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Die Gleichheit
Nr. 9
brauchen lassen, so ist an der Tatsache selbst doch nichts ge- Liebertwoltwig, Zwenkau und Mölkau . Alle Versammlungen ändert.
Diese Tatsache bedeutet den Anfang eines Bersetzungsprozesses unter den Bekennern der katholischen Kirche . Langsam zwar, aber mit unfehlbarer Sicherheit werden dadurch die Arbeiter aus den Banden der Geistesknechtschaft befreit, sinkt das älteste und festeste Bollwerk der Reaktion in den Staub. Die Erhaltung der christlichen Gewerkschaften ist für die herrschende Gesellschaft nur ein zeitweiliger und obendrein nur ein sehr bedingter Gewinn. Er steht in gar keinem Verhältnis zu den ungeheuren Vorteilen, die der proletarischen Bewegung aus der Zersezung im Katholizismus, aus der Schwächung der päpstlichen Autorität erwachsen. Wir können mit dem Papste und den Machern der christlichen Gewerkschaften sehr zufrieden sein.
Aus der Bewegung.
W. D.
Von der Beteiligung der Genossinnen am vierten Parteitag der preußischen Sozialdemokratie zu Berlin ist recht Gutes zu berichten. 13 weibliche Delegierte waren von ihren Wahlkreisorganisationen zu der Tagung entfendet worden, auf deren große Wichtigkeit wir in legier Nummer hingewiesen haben. Die Parteigenossen von Groß- Berlin hatten vier Genossinnen mit einemt Mandat betraut, aus Breslau waren ihrer zwei delegiert worden, aus Dortmund , Halle a. S., Hannover , Kiel - Gaarden, Magdeburg , Stettin und Wandsbeck je eine. Genossin Zieg nahm als Mitglied des Parteivorstandes an den Verhand lungen des Kongresses teil; als Schriftführerin des Bureaus wurde Genossin Wurm gewählt. Von der Erledigung der Tätigkeitsberichte der Landeskommission und der Landtagsfraktion abgesehen Berichterstatter waren die Genossen Ernst und Ströbelbehandelte der Parteitag zwei Fragen von großer Tragweite:„ Die Landarbeiterfrage in Preußen", über die Genosse Georg Schmidt referierte, und, Die bevorstehenden Landtagswahlen und der Wahlrechtskampf", wozu Genosse Hirsch das einleitende Referat gab. Genossin Zieß griff mit sachfundigen, eindringlichen Ausführungen in die Diskussion über die Landarbeiterfrage ein. Unter lebhaftem Beifall lenkte sie die Aufmerksamkeit auf den Mangel des Arbeiterinnen- und Kinderschußes in der Landwirtschaft. Durch interessantes Zahlenmaterial erhärtete sie die Tatsache, daß der fehlende Arbeiterinnenschuß, die ungenügende Mutterschafts- und Säuglingsfürsorge zu einem unheimlich hohen Stande der Kindersterblichkeit auf dem Lande beitragen. Die Sünden der Kinderausbeutung in der Landwirtschaft beleuchtete sie an ihren Früchten: der förperlichen, geistigen und sittlichen Schädigung der Jugend. Genossin Wurm sprach zu den Verhandlungen über die Landtagswahlen und den Wahlrechtskampf. In einer trefflichen Rede hob sie unter allgemeiner freudiger Zustimmung des Parteitags hervor, daß der bevorstehende Wahlkampf und Wahlrechtskampf der preußischen Genossen auch im Hinblick auf die Eroberung des Frauenwahlrechts geführt werde. Grundsäglich scharf und fest zeichnete sie den Gegensatz, der in dieser Beziehung die Genossinnen von den bürgerlichen Frauenrechtlerinnen, die Sozialdemokratie von den Fortschrittlern scheidet. Er kommt darin zum Ausdruck, daß von diesen angeblich demokratischen Sturmgesellen als Bedingung für die Gegenseitigkeit der Unterstützung nicht das Eintreten für die Übertragung des Reichstagswahlrechts für beide Gefchlechter auf Preußen ge= fordert werden kann. Das würde den Herren vom Freisinn die Ausrede zum Kneifen liefern. Um so nachdrücklicher wird die Sozialdemokratie selbst für das Frauenwahlrecht kämpfen. Das muß landauf landab in allen Veranstaltungen der Kampagne, das muß besonders in politischen Frauenversammlungen zum Ausdruck kommen. Genossin Wurm wies in diesem Zusammenhang außer= ordentlich wirksam auf die Notwendigkeit hin, dafür zu sorgen, daß der bevorstehende Frauentag sich zu einer erfolgreichen Demonstration im Wahl- und Wahlrechtskampf gestalte. Ihre Mahnung wird im Lande das gleiche kräftige Echo finden, das es auf dem Parteitag erweckt hat.
Von der Agitation. Der 13. sächsische Reichstagswahlkreis veranstaltete noch im letzten Jahre eine Agitationstour, die besonders der Aufklärung der Proletarierinnen dienen sollte. Die Unterzeichnete sprach über das Thema:„ Der Hausfrauen und Mütter Kampf gegen den Hunger." Versammlungen fanden in folgenden Orten statt: Schönau, Wiederizsch, Detsch, Rötha , Sommerfeld, Thekla, Thonberg, Naunhof , Lindenthal, Knautkleeberg, Beucha ,
waren gut besucht und die zahlreiche Beteiligung der Frauen war besonders erfreulich. Kein Wunder: der ungeheuerliche Lebensmittelwucher der organisierten Kapitalisten, verschärft durch das infame System der Zölle, indirekten Steuern, Einfuhrscheine und Grenzsperren hat viele Frauen politisch geweckt, die bis dahin mit ihren Gedanken nicht über ihre vier Pfähle hinausgingen. Zum ersten Male waren manche der anwesenden Proletarierinnen in eine Versammlung gekommen. Die dreiste Ermahnung des preußischen Landwirtschaftsministers, die Frauen der Arbeiterklasse sollten nicht immer Fleisch kochen wollen, entfesselte einen Sturm der Entrüstung. Es war eine Lust zu agitieren, denn es herrschte eine frohe begeisternde Kampfstimmung, die zeigte, daß das geprellte Wolf Abrechnung halten will. Die Frauen verstehen ihre Pflicht, dabei zu sein. Sie sind bereit, vereint mit den Männern auf politischem und wirtschaftlichem Gebiet zu kämpfen. Als Mütter sind sie sich der hohen, für den Sozialismus unendlich wichtigen Aufgabe bewußt, die kommende Generation im sozialistischen Sinne zu erziehen, Rekruten des Klassenkampfes zu stellen. Die Versammlungen brachten der Partei 185 weibliche Mitglieder, die die„ Gleichheit" gratis erhalten, die damit in dem Wahlkreis offiziell eingeführt worden ist. Besondere Anerkennung verdienen unsere tätigen Leipziger Genossinnen. Sie haben in den Versammlungen fleißig agitiert und wirksam in der Diskussion ge= sprochen. Eine wichtige Aufgabe der Organisation ist es nun, das geweckte Interesse der Frauen am politischen Kampfe lebendig zu erhalten und die neu gewonnenen weiblichen Mitglieder zu be= wußten Kämpferinnen für unsere Sache zu erziehen.
Martha Demming.
In Wirges im Westerwald fand eine Fabrikarbeiterversammlung statt, in der Genossin Eifinger- Mainz referierte. In schlichten, zum Herzen gehenden Worten sprach fic über die Teuerung und den Zweck der Gewerkschaftsorganisation. Sie hob dabei besonders hervor, wie schwer die Frauen unter den hohen Preisen des Lebensbedarfs zu leiden haben, und daß sic daher auch an der Frage interessiert sind, wie die Arbeiterschaft zu höheren Löhnen kommt. Vortrefflich war ihr Nachweis, daß die Unternehmer Lohnerhöhungen den Ausgebeuteten nicht auf dem Präsentierteller entgegenbringen, daß alle Verbesserungen der Arbeitsbedingungen durch eine straffe Organisation erkämpft werden müssen. An der Diskussion nach dem Vortrag beteiligten sich die Genossen Berger, Drogmann und Genossin Hubert. Ihre Ausführungen galten dem Werte der Organisation. Hoffentlich geht der ausgestreute Samen auf. Jn Wirges und Umgegend muß noch ein großes Stück Arbeit geleistet werden, damit der Gedanke der Organisation sich bei alt und jung durchsetzt. Insbesondere möchten wir die Eltern an ihre Pflicht erinnern, ihre dem Kapital fronenden Söhne und Töchter der Organisation zuzuführen. Auch die Frauen müßten noch mehr Interesse für die gewerkschaftliche wie für die politische Bewegung der Arbeiterklasse betätigen. Es gibt noch so viele unter ihnen, die scheel auf jeden Nickel sehen, der dafür gefordert wird, für andere Zwecke jedoch lassen sie die Groschen gern fliegen. Das muß anders werden. Unablässige Aufflärungsarbeit muß dafür sorgen, daß auch bei uns der Wert des Zusammenschlusses und des gemeinsamen Kampfes von den Proletarierinnen erkannt wird, die uns heute leider noch fernstehen. Sie müssen lernen, nicht nur an ihre eigene Zukunft zu denken, sondern auch an die ihrer Kinder. Sollen nicht diese einst ein besserers Dasein haben als ihre Eltern? Es bleibt dabei, daß die gewerkschaftliche und politische Organisation die große Sparkasse ist, die der Arbeiterklasse alle Opfer reichlich verzinst. Denn ohne Organisation keine Erleichterung unserer Lasten in der Gegenwart, keine Freiheit in der Zukunft. Rosa Hubert.
Jahresbericht der Genosfinnen in Weinböhla . Wenn ich an dieser Stelle über die Frauenbewegung in unserem kleinen Provinzort berichte, der in der Nähe Dresdens gelegen ist, so geschieht es in der Freude darüber, daß endlich auch die hiesigen werktätigen Frauen zum Bewußtsein gekommen sind, daß sie sich organisieren müssen, wenn sie ernstlich ihre volle Gleichberechtigung wollen. Noch 1911 zählte der sozialdemokratische Ortsverein 204 Mitglieder, darunter ganze 5 weibliche. Durch eine öffentliche Frauenversammlung, in der Genossion Kaschewski- Berlin sprach, gewannen wir allein 36 Frauen. Jetzt befinden sich unter 320 Mitgliedern des Drtsvereins 56 weibliche. Im November war es ein Jahr, daß wir Frauenleseund Distutierabende eingerichtet haben. Es ist alles getan worden, die neugewonnenen Genossinnen an unsere Partei zu fesseln und sie zu schulen. Es fanden 12 Zusammenkünfte der Genossinnen statt, die durchschnittlich 18 Besucherinnen aufwiesen. Vorträge wurden gehalten über: das Parteiprogramm; die politische Lage; Kinderschutz und Schulreform; das Genossenschaftswesen; die Bedeutung