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Die Gleichheit

stimmung haben sich 1653 gleich 52 Prozent der Mitglieder für und 1518 gegen den Anschluß erklärt. Damit ist die vorgesehene Zwei­drittelmehrheit nicht erreicht und die Vereinigung zur Zeit nochmals abgelehnt. Dagegen haben Verhandlungen mit dem Vorstand des Schiffszimmererverbandes, die auf dessen Ansuchen eingeleitet und in Gemeinschaft mit dem Metallarbeiterverband geführt wurden, folgendes Ergebnis gezeitigt: Der Vorstand wird den geschlossenen Anschluß an den Holzarbeiterverband empfehlen und er erklärt sich einverstanden, daß nach einem etwaigen übertritt des Verbandes eine Regelung der Zugehörigkeit der Schiffszimmerer je nach ihrer Beschäftigung im Holz- oder Eisenschiffbau mit dem Metallarbeiter­verband erfolgt.

In den Verhandlungen, die durch die große Tarifbewegung veranlaßt werden, war eine Pause eingetreten, doch sind sie in­zwischen wieder aufgenommen worden. Dagegen ist es in der um fangreichen Memeler Holzindustrie mit Jahresbeginn zu einer Arbeitseinstellung gekommen. An dieser sind insgesamt 1200 Holz­arbeiter beteiligt, darunier etwa ein Viertel Frauen. Die Ursache des Streits ist, daß die Besißer der Schneidemühlen und Schäl­werke bei der Tariferneuerung, die am 1. Januar fällig war, nur ganz ungenügende Zugeständnisse anboten.

ik.

Die unheilvollen Einwirkungen des Krieges auf die Ge­werkschaften in den Balkanstaaten schildert eine Zuschrift, die der Sekretär einer bulgarischen Gewerkschaft, Genosse Dimitroff , an den internationalen Sekretär der gewerkschaft­lichen Landeszentralen gerichtet hat. Dieser Notschrei lautet:

Zu meinem großen Bedauern kann ich wegen der strengen Zensur, die sich auch auf die Privatkorrespondenz ausdehnt, meinen Genossen im Ausland nicht mit jenen Details dienen, die nötig wären, um ein völlig flares Bild über unsere Lage zu geben. Des­halb kann ich auch noch nicht über die Folgen schreiben, die der Krieg den kämpfenden Proletariern auf dem Balkan möglicher­weise bringt.

Am 30. September wurde die Mobilisierung angeordnet, und am 18. Oktober begann der Krieg gegen die Türkei . Wer gedient hatte und noch keine 46 Jahre alt war, mußte sofort ausrücken. Auch jene Rekruten wurden einberufen, die sich sonst erst im nächsten Jahre hätten stellen müssen. Vom männlichen Geschlecht wurden zur Militärdienstleistung nur jene nicht einberufen, die unter 18 Jahren oder zu alt zum Arbeiten waren. Die Angestellten und Arbeiter der Post, Telegraphen-, Telephonanstalten, der Eisen­bahnen und einiger Bergwerke wurden der Militärgewalt unter­stellt, damit sie zur Arbeit gezwungen werden konnten.

Seit Beginn der Mobilisierung schon ruht jede Produktion. Nur für die Bedürfnisse der Armee wird noch gearbeitet! Sämtliche Schneider, Schuhmacher, Tischler und Schmiede, die nicht ein­gezogen sind, sowie auch Arbeiterinnen(!) sind verpflichtet, in den Werkstätten der Armeelieferungsfommissionen ohne Bezah lung, nur für die Kost, zu arbeiten.... In verschiedenen Städten wurden die Lokalitäten der Arbeiterorganisationen ganz einfach in Werkstätten für Militärbehörden, in Magazine und Lazarette umgewandelt.

Zugleich mit dem Mobilisierungsbefehl wurde im ganzen Lande der Belagerungszustand und die strengste Zensur über Presse und Privatkorrespondenz(!) angeordnet. Alle Versammlungen wurden verboten, unsere Partei- und Gewerkschaftsblätter von der Be­hörde suspendiert, damit ja nicht die von den Bürgerlichen ge= machte patriotische" Stimmung getrübt werde. Unter solchen Um­ständen ist die bisherige Tätigkeit unserer Gewerkschaften völlig unterbunden. Sie können ihren Aufgaben um so weniger gerecht werden, als von den 10 000 Mitgliedern der freien Gewerkschaften höchstens 500 mit Ausnahme der Post- usw. Angestellten zu Hause geblieben sind, und die sind arbeits- und verdienstlos.... Den Gewerkschaften fällt jetzt die Aufgabe zu, die Organisierten zu unterstützen sowie jene, deren Männer und Söhne auf das Schlachtfeld gesandt wurden. Unbeschreiblich sind die Verzweiflung, das Elend, in dem unsere Arbeiter und ihre Familien jetzt dahin= leben. Dabei wird ihr Los immer härter, sowohl durch die außer­ordentliche Teuerung aller Lebensmittel, wie auch durch den un­crbittlichen Winter. Nur einige Angaben, um darzutun, in welch unmenschlicher Art man die Arbeiterfamilien plündert, während ihre Ernährer auf dem Schlachtfeld die Geschäfte der Prozent­patrioten besorgen und ihr Blut vergießen müssen: Ein Sack Mehl, der vor der Mobilisierung für 20 Fr.( für 75 Stilo) verkauft wurde, fostet heute 35 und 40 Fr. In gleichem Maße stiegen die Preise aller anderen Bedürfnisse. In einzelnen Gemeindevertretungen ist cs durch die Intervention der sozialistischen Mitglieder gelungen, cinige Geldunterstützungen für die notleidenden Familien zu crwirken. So wurden in Sofia 500000, in Varna 50000, in Plovdiv

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30 000 Fr. bewilligt. Natürlich sind solche Unterstützungen völlig ungenügend, schon weil der größte Teil davon gar nicht zu jenen gelangt, für welche das Geld bewilligt wurde. Die Gewerkschaften sind daher gezwungen, jene Mitglieder und Familien von Mit­gliedern selbst zu unterstützen, denen die Gemeinde eine Unter­stüßung verweigerte. Insgesamt besaßen die Gewerkschaften 30 000 Fr. Das aber war zur Linderung der Not kaum mehr als ein Tropfen. Ohne Beihilfe der Genossen im Ausland sind wir daher außerstande, unsere Aufgabe weiter zu erfüllen.

Die Notwendigkeit, Geldmittel zu diesen Zweden zu beschaffen, wird täglich größer, schon darum, weil man auf dem Schlachtfeld Hunderte von solchen Verwundeten aufliest, die Mitglieder unserer Gewerkschaften sind und für die wir etwas tun müssen. Die ärzt­liche Hilfe, mit der sie bedacht werden, ist absolut ungenügend. Mag der gegenwärtige Krieg enden, wie er will, soviel ist jeden­falls sicher, daß unsere Arbeiterbewegung eine außerordentliche Erschütterung erleben und große Opfer bringen muß. In diesen schweren Zeiten und in den über uns kommenden noch schwereren Tagen haben wir nur den einen Trost und die Hoffnung, daß wir auf die mächtige Unterstützung des internationalen Proletarials rechnen dürfen. G. Dimitroff, Sofia.

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Genosse Legien hat als internationaler Sekretär die werkschaftlichen Zentralen aller Länder zur Unterstützung der Ge­werkschaften in Serbien und Bulgarien aufgerufen. Die inter­nationale Solidarität muß den weiteren Bestand dieser bedrohten Organisationen sichern, muß es ihnen ermöglichen, ihre Gework­schaftshäuser und ihre Presse zu erhalten und den Familien der Mitglieder zu Hilfe zu kommen. Was sich in Serbien und Bul­ garien jetzt abspielt, ist eine schwache Vorprobe der Leiden, die bei cinem Weltkrieg das sichere Los der werktätigen Massen sein werden. Die Todfeindschaft gegen Militarismus und Imperialis­mus kann daher gar nicht fest und tief genug in der Seele der Ausgebeuteten verankert werden. Wie ein mächtiger Wall aus Granit muß sich der Wille der Massen allen Kriegstreibereien ent­gegenstemmen.

Notizenteil. Dienstbotenfrage.

Verletzung des Briefgeheimnisses durch die Dienstherrschaft, das scheint auch zu dem Unrecht zu gehören, das sich Dienst­mädchen bieten lassen sollen. Im Bureau der Ortsgruppe Ham­ burg des Verbandes der Hausangestellten wurde gemeldet, daß ein Fräulein F. Sch. bei einer Frau F. eine Behandlung erleiden müsse, die jeder Beschreibung spotte. Um die Organisation mit Fräulein Sch. in Verbindung zu sehen, schrieb die Unterzeichnete an sie folgenden Brief: Wertes Fräulein! Wenn es Ihre Zeit erlaubt, würde es uns freuen, wenn Sie uns diese Woche auf unserem Burcau besuchen würden. Mit freundlichem Gruß, Ver­band der Hausangestellten." Dem Brief wurde eine Broschüre beigelegt. Der Absender des Briefes lautete: Stähler, Kurze Mühren 8. Unser Brief wurde vom Briefträger der Frau F. übergeben, mit der Bemerkung: an Fräulein F. Sch.". Frau F. nahm den Brief mit ins Zimmer. Fräulein Sch., die es gehört hatte, daß der Briefträger ihren Namen nannte, bat sich den ihr gehörigen Brief aus. Jetzt bekommen Sie den Brief gerade nicht," erwiderte die Dame. Später bat Fräulein Sch. noch ein­mal um ihren Brief. Jezt hieß es, der Herr habe alle Briefe fortgelegt. Nach einer Stunde ließ Frau F. das Mädchen kom­men, um es von dem Inhalt des Briefes in Kenntnis zu sehen. Frau F. hatte den Brief geöffnet und aus dem Um­schlag genommen. Fräulein Sch. bekam den Brief nicht in die Hand, vielmehr las ihn Frau F. in Gegenwart der Rememache­frau vor. Ebenso las die Dame einige Säße aus der beigefügten Broschüre vor und machte sich darüber lustig. Dann zerrig sie Brief und Broschüre und warf die Fezen ins Herdfeuer. Den Briefumschlag fand Fräulein Sch. am anderen Morgen im Ofen des Wohnzimmers. Auf diese Weise erfuhr sie nun erst, wer der Absender war. Abends ging sie zu ihren Eltern und flagte ihnen zum erstenmal ihr Leid. Frau F. und ihre 18jährige Tochter miß­handelten sie, einmal war sie sogar mit der Hundepeitsche ge­schlagen worden. Den anderen Tag fragten die Eltern des Mäd­chens auf unserem Bureau an, ob der bewußte Brief von uns ge= schrieben worden sei. Wir teilten ihnen mit, weshalb wir uns brieflich an ihre Tochter gewandt hätten. Diese, die 17 Jahre alt und groß und kräftig war, erhielt monatlich 10 Mt. Was ihr an Lohn abging, wurde ihr durch Prügel ersetzt. Obgleich Fräulein F. Sch. schon seit über einem halben Jahre bei der schlagfreudigen