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Die Gleichheit
sogar das harmlose Ausplaudern von Vorgängen aus der Familie des Dienstherrn. Die Zwangsgewalt der Polizei über das Gesinde äußert sich in unerträglicher Bevormundung. Gegen die Strafgewalt der preußischen Amtsvorsteher gibt es keinen ordentlichen Rechtsweg. Die Krönung der agrarischen Einrichtungen zur Niederhaltung der ländlichen Arbeiter sind die Kontrakt bruchgesete, die nach dem Muster des in Kraft stehenden preußischen Gesetzes vom 24. April 1854 geschaffen worden sind. Sie enthalten die schärfsten Strafbestimmungen für den Kontraktbruch des Gesindes und aller übrigen land- und forstwirtschaftlichen Arbeiter. Ein geradezu gemeingefährlicher Charakter wird diesen Gesetzen dadurch aufgedrückt, daß die Verabredung zur Arbeitseinstellung oder Arbeitsverhinderung unter schwerer Gefängnisstrafe steht.
Der Legitimierungszwang der ausländischen Arbeiter und die schmähliche Behandlung der Landarbeiter in der Sozialversicherung vollenden das Bild der Unterdrückung einer großen Schicht der arbeitenden Bevölkerung, ein Bild, das in der Kulturwelt- wenn man vielleicht von Rußland absieht nicht seinesgleichen hat.
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Der Parteitag der preußischen Sozialdemokraten und der Landarbeiterverbandstag begegneten sich in ihren Forderungen an die Gesetzgebung und die öffentlichen Körperschaften. Einhellig wurde hier wie dort die Beseitigung der Gesindeordnungen, Strafgesetze und Polizeibestimmungen für ländliche Arbeiter verlangt, an deren Stelle diereichsgesetzliche Regelung des Landarbeiterrechts treten soll. Dieses Recht hat vor allem volle uneinge schränkte Koalitionsfreiheit für alle Land- und Forstarbeiter wie das Gesinde festzulegen. Es muß weitestgehende Arbeiterschutzbestimmungen enthalten, deren Durchführung freigewählte Arbeiterkontrolleure zu überwachen haben. Die in der Landwirtschaft heute schamlos betriebene Kinderausbeutung muß verboten, unter Strafe gestellt werden. Ein ausreichender Wöchnerinnenschutz ist zu schaffen. Es muß das Verbot der Sonntagsarbeit erfolgen, soweit diese durch die Natur des Betriebs nicht erforderlich wird., Notwendig ist ferner die Errichtung von Arbeiterwohnungen durch den Staat oder von diesem unterstüßte oder kontrollierte Institutionen unter Fortfall aller schollenpflichtigen Beschränfungen. Berufsgerichte zur Schlichtung von Arbeitsstreitigkeiten, Gleichstellung mit den gewerblichen Arbeitern auf dem Gebiet der Arbeiterversicherung, Beseitigung des Legitimationsfartenzwanges sind weitere Forderungen, die den Weg ebnen sollen, den das landwirtschaftliche Proletariat zu seiner Befreiung aus den unwürdigsten Fesseln zu gehen hat. Der Parteitag der preußischen Sozialdemokraten beschloß noch andere wichtige Forderungen: die volle Gleichberechtigung der Landarbeiter in Gemeinde und Kommunalverbänden, die Abschaffung der Gutsbezirke und die Ersetzung der Amtsvorsteher durch freigewählte Landbürgermeister. Die politische Unterdrückung der Landarbeiter in ihren kleinen Gemeinwesen, ihre Absonderung von allen Fragen politischer oder organisatorischer Natur ist eine der stärksten Stüßen des heutigen reaktionären Systems, unter dem das ländliche Proletariat leidet.
Mit der größten Entschiedenheit wiesen beide Tagungen die Zumutung zurück, den Kampf gegen die Agrarzölle und den Naturallohn einzustellen. Der Naturallohn trägt dazu bei, die Einkommenbezüge des Arbeiters zu verschleiern und zu verwirren, in zahllosen Fällen wird er zu einer Quelle betrügerischer Bereicherung der landwirtschaftlichen Arbeitgeber. Und die Agrarzölle verteuern heute dem Landarbeiter fast genau so die Lebenshaltung wie dem Arbeiter in der Stadt.
Auf dem Parteitag der preußischen Genossen wurde die Frage aufgeworfen, ob Großbetrieb oder Kleinbetrieb vorteilhafter sei. Der Verbandstag der Landarbeiter ging an
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diesem Problem ohne Erörterung vorüber. Unzweifelhaft wird man dem zustimmen, was Genosse Hofer dazu auf der sozialdemokratischen Tagung ausführte. Er will die Vorteile beider Betriebsformen unter weitestgehender Ausnutung der Errungenschaften der Technik verbinden und das Interesse der Landarbeiter am Betrieb durch ihre genossenschaftliche Beteiligung fördern.
Die Beratung der Landarbeiterfrage auf beiden Tagungen Klang in der Auffassung aus, daß die Landarbeiter in der Phalang der proletarischen Klassenkämpfer nicht entbehrt werden können. Die ersten bedeutsamen Schritte zu ihremt Anschluß an das große allgemeine Heer haben diese ländlichen Proletariermassen zu tun, indem sie sich selbst von den schlimmsten wirtschaftlichen, politischen und geistigen Fesseln frei machen. Zu diesem schweren Werke ist ihre Organisierung die Vorbedingung. Alle Kräfte des organisierten Proletariats müssen diese Organisationsarbeit fördern helfen, und die Genossinnen dürfen dabei nicht an letter Stelle stehen. Der Aufstieg der Landarbeiter von der Hörigkeit zur Kultur rüdt die Verwirklichung des Sozialismus für das gesamte Proletariat in eine nahe Zukunft. F. dentals, hot
Schreckliche Folgen der Ministerweisheit.
Liebe Gleichheit! Ja, es kann weit mit dem Menschen kommen! Nun sizze ich hier schon drei Tage zu meiner geistigen Abkühlung in einer stillen, einsamen Zelle zu Dalldorf. Die Schuld daran trägt einer.
Im preußischen Abgeordnetenhaus wurde über die Fleischnot gesprochen. Einzig und allein die Geistesblike des Herrn Landwirtschaftsministers v. Schorlemer durchröntgenten das Dunkel der Sachlage. Fleisch, Fleisch und nochmal Fleisch!" rief bekanntlich der Herr Landwirtschaftsminister, empört über die schlechte Wirtschaftsführung der Arbeiterfrauen. Mit seinem„ Lehrsatz vom Fleische" hatte er den Nagel auf den Kopf getroffen. Fleisch ist die Wurzel alles übels. Und die ministerielle Weisheit von der Entbehrlichkeit des Fleisches hätte meines Erachtens weit besser ausgeschlachtet werden müssen. Ich verstehe nicht, weshalb Genosse Ströbel so heftig gegen diese Wissenschaft losgewettert und weshalb unser allzeit schlagfertiger Adolf Hoffmann gerade gegen Schorlemer seinen zweitausendsten Zwischenruf schuf: Sie haben ja keine Ahnung vom Volk!" Ich stehe mit meinen Anschauungen dem Minister bedeutend näher, stehe sozusagen auf vaterländischem Boden, bin auch für möglichste Unabhängigkeit vom Ausland und überhaupt von jedermann. Schlimm genug, daß wir, um nur einiges anzuführen, die meisten Küchengewürze, Muskat, Ingwer, vom Köchinnenstandpunkt aus betrachtet Pfeffer, Vanille und Chinin, Opium, Lebertran vomt medizinischen Standpunkt aus gesehen und Apenta, Karlsbader, Tamarinden aus allgemein menschlicher Bedrängnis heraus geredet, daß wir diese und noch eine ganze Anzahl anderer Produkte nur vom Ausland beziehen. Und wenn einem nun der Herr Landwirtschaftsminister aus seinem guten Herzen heraus einen guten Rat oder besser gesagt gleich drei gute Ratschläge auf einmal gibt, kann man es dann nicht erst einmal damit versuchen? Versuch macht flug, so schloß ich, nahm den Finger von der Nase und sprach: Also von heute an fein Fleisch mehr, von heute an vegetarische Kost. Zuerst nach deutschen und dann nach französischen Rezepten. Ausländische Rezepte sind kein ausländisches Fleisch.
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Montags fing ich mit der Geschichte an. Das war verkehrt. Montag wird nicht wochenalt. Montags fochte ich eine große Terrine voll fämiger Haferschleimsuppe mit Badpflaumen, füllie jedem einen gehörigen tiefen Teller voll davon auf und wünschte „ Gesegnete Mahlzeit!"
Mann und Kinder hatten Hunger, die Suppe rutschte. Dienstags tischte ich dicken Reis auf und für jedes ein Ei, für meinen Mann zwei. Das ging nochmal glatt durch. Mittwochs gab es ein Doppelgericht: Sauerkraut und Erbsenbrei und sehr unfreundlich- fragende Gesichter. Wo steckt det Eisbeen, Mutter?" fragte mein Mann, und die Kinder blickten revoltierend zu mir her. Willst du Arterienvertaltung haben? Möchtest du zuckerkrank werden? Hast du Schorlemer nicht gelesen?" platte ich wohlvorbereitet mit drei Gegenfragen heraus. In der Küche hatte ich bisher das Regiment geführt, den Kochlöffel geschwungen.„ Huitt!" pfiff mein Mann durch die Zähne:" Kommt der Wind aus der