Nr. 12
Die Gleichheit
in der Politik die Männer als Erbteil der Vergangenheit noch eine gewisse Vorliebe für ihr eigenes Geschlecht haben. Daher wird es Zeit bedürfen, bis sich die männlichen Wähler dazu entschließen, ihre Stimme einer Frau zu geben. Mit dieser Feststellung soll durchaus nicht verkleinert werden, was die Männer in Norwegen getan haben, um den Frauen das Wahlrecht zu verschaffen. Allen voran sind Sozialdemokraten und Radikale ehrlich für die volle politische Gleichberechtigung des weiblichen Geschlechts eingetreten. Übrigens ist es meine Meinung, daß die Frauen in der Kommune, in den Schulvorständen, in den Vormundschaftsräten eine nur geringe persönliche Tatkraft bewiesen haben. Dafür verdienen sie aber keinen Vorwurf, und die Tatsache braucht uns auch nicht zu entmutigen. Die Frauen unserer Generation, die ihrem Alter nach in öffentliche Körperschaften gewählt werden können, sind ohne Rücksicht auf Betätigung daselbst erzogen worden. Sie haben außerdem so viel Kraft und Zeit aufwenden müssen, um für das weibliche Geschlecht Bürgerrecht zu erringen, daß kaum eine solche Entwicklung zu erwarten ist, die ein hervorragendes Wirken in den öffentlichen Körperschaften verbürgen würde. Man muß abwarten, bis die jüngere Generation von Frauen nachgerückt ist und sich selbst ihre Arbeitspläge im öffentlichen Leben erobert. Dann wird wohl frischer Wind in die Segel kommen! Die Frauen wagen es jetzt, weiblich zu sein und sich doch dem Manne ebenbürtig zu fühlen, ohne ihm ähnlich sein zu wollen. Es gab hier eine Zeit, wo es anders war. Da galt es für unerläßlich, sozusagen eine Kopie des Mannes zu sein, wenigstens wenn man etipas taugen wollte.
Die norwegischen Sozialdemokratinnen haben nicht den Mut verloren, weil keine von ihnen in das Storthing gewählt worden ist. Sie wissen, daß sie auch ohne ein parlamentarisches Mandat reichlich Gelegenheit und Raum haben, für eine große Sache zu arbeiten. Sie werden mit gespanntem Interesse die Arbeit der Männer im Parlament während der drei Jahre bis zur nächsten Wahl verfolgen. Sie werden diese Arbeit fördern und kritisieren und wollen versuchen, so geschickt und so voll ruhigen Selbstvertrauens zu wirken, daß es die sozialdemokratische Partei in ihrem eigensten Interesse für geboten halten wird, bei den nächsten Storthingswahlen dafür zu sorgen, daß auch Genossinnen als Erwählte im Parlament Sig und Stimme erhalten.
Fernanda Nissen , Christiania .
Vom Ursprung der Arbeit.*
Von Edgar Sahnewald.
Ein bekanntes Scherzwort spricht wenig liebenswürdig von dem Manne, der die Arbeit erfunden haben soll. Stellt man aber ernsthaft die Frage nach dem Ursprung der menschlichen Arbeit, so ist ohne weiteres flar, daß diese nicht die Erfindung irgend eines Quälgeistes sein kann. Rasch folgt wohl dann die Antwort, daß die Menschen immer arbeiten mußten. Zwar spricht man auch von einem goldenen Zeitalter, in dem die Menschen in paradiesischer Glückseligkeit in den Tag hinein
* Die Gedankengänge dieses Beitrags haben den Genossinnen von Gera mit gutem Erfolg als Grundlage für mehrere Stunden ihrer Lese- und Diskussionsabende gedient. Der Artikel dürfte auch anderwärts zu diesem Zwede willkommen sein. Er gibt wichtige Gesichtspunkte und Richtlinien zur aufgeworfenen Frage und regt zum weiteren Studium von Tatsachenmaterial an. Da die weitaus meisten Genossinnen für dieses Studium mit beschränkter Zeit und fargen Mitteln rechnen müssen, so empfehlen wir ihnen zunächst einige fleinere populäre Schriften:„ Die Technik in der Urzeit", I, II und III von Hannah Lewin- Dorsch, fortgesetzt von Heinrich Cunow , Heft 18, 22 und 24 der„ Kleinen Bibliothek", Verlag von J. H. W. Diet Nachf., Stuttgart .„ Der Mensch der Urzeit" von A. Heilborn , Verlag von B. G. Teubner, Leipzig . Dazu von größeren Werken: „ Unter den Naturvölkern von Bentral- Brasilien" von Karl von den Steinen , Volksausgabe, Verlag von D. Reimer, Berlin . „ Gegenseitige Hilfe in der Tier- und Menschenwelt" von Peter Krapotkin, Verlag von Th. Thomas, Leipzig .
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lebten, ohne zu arbeiten, weil sie in Hülle und Fülle fanden, was sie für ihren Unterhalt brauchten. Damit ist aber die Frage nach dem Ursprung der Arbeit noch weniger beantwortet als mit der anderen Erklärung. Es sei denn, daß wir uns mit der Annahme eines Sündenfalles zufrieden geben, der die Menschen hinaustrieb auf den dornigen Acker. Beide Antworten können also nur flache Gemüter befriedigen, die Frage nach dem Ursprung der Arbeit lassen sie offen. Sie läßt sich nur mit Hilfe der Tatsachen beantworten, die die wissenschaftliche Forschung zutage gefördert hat. An ihre Ergebnisse werden wir uns in dieser kleinen Abhandlung halten.
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Schon ein flüchtiger Blick auf die Gegenwart lehrt, daß die Menschheit ohne Arbeit gar nicht bestehen könnte. Alle Mittel zum Leben und dazu gehört alles, was der Mensch für seine Eristenz bedarf werden durch Arbeit gewonnen und sind recht oft das Ergebnis langwieriger Arbeitsprozesse. Ein Schlaraffenland, in dem Milch und Honig fließt, in dem die Kleider auf den Bäumen wachsen, ist die unerfüllte Schnsucht märchenfreudiger Kinderherzen. Jedoch bei Betrachtung der Gegenwart wird uns auch klar, daß nicht zu allen Zeiten und überall die Art gleich war und gleich ist, wie der Mensch arbeitet, ebensowenig wie solche Gleichheit für die Mittel gilt, mit denen er Güter erzeugt oder für seinen Bedarf Herrichtet. Die menschliche Arbeit hat eine unendlich lange Entwicklung durchlaufen, die heute noch andauert und die wir täglich miterleben. Die Arbeitsmittel und Arbeitsverfahren haben die gewaltigsten Veränderungen und Verbesserungen durchgemacht und werden weiter vervollkommnet. Immer neue Erfindungen werden in den Dienst der menschlichen Arbeit gestellt. Die Zeit liegt noch gar nicht lange hinter uns, in der noch keine Maschinen schwirrten, kein Fabrikschornstein rauchte und keine Eisenbahn durchs Land donnerte. Nicht immer gab wie heute die Maschinenarbeit der Zeit das Gepräge.
Die Wirtschaftsgeschichte führt uns von der Gegenwart in eine Zeit zurück, in der der Handwerksmeister in seiner kleinen Werkstatt mit einigen Gesellen sein kleines, einfaches Werkzeug führte. In jenen Tagen der mittelalterlichen Handwerksidylle waren die Gesellen noch nicht die Proletarier von heute, die Tag für Tag ein und dasselbe Teilstück herstellen und deren Händen die unerbittliche Maschine den Takt bestimmt. In der Schreibstube des Kaufmanns flingelte noch kein Telephon, und auf seinem Tische lag noch kein dickleibiges Kursbuch. Der Handelsherr wartete auf den Frachtwagen, der schwerbeladen auf holprigen Landstraßen daherschwankte. Die Bauern schwißten als Leibeigene oder Hörige auf den Feldern des Fronherren. Die menschliche Arbeit trug also damals ein ganz anderes Gepräge als heutzutage.
Die Einzelheiten dieser Entwicklungsstufe aufzuzeigen, ist nicht die Aufgabe dieses Beitrags, wir suchen den Ursprung der Arbeit. Da er nicht in der Epoche des zünftigen Handwerks und der feudalen Landwirtschaft liegen kann, lassen wir uns von der wirtschaftsgeschichtlichen Forschung weiter zurückführen. Für die Aufhellung der Frage, die uns beschäftigt, brauchen wir nicht darauf einzugehen, in welch tiefer, entscheidender Weise die Entwicklung der landwirtschaftlichen und handwerksmäßigen Arbeit auch in Deutschland von der Kultur des Altertums beeinflußt worden ist, Römerherrschaft und Völkerwanderung haben die Wirkung dieser Kultur weit ausgedehnt. Wir gehen zurück in Zeiten und zu Völkerschaften, wo dieser Einfluß sich noch nicht geltend machte. Auf den verschiedensten Punkten der Erde finden wir da den Menschen als Ackerbauer, der in Gemeinschaft mit seinen Mark- oder Dorfgenossen, die gleichzeitig Glieder seiner Sippe, seine Ver wandten sind, den Acker bestellt, der Gemeinbesig ist. Ackerbau und Viehzucht sind die Grundlagen seiner Existenz, fie liefern ihm alles, was er zum Leben nötig hat. Die wenigen Geräte, deren der Mensch bedarf, fertigt er selbst, er ist Ackerbauer, Viehzüchter und Handwerker in einer Person. Aber so einfach sein Werkzeug ist, so gering seine Bedürfnisse sein mögen, so steht doch der Mensch auf dieser Kulturstufe schon sehr hoch im Vergleich zu den Stufen der Entwicklung, die er durch
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