Nr. 11

Die Gleichheit

arbeiterverbandes als Vermittler an. Dieser gelang es rasch, eine Einigung herbeizuführen. Die Hochbahngesellschaft verpflichtete sich zu einigen Zugeständnissen in der Lohnfrage und anderen Dingen. Gegen die Streifenden wurde der Vorwurf erhoben, sie hätten die elektrische Leitung durchschnitten, um den Betrieb lahmzulegen. Die bürgerliche Presse berichtete mit schmaßendem Behagen über diesen Sabotageaft. Es konnte von den Streifenden leicht der Nach­weis geführt werden, daß diese Behauptung blanker Unsinn war. Ungesetzlich handelten in dieser Bewegung nicht die Arbeiter, viel­mehr die Polizei. Als sich unter den Angestellten eine neue Gärung bemerkbar machte, weil die Direktion Maßregelungen vornahm, defretierte die Polizei kurzerhand, daß der Fahrschein jedem ent­zogen würde, der sich am Streik beteiligte.

Um den Neunstundentag wird in der Schuhindustrie in Groitsch gefämpft, einem kleinen Städtchen bei Leipzig . Die Arbeitszeit beträgt dort noch bis zu 59% Stunden in der Woche. 400 Arbeiter und Arbeiterinnen werden die Arbeit ein­stellen, wenn es nicht noch in der Kündigungszeit zu einer Eini­gung kommt.

Die Verhandlungen im Binnenschiffahrtsgewerbe find gescheitert. Die Reeder weigerten sich, auf die Hauptforde­rung der Mannschaften einzugehen, die Einführung der Nacht ruhe. Sie wollen die Einführung dieses Fortschrittes der Gesetz gebung überlassen. Diese hat sich nun zwar mit der Materie schon beschäftigt, es ist aber feine Aussicht, daß sie so bald zu einer Tat kommt und die Arbeitszeit regelt. Und darauf rechnen die Unter­nehmer. Der Kampf hat schon auf der ganzen Linie eingesetzt. Die Mannschaften, die zu vier Fünfteln zu Hause sind, verweigern die Aufnahme der Schiffahrt, die übrigen werden die Schiffe am 15. Februar verlassen.

Fachausschüsse für die Heimarbeiterinnen sol­len gebildet werden. Der Gewerkverein der christlichen Heimarbeite­rinnen hatte darum in einer Eingabe an die Regierung gebeten. Der Bundesrat ließ nun erklären, daß er die Bildung einer beträcht­lichen Anzahl solcher Ausschüsse in Aussicht genommen habe. Stär­feres Leben wird dadurch dem toten Hausarbeitgefeß auch kaum eingeblafen werden, es findet wegen seiner gänglichen Unzuläng­lichkeit für die Heimarbeiter und-arbeiterinnen wenig Beachtung.

Der Boykott über die Rates, Waffel- und 3 wie­badfabrik von Harry Trüller in Gelle ist aufgehoben. Die Firma erkennt jetzt wenigstens das Koalitionsrecht ihrer Arbeiter und Arbeiterinnen an. An den Arbeitsbedingungen bleibt jedoch noch vieles zu bessern übrig.

Der Gärtnerverband sieht sich veranlaßt, auf die übel­stände im Blumenbindergewerbe aufmerksam zu machen und besonders junge Mädchen zu warnen, die sich diesem Erwerbs­zweig zuwenden wollen. Heute lernen die Blumenbinderinnen ein Jahr. Die Unternehmer aber sind daran, diese Lehrzeit auf 3 Jahre zu berlängern, um sich dadurch billige Ausbeutungskräfte zu sichern. Die Blumenbinderei ist ein Saifongewerbe, und 5 Monate im Jahre haben die Binderinnen keine Beschäftigung. Mädchen, die trotz diefer wenig verlockenden Aussichten gewillt oder gezwungen find, das Gewerbe zu erlernen, sollten sich aber unter allen Um­ständen hüten, auf eine dreijährige Lehrzeit einzugehen. Den in Blumengeschäften tätigen jungen Mädchen sollte ihre Organi­fationspflicht eingeschärft werden. Die meisten von ihnen stammen aus Arbeiterkreisen. Die politisch und gewerkschaftlich organisierten Bäter müßten ihre Töchter auf den Gärtnerverband hinweisen. Im Blumenbindergewerbe hat die Organisation noch ein sehr großes und schweres Arbeitsfeld vor sich.

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sofern sie

Aus der Textilarbeiterbewegung. Die Filiale Kirchberg i. Sa. des Deutschen Tertilarbeiterverbandes hat im Dezember 1912 eine Erhebung über die Entlohnung ihrer Mitglieder veranstaltet. Es galt, einen Überblick darüber zu gewinnen, wie weit sich die Löhne im letzten Jahre nach oben und nach unten bewegt hatten. Für den der Textilindustrie Fernstehenden mag das seltsam flingen, aber trotz fester Abmachungen über die Löhne sind solche Erhebungen immer wieder von neuem notwendig. Selbst dort, wo in der Textil­industrie Tarife bestehen, haben die Ausgebeuteten- nicht ausschließlich in Zeitlohn beschäftigt sind für einen annähernd gleichmäßigen Verdienst. Die besten Tarife Sicherheit helfen da nichts, wenn die in den Tarif aufgenommenen Artikel von der herrschenden Mode nicht begehrt werden. Tritt dieser Fall cin, dann versuchen die Fabrikanten gewöhnlich als nächstliegendes Mittel, den Artikel billiger auf den Markt zu bringen, um die Nach­frage nach ihm zu steigern. Soweit Tuchwebereien in Frage kom­men, wird das bei Neumusterungen durch Veränderungen in der Schuß- und Kettendichte sowie durch billigere Rohmaterialien und Anpassung der Appretur erreicht. Ein weiteres Mittel, um die

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Gestehungskosten herabzusehen, ist die Lohnkürzung. Bestehen Tarife, so bieten die Unternehmer alle technischen und kaufmänni­schen Kniffe auf, um den betreffenden Artikel in eine niederere Lohnklasse einzureihen. Sind aber keine Tarife da, so kürzen die Herren die Löhne ganz rücksichtslos überall dort, wo feine kampf­fähige Organisation vorhanden ist. In Kirchberg ist leider die Ar­beiterschaft noch nicht in der wünschenswerten Stärke organisiert zurzeit gehören etwa 42 Prozent dem Verband an. Infolge­dessen muß sie sich in vielen Fällen der willkürlichen Festsetzung der Löhne durch den Fabrikanten allein unterwerfen. Im Jahre 1911 verdienten in Kirchberg 300 Textilarbeiter im Mittel wöchent­lich 15,26 Mt. und 322 Arbeiterinnen 10,14 Mt. Die im Dezember 1912 angestellte Erhebung ergab folgendes Bild: 135 Männer und 154 Frauen hatten noch den gleichen Verdienst wie im Vorjahr; 81 Männer und 82 Frauen konnten eine Lohnerhöhung von 95 Pf. in der Woche melden und 33 Männer und 31 Frauen eine solche von 178 und 133 Pf.; 10 Männer und 20 Frauen hatten eine Schmälerung ihres Verdienstes um 133 und 92 Pf. wöchentlich erlitten. 4 Prozent der Arbeiterschaft mußten sich mit einer Kür­zung ihres Wochenlohnes um 92 bis 133 Pf. abfinden, 35 Prozent haben eine Lohnerhöhung von 94 bis 178 Pf. in der Woche zu ver­zeichnen und rund 60 Prozent sind auf ihren alten Lohnsätzen stehen geblieben. Die Erhebung zeigt also für 1912 das gleiche Elendsbild wie im Jahre 1911. Da Kirchberg eine einheitliche In­dustrie hat Tuchfabrikation, darf man das Ergebnis der Er­hebung als allgemein gültig für die Lage der 1900 Arbeiter und Arbeiterinnen dieses Ortes ansprechen. Höchstens daß die Er­hebung den Verdienst noch in zu günstigem Lichte erscheinen läßt, da nachweislich die organisierten Arbeiter immer noch einige Pfen­nige im Lohn höher stehen als die übrigen. Sieht man von der sächsischen Lausitz ab, so werden in den Webereien Kirchbergs die niedrigsten Löhne in Sachsen gezahlt. Sie stehen für die Männer durchschnittlich um 5 Mf. und für die Frauen um 3 Mf. niedriger als in den übrigen sächsischen Weborten. Diese Feststellungen ver­anlaßten den Textilarbeiterverband, den Fabrikanten einen Lohn­tarif zu unterbreiten. In ihrem Antwortschreiben lehnte die Unter­nehmerorganisation ein Verhandeln mit den Verbandsvertretern ab. Den Arbeitern wurden Beratungen darüber versprochen, ob ,, in einzelnen Fällen" eine Lohnaufbesserung möglich sei. Es ist flar, daß dabei für die Arbeiter nichts oder so gut wie nichts her­auskommen wird. Die Kirchberger Arbeiter und Arbeiterinnen müssen sich aus ihrer Gleichgültigkeit aufraffen und zu kämpfern werden, wenn sie die gleichen Löhne haben wollen, wie sie ihre Arbeitsbrüder in den Nachbarorten erhalten. Jetzt ist gerade die richtige Zeit, sich für den Kampf zu rüsten. In allen Bezirken des Verbandes wird gegenwärtig rührig agitiert, um neue Mitglieder der Organisation zuzuführen. Da rufen wir vor allem den organi­fierten Textilarbeiterinnen Kirchbergs zu sie stehen ja zum Teil schon seit Jahren in der Front: Nüßt die Stunde, werbt für eure Organisation! Nur Stärkung der eigenen Reihen schafft die Gewähr für Anerkennung eurer Forderungen. Ohne die Organi­sation kann es nicht vorwärts gehen!

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sk.

Ein Schiedsspruch im Lohnkampfe der Holzarbeiter. Noch zu Ende Januar standen in der Holzindustrie die Zeichen auf Sturm. Je mehr man sich jedoch dem Ablauftermin der Verträge näherte, sind die Aussichten friedlichere geworden. Die Arbeitgeber mochten eingesehen haben, daß sie mit ihren Schreckschüssen die

wohlgefügte Arbeiterorganisation nicht einschüchtern konnten, und

daß ihr Verhalten einen Kampf heraufbeschwören müßte, der ihnen selbst schwere Wunden schlagen würde. Letzten Endes würden sie dann aber doch gezwungen sein, weitergehende Zugeständnisse zu machen. Dieser Auffassung der Dinge entsprachen nun auch die Verhandlungen, die in der Woche vom 3. bis 8. Februar in Berlin unter dem Vorsitz des Freiherrn v. Berlepsch als Unparteiischem stattfanden. Sie brachten die Parteien einander wenigstens um so viel näher, daß Herr v. Berlepsch in den Hauptfragen einen Schiedsspruch fällen konnte.

Die Verhandlungen gingen in folgender Weise vor sich. Zuerst berieten nur die Verbandsvorstände der beiden Parteien mitein­ander und diskutierten besonders die Fragen Vertragsablauf und Arbeitszeit. Dann trugen an zwei Tagen die Arbeitervertreter ihre Wünsche in der Lohnfrage vor und verteidigten diese gegen die Einwendungen der Arbeitgeber. Die Arbeiter der einzelnen Ver­tragsstädte hatten zu diesem Zwecke nach der Ortsgröße je einen bis drei Beauftragte nach Berlin entsandt, während die Arbeit­geber ihrerseits feine Ortsvertreter stellten. Nachdem sich sodann die Zentralvorstände dahin verständigt hatten, einen Schiedsspruch herbeizuführen, wurde zu dessen Vorbereitung dem Unparteiischen je ein Vertreter der Arbeiter und der Unternehmer beigesellt. Am