Nr. 9
Die Gleichheit
günstig entwickeln, wenn die Leistung der Belegschaft auf der Höhe bleibt und wenn die Belegschaft selbst keine Störungen hervorruft". Ein Versprechen, mit drei Wenn verklausuliert! Wer denkt da nicht an das goldene Büchschen mit dem silbernen Nichtschen? Wie indes verlautet, sollen auf den fiskalischen Gruben wirklich einige fleine Lohnerhöhungen eintreten. Der Grund dafür ist durchsichtig. Staatssekretär Delbrück hat die christlichen Gewerkschaften erst fürzlich für notwendig erklärt. So war er wohl gezwungen, selbst dafür einzutreten, daß seinen Schoßkindern einige Pfennige zufließen sollten. Ihre Stellung den freien Gewerkschaften gegenüber durfte nicht zu sehr geschwächt werden. Die Sache war ein billiges Trinkgeld wert. Bei Lohnbewegungen, die der freie Bergarbeiterverband führt, gibt es keine Vermittlung, zu ihrer Unterdrückung hat man Militär, Maschinengewehre und Gefängnisse, in die selbst die Frauen der Streifenden mit ihren Säuglingen eingesperrt werden. Das Spiel ist aus. Ob aber die christlichen Bergarbeiter davon befriedigt nach Hause gegangen sind und ob ihnen nicht bald die Augen dafür aufgehen, daß mit ihren Interessen Schindluder getrieben wird, das alles steht auf einem anderen Blatte. Schon treten viele Christliche zum alten Bergarbeiterverband über.
Wie schwer der Beruf der Grubenproletarier ist und wie groß die Notlage unter ihnen, wird in ciner Petition gezeigt, die die niederschlesischen Bergarbeiter an das preußische Abgeordnetenhaus gerichtet haben. Sie verlangen in ihrer Eingabe eine Ermäßigung der Eisenbahutarife für schlesische Kohle, weil diese immer mehr vom Markte verdrängt wird, und zwar wegen des teuren Eisenbahntransportes es fehlt zur billigeren Beförderung eine Wasserstraße nach dem Innern des Reiches. Die Löhne beim Kohlenbergbau sind in Niederschlesien die niedrigsten, sie betragen pro Schicht 3,69 Mf., im Ruhrgebiet dagegen 6,12 Mt. Kein Wunder, daß die Arbeiter in ungeheuren Scharen abwandern. Die niedrigen Löhne zwingen naturgemäß zu einer ganz erbärmlichen Ernährung, die sich angesichts der schweren Arbeit besonders stark rächt. Die Krankheitsziffer der schlesischen Bergarbeiter ist daher eine erschreckend hohe. 67,11 Porzent der Gesamtbelegschaft waren in einem Jahre krank gemeldet, und 26 Prozent der Krankmeldungen der Verbandsmitglieder trugen den Vermerk: lungenfranf. Jn Einzimmerwohnungen wohnten 60 Prozent der Bergarbeiterfamilien, 30,4 Prozent der Säuglinge starben im ersten Lebensjahr, und in Waldenburg waren über 86 Prozent der Schulkinder frank. Dieses Bild des Elend3 brandmarkt jene als Verbrecher, die die Not der Bergarbeiter nur durch blaue Bohnen lindern wollen. Die Bergarbeiter sind bei Lohnbewegungen mit ihren Wünschen oft an das Parlament verwiesen worden. Wir wollen sehen, was die Vertreter der Besitzenden im Dreiflassenhaus und ihre Regierung zu dieser Petition zu sagen wissen, in der die Bergarbeiter nicht einmal unmittelbar für sich selbst Forderungen erheben.
Die Mannschaften der Fischdampfer auf der Unterweser stehen im Ausstand. Die Unternehmer entließen unter Tarifbruch von allen im Hafen einlaufenden Schiffen die Maschinisten und Heizer, nachdem sie von ihnen den Austritt aus dem Verband verlangt hatten. Sie wollten offensichtlich damit die Mannschaften einschüchtern und sich des Tarifs entledigen, der am 12. November nach kurzem Streit vereinbart worden war. Die Maschinisten, die zu 90 Prozent organisiert sind, verhängten nun die Sperre. Der größte Teil der Fischdampfer liegt veranfert in den Häfen Geestemünde , Lehe und Bremerhaven . Eines der wichtigsten Volfsnahrungsmittel, die Seefische, beginnt auf dem Markte infolge des Tarifóruches der Unternehmer zu fehlen. Diese lassen aber in der Presse die Nachricht verbreiten, wegen Sturm in der Nordsee könnten die Schiffe nicht auf Fang gehen. Wie geduldig ist doch das Papier!
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Ein 50jähriges Jubiläum fonnte am 1. Januar das Verbandsorgan der Buchdrucker feiern. Als Eigentum des Leipziger Buchdruckervereins erschien am 1. Januar 1863 nach verschiedenen Vorläufern der„ Korrespondent für Deutsch lands Buchdrucker". Später wurde er das offizielle Verbandsorgan nach der 1866 erfolgten Gründung des Buchdruckerverbandes als einer Zentralorganisation. Gelegentlich der Auflösung des Schmiede verbandes und des übertritts der Schmiede zum Metallarbeiterverband wurde die Nachricht verbreitet, daß eine größere Anzahl Schmiede nicht zu der größeren Organisation übergetreten sei. Wie eine Umfrage festgestellt hat, sind von 16 092 Mitgliedern des Schmiedeverbandes 14 875 zum Metallarbeiterverband übergetreten, 154 Mitglieder schlossen sich anderen freien Verbänden an, nur 29 gegnerischen Organisationen, über 1034 Mitglieder fehlt der Ausweis.
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Aus der Textilarbeiterbewegung. Seit dem 3. Oktober vorigen Jahres stehen in Olsnig i. V. die Schuß- und Teppichweber im Streit. Die Firma Koch& te Kock sowie Hermann Paz haben sich nach kurzem Kampf mit ihren Arbeitern verständigt, und die strittigen Punkte wurden befriedigend geregelt. Anders die Firma Schent, Schmidt& Beuttler. Diese hat bis jetzt jede Anknüpfung von Verhandlungen abgelehnt. Wie lange die Firma ihren Standpunkt noch behaupten will oder kann, muß sich bald entscheiden. Ein Rundschreiben an ihre Kundschaft zeigt recht augenfällig, in welcher Verlegenheit sie ist. Es heißt darin:„ Unserer geehrten Kundschaft teilen wir hierdurch mit, daß der bereits seit Anfang Oktober begonnene Streik in unserer Fabrik bis heute noch nicht beendet ist und sind wir daher nicht in der Lage, so prompt wie andere Jahre mit der neuen Kollektion auf dem Markte zu erscheinen... Wir bitten Sie höflichst, auf die durch den Streit entstandene Lage Rücksicht zu nehmen und Ihre schäzbaren Aufträge bis zum Erscheinen unserer neuen Kollektion, welche besonders schöne Neuheiten enthält, zu reservieren." Weiterhin gestattet sich" die Firma,„ über die Ursache und den Verlauf des Streits eine kurze Schilderung zu geben". Trotz der Kürze gelingt es ihr, in dieser Schilderung einige Unrichtigkeiten unterzubringen. Unwahr ist es, wenn behauptet wird, „ daß der Arbeiterverband diese Sache mehr zur Macht- als zur Lohnfrage zu machen beabsichtigte." Dem widerspricht schon das Kompromiß, das mit der Firma Koch& te Kock geschlossen wurde. Als Machtfrage werden die Forderungen der Arbeiter vielmehr von der Firma behandelt, die weder vor dem Streik noch bis jetzt während seines Verlaufs zu Verhandlungen bereit war. Unwahr ist es, daß die„ Weber der Firma Koch& te Kock die Arbeit bedingungslos wieder aufgenommen haben". Diese Firma hat die Löhne um 6 bis 7 Prozent erhöht und einen Arbeiterausschuß anerkannt. Schon vor dem Streik waren die Löhne bei Koch& te Kock höher als bei Schenk, Schmidt& Beuttler, und jetzt ist der Abstand natürlich noch größer geworden. 18 Jahre lang hat die Firma in Olsnitz die niedrigsten Löhne gezahlt und Tausende von Mark an Extraprofit in ihre Tasche gesteckt, die andere Unternehmer mehr an Lohn ihren Webern zahlen mußten. Doch jezt hilft ihr kein Mundspizen mehr, jetzt muß sie pfeifen. Auf irgendeine Unterstützung durch andere Firmen kann sie nicht rechnen, im Gegenteil, die Konkurrenz wird die Lage ausnüßen. Daher der Notschrei an die Kundschaft, in dem die Konkurrenzfirma angeschwärzt wird, die Solidarität der Ausbeutenden gebrochen zu haben. Der Kampf dauert jetzt 15 Wochen, und die Firma hatte hinlänglich Zeit, zu einer richtigen Beurteilung der Streiflage zu kommen. Trotz frampfhafter Anstrengungen ist es ihr nicht gelungen, Streitbrecher zu werben. Die Streifenden habe Zeit, die Entscheidung durchzukämpfen. Daß die Organisation dent Kampfe nicht auszuweichen braucht, das hätte der Firma die Aussperrung der Färber in Sachsen - Thüringen zeigen sollen. Im eigensten Interesse der Firma liegt es, Frieden zu schließen, wenn sie bei der Stundschaft nicht verdrängt werden will. Sie kennt die Bedingungen.
sk.
Arbeitslosenzählung im Deutschen Textilarbeiterverband. Die Dezemberzählung ergab 1843 Arbeitslose, darunter 553 Arbeiterinnen. Im Vormonat waren 728, im Dezember des Vorjahres 1543 Beschäftigungslose verzeichnet worden. Am gleichen Tage wurden als auf der Reise befindlich gemeldet 110 arbeitslose Mitglieder, darunter 4 weibliche; im Vormonat waren es 91, im Dezember des Vorjahres 139. Jm vierten Quartal 1912 waren 4382 Verbandsmitglieder insgesamt 49860 Tage arbeitslos, im gleichen Quartal des Vorjahres 4055 Mitglieder 49094 Tage. An Arbeits losenunterstützung wurde in diesem Zeitraum an 2390 Männer für 26269 Tage 27850 Mt. und an 617 Frauen für 7632 Tage 7115 Mk. ausgezahlt. In der gleichen Zeit des Vorjahres erhielten 2208 Männer für 24504 Tage 25 543 Mt. und 892 Frauen für 11889 Tage 9293 Mr. Arbeitslosenunterstützung. Für Arbeitslose auf der Reise betrug die Unterstützung im vierten Quartal 3865 Mt., im gleichen Quartal des Vorjahres 2997 Mt. Die Zahl der Verbandsmitglieder betrug im Dezember 87646 männliche und 54727 weibliche, zusammen 142373; im Vormonat waren es 87301 männliche, 54501 weibliche, zusammen 141802 Mitglieder.
sk.
Aus der Holzarbeiterbewegung. Der Deutsche Holzarbeiterverband hat im dritten Viertel des Jahres 1912 die Zahl seiner Mitglieder um 4873 auf 195659 erhöht. Hierunter waren 187600 männliche, 6977 weibliche und 1082 jugendliche Mitglieder. Das Verbandsvermögen stieg auf 6558453 Mt. Die größten Anforderungen stellten in diesem Quartal die Streik, die Kranken- und die Arbeitslosenunterstützung.
Die Frage des Anschlusses an unseren Verband, der bei einigen nahestehenden Berufsorganisationen in Aussicht genommen ist, iẞ für den Bildhauerverband vorläufig erledigt. Bei einer reb