmerzlicher, als diese Gelder erdarbte Groschen von Proletariern sind, die sprichwörtlich zu den ärmsten in ganz Deutsch­ land   gehören. Die Textilindustrie des Eulengebirges hat sich bis jetzt noch nicht von den Schlägen der letzten Krise erholen können. Die seit Jahren herrschende Teuerung wirkt stark hemmend auf den Verbrauch an Tertilerzeugnissen ein. Und nun gesellen sich als Folge der kapitalistischen   Weltpolitik neue Schwierigkeiten und neue Un­sicherheiten hinzu. Solange die Formen der Gütererzeugung fapita­listische bleiben, so lange die Beziehungen zwischen den einzelnen Ländern und Wirtschaftsgebieten durch die einander entgegengesetzten Profitbedürfnisse kleiner, die Völker beherrschenden und ausbeuten­den Minderheiten bestimmt werden, wird auch die Lage der Massen eine unsichere bleiben. Erst die gesellschaftliche, die sozialistische Form der Gütererzeugung kann diese zu einer geregelten, stetigen machen, deren Segnungen allen zuteil werden. sk.

Notizenteil. Dienstbotenfrage.

Etwas von den Dienstboten, die es so gut haben. In den bürgerlichen Zeitungen und Wigblättern stellen die Unzufrieden­heit", die Ansprüche", die Unfähigkeit und Faulheit" der Dienst­boten eine ständige Rubrif. Derselbe Gegenstand ist das beliebteste Unterhaltungsthema von Staffeeschwestern besserer" Kreise. Solange die Dienstboten recht- und schußlos waren, drang selten die Wahr­heit über ihre Lage in die Öffentlichkeit. Erst seit einigen Jahren, seit diese ausgebeutetste Schicht der arbeitenden Klasse sich eine eigene Berufsorganisation geschaffen hat, ist es möglich, an der Hand der Tatsachen den wahren Sinn des Wortes Dienstbotenelend" aufzu­decken. Seither erst gelingt es auch, diesen Proletarierinnen in manchen Fällen zu ihrem Rechte zu verhelfen. Ein solcher Fall, der die edle Moral einer Herrschaft beleuchtet, sei hier näher geschildert.

Ein ruhiges braves Mädchen, das Zeugnisse über zweieinhalb­und vierjährige Dienststellen aufweisen kann, kam zu einer Frau Direktor Alice in Stuttgart   in Stellung. Anfang August ging die Herrschaft ins Seebad. Zuvor hielt die Frau Direktor dem Mäd­chen folgende Ansprache: Also, Marie, wir gehen nächsten Donners tag oder Freitag ins Bad. Sie dürfen solange zu Ihren Eltern heim und bekommen den Lohn für August, wenn wir wiederkommnen. Ich bin nobel und zahle Ihnen den Lohn, trotzdem Sie nichts für uns tun brauchen, Sie bekommen ihn also geschenkt. Auch eine Lohn­zulage von 2 Mt. erhalten Sie ab September, damit Sie sehen, daß ich mit Ihnen zufrieden bin. Aber hören Sie, Marie, Sie könnten während der Zeit, wo Sie nichts zu tun haben, die Wäsche sür meinen Sohn instand setzen, sie waschen, bügeln und flicken, wo etions fehlt, und in einem Paket verpackt ihm wieder zuschicken. Damit der Junge auch eine Freude hat, legen Sie ihm aus dem Garten Ihrer Eltern auch immer etwas Obst bei." Die letztere Aufforderung er­gänzte der Herr Direktor dann dahin, daß man das Obst natürlich bezahlen werde". Der Tag der Abreise kam, und siehe, man hatte ganz vergessen", dem Mädchen den Lohn für den verflossenen Monat zu geben. Es erhielt ihn erst, nachdem es besonders darum ersucht hatte. Nummehr kam die Zeit, in der das Mädchen nichts zu tun" hatte und für die sie den Lohn geschenkt" bekam. Nichts zu tun", aber waschen, bügeln und flicken, den Lohn geschenkt", aber der Wäsche Obst beilegen, die Pakete frei machen, die Seife zum Waschen, das Material zum Flicken stellen. Für alles nichts als drei Begleit­und Anhängeadressen, jedoch kein Koftgeld. Daß dies ein so großer Vorteil sein sollte, ging den Eltern des Mädchens nicht ein. Da die Mutter immer frank war, so veranlaßte sie ihre Tochter, der gutent Stelle Valet zu sagen und zu fündigen. Das Mädchen fündigte dann am 7. Auguft auf den 1. September. Schon am 15. August erhielt sie die schriftliche Benachrichtigung, daß man mit der digung einverstanden sei, daß aber das Mädchen sich schon seit dem 2. August als entlassen betrachten tönne. Das Mäd­chen, das glücklicherweise organisiert war, wandte sich an seinen Verband, und dieser versuchte durch die Vorsitzende nach der