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Die Gleichheit

kaufen hat, ehe er als seßhafter Ackerbauer sein Feld pflügt oder auch nur als nomadisierender Viehzüchter mit seinen Herden von Weideplatz zu Weideplatz zieht.

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Die völkerkundliche Forschung hat den Menschen in un­endlich einfacheren Verhältnissen gefunden. Noch heute leben Naturvölker, die auch den rohesten Ackerbau und die einfache alte Viehzucht nicht kennen. Scharf getrennte Entwicklungs­stufen lassen sich hier kaum noch unterscheiden. Die Unter­schiede werden allzusehr verwischt durch den Einfluß des Klimas, der Bodenbeschaffenheit und Bodengestaltung, der Wasserverhältnisse, der Pflanzen- und Tierwelt, mit einem Wort durch den Einfluß der natürlichen Umwelt, von der der primitive Mensch weit mehr als der Kulturmensch abhängig ist. Ein Gang durch ein Völkermuseum gibt uns jedoch ein Bild von der Mannigfaltigkeit der Arbeitsmittel, deren sich auch schon der rückständigste Naturmensch zur Gewinnung seines Lebensbedarfs bedient. Und auch der primitive Mensch arbeitet, er ist durchaus nicht der glückliche Schlaraffe, dem alles int Überfluß entgegenwächst. Ebensowenig ist er der Faulpelz, als den ihn die bürgerliche Wirtschaftsgeschichte so oft schildert, die nur die ausgebeutete Sflaven- oder Lohnarbeit als Arbeit anerkennt. Der Wilde" arbeitet, mag auch seine Art zu ar­beiten von der des Kulturmenschen himmelweit verschieden sein. Die kunstvollen Verzierungen, mit denen er seine ge­flochtenen Matten ausschmückt, seine Schnitzereien und Töpfe reien zeugen geradezu von einem Bienenfleiß, wenn man die färglichen Werkzeuge beachtet, deren sich der Naturmensch dabei bedient. Die kleinste Arbeitsleistung kostet oft unsägliche Mühe. Davon gibt die Schilderung der Steinbeilpantomime der Bafairis Zentralbrasiliens ein ergreifendes Bild, die Karl von den Steinen mitteilt und die den Gegensatz zwischen den Steinbeil und dem Eisenbeil scharf beleuchtet: Wie quält sich der Bakairi, um einen Baum zu fällen: frühmorgens, wenn die Sonne tschischi aufgeht dort im Osten steigt sie be­ginnt er die Steinart zu schwingen. Und tschischi wandert auf wärts und der Batairi schlägt wacker immer zu tsöck, tsöck, tsöck. Immer mehr ermüden die Arme- sie werden gerieben und sinken schlaff nieder, es wird ein kleiner, schwacher Luft­stoß aus dem Munde geblasen und über das erschöpfte Gesicht gestrichen; weiter schlägt er, aber nicht mehr mit tsöck, tsöck, sondern mit einem aus dem Grunde der Brust geholten Üchzen. Die Sonne steht oben im Zenith; der Leib- die flache Hand die flache Hand reibt darüber oder legt sich tief in eine Falte hinein ist leer; wie hungrig ist der Bakairi- das Gesicht wird zu kläglichstem Ausdruck verzogen: endlich, wenn tschischi schon tief unten steht, fällt ein Baum, totale= eins zeigt der Klein finger. Aber du, der Weiße- plötzlich ist alles an dem Mimiker Leben und Kraft der Weiße nimmt seine Eisenayt, reißt sie empor, schlägt sie wuchtig nieder, tjöck, töck, pum öh..., da liegt der Baum, ein fester Fußtritt, schon auf dem Boden. Und da und dort und wieder hier, überall sieht man sie fallen. Schlußfolgerung für den Weißen: gib uns deine Eisenärte." Aber bei aller Einfachheit der Werkzeuge ist die Arbeits­weise des Naturmenschen doch schon zu mannigfaltig, oft sogar zu kompliziert, als daß der Ursprung der Arbeit in ihrem Be­reich liegen könnte. Die lebenden Urfunden geben uns keine Antwort auf unsere Frage. Die prähistorische Forschung führt uns jedoch noch weiter zurück zum vorgeschichtlichen Menschen, dessen rohe Steinwerkzeuge in den Schränken der Museen liegen. Ein kaum zugehauenes Stück Feuerstein , das ist der schlichte Urahne aller noch so kunstvollen Werkzeuge, die der Mensch im Laufe der Jahrtausende erfand. Auch hier, an der nebelfernen Schwelle der Menschheitsgeschichte finden wir Spuren menschlicher Arbeit, aber die Frage nach dem Ursprung mensch­licher Arbeit bleibt ungelöst. Nur eine wichtige Erkenntnis ge­winnen wir aus dem Rückblick der Mensch arbeitet, seit er existiert. Die Grundlage aller menschlichen Eristenz ohne Rücksicht auf die Verschiedenheit der Formen seiner Wirtschaft ist die Arbeit.

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Auf unsere Frage bleibt also scheinbar scheinbar nur die eine Antwort, daß die Notwendigkeit, zu arbeiten, mit dem Men­

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schen selbst in die Welt gekommen ist. Doch diese Antwort löst sofort die andere Frage aus: wie kam denn der Mensch auf die Erde?

Wir wissen, daß der Mensch nicht das Geschöpf eines über­irdischen Schöpfers ist, der eines schönen Tags auf den Einfall kam, den Menschen aus einem Erdenkloß zu formen und ihn mit seinem göttlichen Odem zu beleben. Die Naturwissenschaft hat den unumstößlichen Nachweis erbracht, daß der Mensch als Gattungsbegriff das letzte Glied einer unendlich langen Entwicklungskette von Lebewesen ist. Der Mensch ist aus dem Tierreich hervorgegangen. An dieser wissenschaftlichen Tatsache kann nur der zweifeln, dessen Denken noch im Dunkel der biblischen Schöpfungsgeschichte befangen ist. Wir müssen an dieser Stelle den Nachweis für diese Entwicklung beiseite lassen. Die Tatsache selbst muß uns genügen.

Wenn wir aber von der tierischen Vergangenheit des Menschen­geschlechts überzeugt sind, und wenn wir den Ursprung der Arbeit in der Geschichte des Menschen selbst nicht fanden, so bleibt uns nur diese Annahme offen: auch die Anfänge jener menschlichen Betätigung, die wir als Arbeit bezeichnen, müssen jenseits der Menschwerdung in der tierischen Vergangenheit liegen. Diese Annahme zwingt zu der weiteren Folgerung, daß auch die Tiere arbeiten.

Es ist ohne weiteres klar, daß bei der Untersuchung dieser Frage die Arbeit der Haustiere im Dienste des Menschen von vornherein ausscheiden muß. Diese ist das Ergebnis der Zäh­mung und Dressur des Tieres durch den Menschen. Verstehen wir aber unter dem Begriff Arbeit eine Tätigkeit, um die in der Natur gefundenen Stoffe durch Veränderungen irgend welcher Art bestimmten Zwecken anzupassen, so können wir auch von tierischer Arbeit reden. Das gilt vor allem von der Tätigkeit beim Bau von Brut- und Wohnstätten, die die Tiere mit mannigfachen Einrichtungen zur Aufbewahrung von Nah­rungsvorräten, zum Schuße oder zur Verteidigung gegen Feinde oder zum Fang der Beute ausstatten. Der kleine Ameisenlöwe die Larve eines unscheinbaren Insektes- wühlt Fallgruben im lockeren Sande des Waldrandes, in denen die Opfer rettungslos in seine Freßzangen taumeln. Wer hat noch nicht den regelmäßigen Zellenbau einer Bienen­wabe bewundert. Und zieht man nicht unwillkürlich den Ver­gleich mit menschlicher Arbeit, wenn man ein Schwalbenpaar beobachtet, wie es unermüdlich Klümpchen an Klümpchen zum Neste mauert, oder wenn man an den Museen die Erzeugnisse der Meister des Nestbaues, der Webervögel, betrachtet. Der Laubenvogel Australiens begnügt sich nicht einmal mit dem eigentlichen Brutnest, er baut daneben noch ein laubenähn­liches Lusthaus, das er mit bunten Federn, Muschelschalen, hübsch gefärbten Steinchen und weißgebleichten Knochen aus­schmückt, und in dem er vor seinem Weibchen leidenschaftliche Liebestänze aufführt. Wie geschickt näht der Schneidervogel einige Blätter des Nistbaumes mit Pflanzenwollfäden zum Futteral für sein niedliches Nest zusammen. Ebenso zahlreich sind die Baumeister unter den Säugetieren. Man denke nur an die Wasserburgen des Bibers. Jeder Junge kennt die Mühe, die es kostet, das unterirdische Labyrinth eines Maul­wurf- oder eines Hamsterbaus aufzugraben.( Schluß folgt.)

Fleischnot und Agrarier.

Am 17. Februar hat zu Berlin die sogenannte agra­rische Woche geendet, die alljährliche Tagung verschiedener großer Organisationen der deutschen Junkerschaft. Das preu­ßische Landesökonomiekollegium und der deutsche Landwirt­schaftsrat stellen dabei den wissenschaftlichen Vortrab. Die Sturmkolonnen des Bundes der Landwirte aber machen den Beschluß. In seiner Generalversammlung treten Massen auf den Plan; sie sollen den Forderungen der Agrarier den de­monstrativen Nachdruck verleihen. In den anderen Körper­schaften werden sie dagegen mit nüchterner Sachlichkeit vor­getragen, der man gern den Anschein wissenschaftlicher Ver­