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Die Gleichheit
Die akademisch gebildeten Lehrer plätscherten vergnüglich in dem Entenpfüßlein der üblichen Plattheiten, hinter denen sich Vorurteil, Egoismus und Konkurrenzfurcht verbergen, und sie gingen in der echebenden Überzeugung heim, den Ozean bewegt zu haben. Die Nachtmüze würde diesen Herren besser anstehen als der Doktorhut.
Ein weiblicher Professor der Philosophie wird in den Ver einigten Staaten an der Universität Lincoln in Nebraska Vorlesungen halten. Es ist dies Miß Winnifred Hyde, die im vorigen Jahre an der Universität Jena die Doktorwürde erworben hat.
Eine Konferenz weiblicher Polizeibeamter hat im Staate Oregon der nordamerikanischen Union stattgefunden. Ort der Tagung war Portland . Die Konferenz erörterte cingehend und ernsthaft Fragen der polizeilichen Verwaltung mit Bezug auf Frauen und Kinder. Sie faßte mehrere Beschlüsse dazu, die den städtischen Verwaltungen zur Berücksichtigung vorgelegt werden sollen. Diese Konferenz war unseres Wissens die erste ihrer Art.
Familienrecht.
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Die Erforschung der Vaterschaft in Frankreich . Der fran zösische Senat hat endlich den Entwurf über die Nachforschung nach der Vaierschaft in der Fassung der Deputiertenkammer angenommen. Lange genug ist das Gesetz zwischen den beiden Kammern hin und her gewandert, endlich ist nun mit der Beschlußfassung des Senats die berüchtigte Bestimmung des Code Civil aufgehoben, dieses Ilassischen Werkes des Bourgeoisgeistes, nach dem die Erforschung der Vaterschaft verboten war. Natürlich war es nicht eine sittliche Läuterung der Bourgeoisie und ihrer Gesetzgeber, die diese Reform bewirkt hat, sondern die Not der bürgerlichen Republik an Soldaten. Die Gestattung der Erforschung der Vaterschaft gehört zu den Mitteln, den fünstlichen Hemmungen der Volksvermehrung entgegenzuwirken. Indes hat man, wie ich schon auseinandergesetzt habe, die gerichtliche Feststellung der Vaterschaft nur für ganz bestimmte Fälle zugelassen. So wenn ein Zusammenleben der Eltern stattgefunden hat, wenn briefliche Beweise für den Geschlechtsverkehr vorliegen oder nachweisliche Verführung feststeht. Diese Einschränkung soll„ Erpressungen" verhindern und dadurch der Befestigung der Familie" dienen, das heißt dem Interesse der besitzenden Familien. O. P.
Verschiedenes.
Eine Weihnachtsausstellung für Arme. Ende November fand im Schlosse des nicht von Gottesgnaden thronenden Fürsten von Fürstenberg eine Hochzeitsfeier statt. Die Tochter Lotti heiratete einen Österreicher vom historisch berüchtigten Namen Windischgrät. Der deutsche Kaiser kam im Ertrazug nach Donaueschingen , der Papst sandte den göttlichen Segen. Der Bräutigam bringt Hunderte von Millionen, die Braut ebensoviel Mammon mit. Schon die Summen, die in den paar Festtagen verpraßt worden sind, würden zum Jahresunterhalt vieler Hunderte Arbeiterfamilien genügen. Das von der bürgerlichen Presse in eine untertänigst ersterbende Hofbegeisterung versetzte Wolf vergaß ganz, daß vor etwa einem Jahrzehni der böhmische Erbe des badisch - schwäbischen Fürstenberggutes zumeist durch Bauernlegen erworbenes Grundeigentum- von dem auf 430 Millionen Mark geschäßten Erbschaftsgut keine badische Erbschaftssteuer zahlen wollte. Ein verlorener Prozeß zwang die neuen Fürstenberger , dem badischen Staate die geseßliche Steuer in zehn Jahresraten auszuzahlen.
Jezi ließ man das durch die Brot-, Kaffee-, Streichholz-, Fleischbesteuerung zum Hungern verurteilte Volk scharenweise in das Schloß zu Donaueschingen pilgern, um dort die Aussteuer der Braut anzugaffen. Die katholische Pfaffenpresse der Gegend lockte insbesondere die Frauen durch eine Reklame, die alle Kostbarkeiten der Brauttoilette und der Ausstattung schilderte. Die Blätter schwelgten förmlich in der Beschreibung des Brautkleides aus„ mattschimmerndent, elfenbeinfarbenen Charmeuseatlas und kostbarsten Brüsseler Spizen, der vielen Gesellschafts- und Straßenkleider, Kunstwerken von Schneiderhand, Haus- und Sportskostümen und wertvollen Pelzen sowie Handund Fußbekleidung in ganz beträchtlichen Mengen". Bei der Wäscheausstattung bilden„ Linon- und Glasbattist den Grundstoff, Madeirastickerei, Valenciennes und irische Spizen, vereinigen sich zu einem Aufpug von unvergleichlicher Zartheit".
Mögen die Frauen und Mädchen der unerhörten Pracht dieser Ausstellung gedenken, wenn sie vor ihrem Weihnachtstisch stehen. Ein Vergleich der wenigen Stleinigkeiten, die sich die Angehörigen einer Arbeiterfamilie schenken können, mit dem unschäzbaren übersluß und Lurus dort, wird das denkende Volk an die„ Gerechtigkeit" der chriftlich- kapitalistischen Weltordnung mahnen.
mg.
Literarisches.
Nr. 7
Der Verlag der Leipziger Buchdruderei hat ein sehr gutes, fesselndes Buch herausgebracht: Johann Gottfried Seume , Ausgewählte Werke", herausgegeben und eingeleitet von Wilhelm Hausenstein . Preis 3,50 Mt. Die vorliegende Auswahl aus Seumes Schriften ist eine glückliche. Hier hat feines Verständnis für die reiche und starke Persönlichkeit des berühmten„ Spaziergängers nach Syrakus " die Hand geführt und eine tüchtige Kenntnis der Zeitumstände, unter denen sie geworden ist. Dabei hatte der Herausgeber stets das vor Augen, was von damals weiterentwickelt in unsere Tage herüberreicht. Das Buch ist so nicht bloß geschichtlich wertvoll, sondern voll lebendigen Interesses. Ganz kommt dieser sein Vorzug für die meisten nur zur Geltung, wenn sie Hausensteins treffliche, tatsachenkundige Einleitung lesen, ehe sie Seume selbst hören. Sie vermittelt ihnen die rechte Wertung für das tiefste Wesen dieses Mannes als eines politischen Charakters. In seinen kühnen Gedankenflügen wie in seiner Gebundenheit zeigt sie Seume als einen echten Sohn des deutschen Bürgertums im Zeitalter der rationalistischen Aufklärung, als es aus der feudalen Gesellschaft über die Schwelle zur kapitalistischen Ordnung trat. An Seume erfüllte sich der ganze Jammer seiner zeitgenössischen Klasse darin, daß er, dieser geborene Politiker, in dem alle Pulse tatverlangend flopfen, wohl zum politischen Denker und Charakter, aber nicht zum Manne der politischen Tat reifen konnte. Sein reiches, wirkungbegehrendes Leben verzehrte sich ohne festen, zielseßenden Mittelpunkt in Ruhelosigkeit auf einsamen Wegen, statt in seinen großen Kräften bewußt zusammengefaßt zu werden, um die Zustände zu gestalten. Aber wieviel innerer Reichtum in dieser Ruhelosigkeit und welche Charakterstärke auf den einsamen Wegen! Seume ist„ Patriot", sein Patriotismus ist jedoch der des zornigen, leidenschaftlichen Anklägers der knechtenden Mächte, die das Vaterland plündern und schänden. In diesem Sinne ist er ein Vorläufer der„ vaterlandslosen" Sozialdemokratie, die zur Anklage noch den Kampf fügt. Jedenfalls hat die bürgerliche Welt kein Recht, zur hundertjährigen Feier von 1813 auch Seume vor den schmutztriefenden Karren des byzantinischen Prozentpatriotismus zu spannen. Die Schriften dieses aufrechten Mannes richten solches Beginnen. Wir empfehlen das in Leipzig erschienene Buch eindringlich unseren Leserinnen wie besonders auch den Arbeiterbibliotheken.
Zum Volksbuch, das zumal in keinem Arbeiterheim fehlt, müßte der Noman werden:„ Die Kommune" von Paul und Viktor Margueritte. Ins Deutsche übertragen von U. Fricke, mit Einleitung von Hermann Wendel , Buchhandlung Volksstimme, Frankfurt a. M. Hier ist ein unvergleichliches, fortwirkendes Stück Geschichte mit sicherer Hand künstlerisch gestaltet. Als Forscher haben die Brüder Margueritte historische Dokumente und Tatsachen zusammengetragen, als Dichter umkleideten sie das trockene Material mit blühendem persönlichen Leben. Sie erscheinen dabei als besondere Meister in der Kunst, die Massenpsychologie der Pariser proletarischen und fleinbürgerlichen Vorstadtbevölkerung zu erfassen und plastisch darzustellen, jener Bevölkerung, die revolutionär aus Tradition und heroisch aus Temperament ist. Die Verfasser haben crustlich mit der Aufgabe gerungen, das gewaltige Leben der Pariser Kommune in seinen Ursachen und seinen Wesenszügen vorurteilsfrei zu schildern. Ihr Streben hat jedoch an ihrer bürgerlichen Auffassung seine Schranken gefunden. So haben sie weder unter der Oberfläche des großen geschichtlichen Geschehens dessen treibende Kräfte richtig erkannt, noch sind sie immer den Menschen gerecht geworden, zumal den führenden Persönlichkeiten. Wendels kurze, aber sicher beleuchtende Einleitung sagt dazu in glänzender Form, was vom sozialistischen Standpunkt aus gc= sagt werden muß, und bildet so eine wertvolle Ergänzung und Korrektur des Romans. Die Lektüre des Buches ist geeignet, das Interesse an dem heldenhaften Aufstand der Pariser zu beleben, der für Frankreich die Republik gerettet hat. Und diese Wirkung würden wir begrüßen, denn bisher haben die Völker aus der Geschichte der Revolutionen gelernt, sogar wenn diese von ihren bittersten Feinden und nicht von wohlmeinenden Demofraten geschrieben war. Wir verweisen daher in diesem Zusammenhang noch besonders auf Liffagarays Geschichte der Kommune, die im Verlag von J. H. W. Diez Nachf. in Stuti- gart erschienen ist.
Verantwortlich für die Redaktion: Frau Klara Bettin( Bundel), Wilhelmshöhe, Post Degerloch bet Stuttgart . Druck und Berlag von J. H. W. Diez Nachf. G.m.b.. tn Stuttgart .