Nr. 10

Die Gleichheit

dem Kaiserlichen Statistischen Amte die Zahl der Arbeiter, die bei seinen sämtlichen Mitgliedern unter Vertrag( in sämtlichen vier Jahresgruppen!) beschäftigt sind, mit 47 991 angegeben. Er arbeitet jetzt wieder mit der Politik der großen Zahl, die er schon 1907 benutte. Damals prahlte der Schutzverband in der Tagespresse, daß bereits der erste Aussperrungstag in Berlin 20 000 Arbeiter auf dem Pflaster gesehen habe, während die Höchstzahl der Aus­gesperrten in 17 Wochen überhaupt nur 10 800 betrug.

Daß sich die Unternehmerorganisation dieser ihrer eigenen Schwäche auch selbst bewußt ist, läßt sich daraus erkennen, daß sie nicht einmal vor dem Büttel scheut, um Mitglieder in ihre Reihen zu gewinnen. Hat der Arbeitgeberverband doch erst in letzter Zeit durchgedrückt, daß sich die Mitglieder der Groß- Berliner Tischler­zwangsinnungen ihm anschließen müssen. Zwar ist dieser Anschluß an sich gesetzwidrig, aber trotzdem wurde er vom Handelsminister sanktioniert. Erst werden die Tischlermeister vom Gesetz in die Innung und nun von dieser in den Schutzverband gezwungen. Sie dürfen dafür je 3 Mf. pro Arbeiter Mehrbeitrag zahlen. Wenn sie aber nicht zahlen, kommt die Staatsgewalt und pfändet sie. Schlimmster Zwang und doch angeblich kein Terrorismus! Die Arbeitgeber der Holzindustrie können also trotz all ihren Kriegs­geschreis in ihrem eigenen Interesse die etwa angebotene Hand eines Vermittlers nicht zurückstoßen.

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Inzwischen hat sich bereits der frühere preußische Handels­minister Freiherr v. Berlepsch den Parteien als Vermittler an= geboten und ist von diesen akzeptiert worden. Unter seiner Lei­tung sollen nun am 3. Februar in Berlin erneut Verhandlungen beginnen. Freiherr v. Berlepsch leitete schon einmal im Jahre 1908 als Unparteiischer mit Erfolg die Tarifverhandlungen in ber Holzindustrie. Ob der jetzt beschrittene Weg allerdings zu einer Einigung führt, bleibt fraglich. Die Holzarbeiter haben keine Ur­sache, den Frieden um jeden Preis zu suchen. Sie haben schon lange bewiesen, daß sie Kämpfe nicht scheuen und solche auch mit Erfolg zu führen wissen.

Aus der Bewegung.

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Von der Agitation. Jm Bezirk des Niederrheinischen Agitations­komitees hielt die Unterzeichnete Ende 1912 eine Anzahl Versamm­lungen ab. In Rotthausen, Vorbed, Elberfeld , Barmen, Kronenberg, Heiligenhaus , Ardingen, Krefeld und Gerres heim stand das Thema zur Behandlung Arbeiterfrauen im Kampf um Brot und Recht", in Hamborn , Katernberg , Düsseldorf , Mühlheim, Duisburg , Altenessen , Solingen , Küppersteg und Ratingen hingegen Die Befreiung der Frau durch den So­zialismus". In Radevormwald und Burg wünschte man, daß " Die Ursachen der Teuerung und ihre Bekämpfung" erörtert wurden, und in Oberkassel lautete das Thema: Die drohende Kriegs­gefahr. Die Veranstaltungen fonnten, einige Orte ausgenommen, besser besucht sein. Ein guter Geist aber herrschte bei den Teil­nehmern. Aufmerksam folgten sie den Ausführungen, und verschiedent­lich wurde von Genosjinnen wirkungsvoll in die Discussion einge­griffen. Volle Anerkennung muß überhaupt all den Genossinnen ge­zollt werden, die unermüdlich für die Ausbreitung unserer Jdeen unter den schwierigen Verhältnissen tätig sind, wie sie die Herrschaft des Klerikalismus, des Zentrums am Niederrhein mit sich bringt. Zum Schluß sollte sich mir noch Gelegenheit bieten, persönlich die oft geschilderte Stampfesweise der Zentrumsmannen feinen zu lernen. In der Versammlung zu Ratingen trat einer der Herren als erster Diskussionsredner auf und warnte die Frauen, sich der Sozialdemto­tratie anzuschließen, da von ihr die freie Liebe gepredigt werde, die die Frau zur Dirne herabwürdige. Laute Entrüstungsrufe unter­brachen den Redner bei diesem phantasievollen Märlein, wie bei seinen Betrachtungen über die Haltung unserer Partei zu den Steuer­und sonstigen Tagesfragen. Seine von Unwahrheiten und schmutzigen Anwürfen strogende Rede wurde sachlich, aber dabei scharf widerlegt. Außerdem bekam der Zentrümler einen fleinen Auszug aus dem Sündenregister seiner Partei zu hören. Daraufhin verließ der Tapfere mit seiner Schuziruppe den Saal, ohne das Ende der Diskussion oder das Schlußwort abzuwarten. Das Auftreten des christlichen Herrn sollte nichts weiter bezweten, als die glänzend besuchte Ver­sammlung zu stören und womöglich zu sprengen. Da ihm dies saubere Plänchen trog seiner provozierenden Worte nicht gelang, schickte er nach seinem Weggang allerlei störende Elemente in den Saal. Seine Machenschaften vermochten indessen nicht, das große Interesse der Versammelten abzuschwächen, die den sozialdemokrati­schen Darlegungen bis zum Schluß folgten. Hoffen wir, daß sich die Arbeiterschaft der Gegend mehr und mehr zu der Wertung des

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Zentrums durchringt, die die Versammelten in Ratingen befundeten. Noch herrscht diese Partei der Reaktion und des Volksbetrugs mit Hilfe von kirchlichen Einflüssen, denen ganz besonders auch die Ar­beiterfrauen erliegen. Es ist daher sehr erfreulich, daß die Agitations. tour eine stattliche Anzahl Mitglieder, Männer und Frauen, für unsere Partei geworben hat. Sie erweiterte außerdem den Leserkreis der Gleichheit und der örtlichen Parteipresse. Die sozialdemokratischen Organisationen des Bezirks werden sich angelegen sein lassen, die neu gewonnenen Mitglieder der Partei zu überzeugten, opferbereiten Sozialdemokraten zu erziehen. Minna Bollmann .

In Havelsberg und Wittenberge fanden Frauenversammlungen statt, in denen die Unterzeichnete über den Kampf gegen die Teuerung und den Hunger" sprach. Beide Versammlungen waren sehr gut besucht, und zwar bildeten die Frauen den größten Teil der Anwesenden. In den kleinen Orten haben die Frauen meist noch eine große Scheu vor dem Besuch der politischen Versamm­lungen, aber die Teuerung der Lebensmittel hat viele aufgeweckt, so daß sie das alte Vorurteil fallen ließen. Manch eine von ihnen zog auch die Lehre der aufmerksam verfolgten Ausführungen und schloß sich unserer Partei an. So wurden diefer eine schöne Zahl neuer weiblicher Mitglieder gewonnen und desgleichen auch Lese­rinnen für unsere Gleichheit". Die Frauen erkennen, daß die politische und gewerkschaftliche Organisation Waffen sind, deren wir zum Kampfe für Freiheit und Brot bedürfen. Unsere Be­wegung schreitet vorwärts! Martha Demmning.

Aus den Organisationen. Mit recht schwierigen Verhältnissen hatte in Nathenow bisher die Frauenorganisation zu kämpfen. Wenn es auch vorwärts ging, so befriedigten doch die Fortschritte feines­wegs. Viele der in Betracht kommenden Frauen stammen aus länd lichen Orten und haben ihre Jugendjahre im Dienst auf dem Lande berlebt. Das Leben der ländlichen Proletarierin ist aber ein so schweres, daß die jungen Frauen sich schon glücklich fühlen, wenn sie nicht, wie die Schwestern daheim, vom frühen Morgen bis in die sinkende Nacht außer dem Hause hart arbeiten müssen. Die Löhne, die die Männer in der bekannten optischen Industrie Rathe­nows erhalten, sind gewiß nicht hoch, in Vergleich zu dem Verdienst der Landarbeiter erscheinen sie aber den Frauen befriedigend. Diese finden sich mit den größten Einschränkungen ab, zu denen das schmale Einkommen in Verbindung mit den Teuerungspreisen zwingt. Zu solcher Anspruchslosigkeit fommt eine große Scheu, auch wohl ein gewisses Mißtrauen gegen die städtischen Verhältnisse. So hielt es lange außerordentlich schwer, in unserem Ort die Frauen von der Notwendigkeit der politischen Aufklärung und Organisation zu über­zeugen. Nun ist eine Wendung eingetreten. Die unerträgliche Teuerung hat auch die anspruchslosen Proletarierinnen aufgeweckt und ein gutes Stück Aufrüttelungsarbeit hat der Reichsverband zur Bekämpfung der Sozialdemokratie für uns geleistet, der hier in maßloser Weise gegen unsere Bewegung hetzt. Er hat dazu beigetragen, die Frauen für das politische Leben zu interessieren. Ist aber erst das Interesse dafür da, so ist es nicht allzu schwer, die Frauen über die wirt­lichen Ursachen der Teuerung aufzuklären und ihnen die Augen zu öffnen über das Wesen einer Wirtschaftspolitik, die einseitig den Vorteil der Großgrundbesizer, Industrie- und Handelskapitalisten vertritt. So konnten denn in einer Versammlung, in der Genossin Bohm- Schuch- Berlin über Die Hausfrauen und Mütter im Stampfe gegen die Teuerung" sprach, 68 Frauen für unsere Organisation ge­wonnen werden. Um die Weiterbildung der Genossinnen zu ermög lichen, wurde ein ständiger Lese- beziehungsweise Diskutierabend ins Leben gerufen. Hoffentlich geht es nun frisch vorwärts, auch zum Nutzen der Jugendbewegung, deren Fortentwicklung aufs engste mit dem Wachwerden der Mütter zusammenhängt. Emilie Graßhof. Ferienspaziergänge der Arbeiterkinder in Mannheim . Das Beispiel unserer Frankfurter Genossinnen regte die Mann= heimer Kinderschuhkommission zu dem Beschluß an, auch ihrerseits im leßten Sommer Ferienspaziergänge für Prole­tarierkinder zu organisieren. Wie beginnen wir es, um Geld für den Zweck aufzubringen?" Das war die erste Frage, die sich die Genossinnen vorlegten, als es an die Ausführung des Beschlusses ging. Sie wendeten sich brieflich an einige bessergestellte Partei­genossen und empfingen außer materieller Beihilfe das Versprechen weiterer Unterstützung für das gute Unternehmen. In der Monats­versammlung des Sozialdemokratischen Vereins legte die Unter­zeichnete den Plan der Kinderschutzkommission mit dem Erfolg dar, daß eine Tellersammlung dafür 46 Mt. 30 Pf. ergab. Nun hatten die Genossinnen die ersten Mittel, um den Kindern bei jedem Spaziergang nach dem Spiele ein Glas Milch und ein Brötchen verabreichen zu können. Ein Aufruf in der Volksstimme" gab den ersten Spaziergang bekannt. Die Kinder sollten sich an vier verschiedenen Stellen der Stadt sammeln. Die Veranstaltung drohte