Nr. 11

Die Gleichheit

fie Tag für Tag, gleichbiel, ob etwas zerschlagen wurde oder nicht, 30 Pf. für Bruch zu entrichten. Nicht minder schäbig ist die For­derung der Garantie" summe von 15 Mt., am skandalösesten aber das Ansinnen, daß die Kellnerinnen für das Betreten ihrer Ar­beitsstätte ein Eintrittsgeld zu zahlen haben....

Die Kellnerinnen stehen der Organisation, der einzigen Waffe gegen Übergriffe des Unternehmertums, im allgemeinen noch sid gleichgültig gegenüber. Sonst wären solche Erzesse der Profitwut einfach unmöglich. M.Kt.

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Sozialistische Frauenbewegung im Ausland.

Der erste sozialistische Frauentag in Rußland  . Von den Genossinnen in St. Petersburg   ist der Beschluß gefaßt wor­den, am selben Datum wie die Sozialistinnen im Ausland den ersten Frauentag zu veranstalten. Ein besonderes Blatt soll an diesem Tage erscheinen, das sich mit der Forderung des Wahl­rechtes für die Arbeiterinnen beschäftigen wird. Wo es möglich ist, werden auch Versammlungen abgehalten. Die politische Rechtlosig keit der Proletarierin fällt vielleicht in Rußland   weniger auf als in den Ländern, wo die Männer bereits ein Wahlrecht besitzen, das allgemein oder doch nahezu allgemein ist. In Rußland   ist die proletarische Frau mit dem Proletarier in der gemeinsamen Recht­losigkeit gleichberechtigt. Aber gerade gegen diese gemeinsame Rechtlosigkeit soll der Frauentag sich wenden, indem er sie zum Bewußtsein proletarischer Massen bringt und diese anfeuert, den Kampf für ihr Recht aufzunehmen. Schon allein die geplante Vor­bereitungsarbeit zum Frauentag kann in dieser Hinsicht große Dienste leisten. Die Veranstaltung selbst kann zum weiteren Ringen gegen den verruchten Zarismus anspornen, kann angesichts des Wiederauflebens der Arbeiterbewegung in Rußland   vorwärts treiben zu neuen kraftvollen politischen Aktionen. Aber auch für die ausländischen Genossinnen und Genossen hat der erste russische Frauentag große Bedeutung. Man denke: in dem Lande der Knechtschaft, der Willfür, der Knute, im Reiche des blutigen Selbst­herrschers ist die Energie und Zähigkeit der sozialistischen   Frauen groß genug, ist ihre Opferfreudigkeit so start, daß sie zusammen mit ihren Schwestern im Ausland das Banner der politischen Gleichberechtigung erheben. Muß dieser Beweis glühender Frei­heitsliebe, revolutionärer Tatkraft nicht die Genossinnen in allen Ländern anspornen, ihre ganze Kraft für den Erfolg des Frauen­tags einzusehen? Das hehre sozialistische Ideal verpflichtet.

Frauenstimmrecht.

Die Forderung des Frauenwahlrechts zu allen gesetzgeben­den Körperschaften im Deutschen Reiche wird die Sozialdemo­fratie demnächst im Reichstag   verteidigen. Sie hat dort einen An­trag eingebracht auf Einführung des allgemeinen, gleichen, direkten und geheimen Wahlrechts für alle über 20 Jahre alten Staats­bürger ohne Unterschied des Geschlechts zu allen ge­setzgebenden Körperschaften im Deutschen Reiche. Wenn diese Nummer in die Hände unserer Leserinnen gelangt, so dürfte ge= rade über dieses umstürzlerische" Begehren im Reichstag ver­handelt werden. Es ist nicht das erstemal, daß die Sozialdemo fratie dort die staatsrechtliche Mündigkeit für das weibliche Ge­schlecht fordert und, wie die Dinge liegen, wird es noch lange nicht das letztemal sein, daß sie das tut. Ohne als Pythia im heiligen Hain   zu Delphi auf dem Dreifuß gesessen zu haben, kann man schon den Ausgang der Verhandlungen voraussagen. Der Antrag wird abgelehnt, und nicht einmal die fortschrittlichen Volksparteiler werden geschlossen ein schwächliches Lippenbekenntnis zu seinen Forderungen stammeln, namentlich nicht zum Frauenwahlrecht. Der Vorstoß der Sozialdemokratie ist ein bedeutsamer Auftakt zu d unserem Frauentag. Er muß die Tatkraft und Hingebung der Genossinnen beflügeln und der Frauenwahlrechtsbewegung über­haupt vermehrte, starke Impulse geben. Die Verhandlungen über den Antrag unserer Partei werden der Agitation reiche, schneidige Waffen liefern. Wir werden sie gewissenhaft nüzen.

I. K. Frauen als Gemeindewähleriunen in Oesterreich  . Zwei Städte in Niederösterreich  , Wiener Neustadt   und Waid­ hofen   a. Ybbs  , haben eine neue Wahlordnung, die das Wahl­recht auch den Frauen gibt, die eine direkte Steuer entrichten, mag diese noch so gering sein. Früher durften dort die Frauen ihr Wahlrecht nur mittels bevollmächtigter Männer ausüben. Das ist nun anders geworden, und jene Wählerinnen, die ledig oder verwitwet sind, wählen persönlich. Gleichzeitig mit dieser Reform ist die Proportionalwahl eingeführt worden. Die Wählerschaft ist

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in vier Klassen eingeteilt, die nach den Steuerleistungen abgestuft sind. Die Frauen wählen im ersten, zweiten und dritten Wahl­förper. Am Mittwoch den 29. Januar gingen sie im dritten Wahl­förper zur Wahl. Hier wählten die niedrigst besteuerten Frauen: Obsthändlerinnen, Krämerinnen, Milchfrauen, Hebammen, Schnei derinnen, Friseurinnen, Masseusen usw. Bei einer Wählerzahl von 1215 waren 481 Frauen in die Wählerlisten eingetragen. Davon waren 268 verheiratet und konnten daher nicht selbst wählen, son­dern der Ehemann hatte die Stimme seiner Frau abzugeben. 213 Frauen fonnten dagegen ihr Wahlrecht persönlich ausüben. Dem Wahltag wurde mit dem größten Interesse entgegengesehen. Frauen an der Wahlurne! Wie werden sie wählen? Wie werden sie sich an der Urne benehmen? so fragten alle. Unsere politisch organisierten Genossinnen in Wiener Neustadt   hatten volle Arbeit geleistet. Von Haus zu Haus hatten sie agitiert, und es hatte auch eine Wählerversammlung mit Genossin Freundlich als Referentin stattgefunden. Bei den Frauen lag die Entscheidung, welche Kandidaten im dritten Wahlkörper die Majorität erlangen würden. Am Abend gab es nur eine Stimme: Die Frauen. haben sich ausgezeichnet gehalten! Die sozial­demokratische Liste hatte die meisten Stimmen bekommen. Von 10 Kandidaten wurden 5 Sozialdemokraten gewählt und 2 sozialdemokratische Erfaßmänner. Wäre noch ein dritter Sozialdemokrat als Ersatzmann aufgestellt gewesen, so hätten wir auch ihn durchgebracht. Die Frauen haben für die Sozialdemokratie den Ausschlag gegeben. Gewiß haben nicht alle von ihnen sozialdemokratisch gewählt, aber doch der größere Teil. Vor der Wahlfommission hat es manche fköstliche Szene gegeben. So erschien eine kleine Geschäftsfrau, ging in die Zelle, um ihren Stimmzettel in das Kuvert zu legen und erschien an der Urne. Da stellte der Wahlkommissär eine Frage, und es zeigte sich, daß diese Wählerin einen Ehemann hat, der nach dem Gesetz für sie wählen soll. Darüber empörte sich die Frau:" Was, ich zahle Steuern und er soll wählen gehen!" rief sie aus. Aber es half ihr nichts, sie durfte nicht selbst den Zettel in die Urne legen. Bei einer anderen Wählerin stellte sich heraus, daß der Mann lebt, aber seit zwei Jahren in Amerika   weilt. Zuerst wollte die Wahlkommission diese Frau nicht zur Wahl zulassen, aber die Wählerin wehrte sich für ihr Recht, und die Mehrheit der Kommission entschied schließ­lich für sie. Der Anstand" im Wahllokal wurde durch die An= wesenheit von Frauen nicht verlegt. Die Wahl widerlegte glän­zend alle Einwände, die man gegen die Ausübung des Stimm= rechtes durch die Frauen erhebt. Und nun, da ein großer Teil der weiblichen Wahlberechtigten selbst zur Urne gehen konnte, hörte der Mißbrauch mit ihren Stimmen auf. Die Frauen wurden nicht eine Beute der ersten besten Agitatoren, die kamen. Sie hörten alle an, die sich um ihre Stimmen bewarben und meinten dann: Ja, wissen Sie, das darf man ja nicht sagen, für wen man stimmt, auch Ihnen nicht." Auch die zur Verfügung gestellten Wagen lehnten die meisten Wählerinnen ab. Ich gehe schon allein," sagten sie. Und sie kamen allein und gingen unerschrocen zur Urne. Mancher deutschnationale Student, der mit der Korn­blume im Knopfloch im Heim der Frauen erschien, scheiterte mit seiner Beredsamkeit über den nationalen Gedanken". Die Argu­mente unserer Genossinnen über Mißstände in der Gemeinde und über die Tätigkeit der Sozialdemokraten wirkte besser. So er­oberten die Sozialdemokraten im vierten und im dritten Wahl­förper je 5 Mandate und im zweiten Wahlkörper auch noch 2. In diesem Wahlkörper waren unter 915 Wählern 476 Frauen, davon wählten 166 persönlich, 310 durch ihre Männer. Im ersten Wahl­förper gab es auch noch 200 Wählerinnen, darunter die Besizerin des Bordells.

Unsere Genossen sind voll des Lobes über die Frauen. Unsere Genossinnen haben die ganze schriftliche Wahlarbeit geleistet und waren an allen Wahltagen unermüdlich tätig. Der Bewegung für das Frauenwahlrecht geben die vorliegenden Erfahrungen in Wiener- Neustadt   neuen Schwung, stärkere Triebkraft. Die Ge­nossinnen werden die Lehren dieser Wahl, an der Frauen per­sönlich das Stimmrecht ausgeübt haben, in der Agitation aus­nüßen, um vor allem einen Vorstoß für das Gemeindewahlrecht zu machen. Auch unser Frauentag wird im Zeichen dieser Wahl stehen.

a. p.

Die Gültigkeit des Frauenmandats zum böhmischen Landtag ist noch nicht ausgesprochen worden. Der Landesausschuß für Böhmen   hat beschlossen, die Entscheidung über die Streitfrage dem Plenum des Landtags vorzubehalten. Unterdessen gehen zahl­reiche Petitionen aus ganz Österreich   ein, die dafür oder dagegen Stellung nehmen, daß die gewählte Frau- die tschechische Schrift­stellerin B. Wit- Runetista als Abgeordnete bestätigt wird.

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