1921
Die Gleichheit
findische und törichte Handlungen." Diese Worte fanden begeisterte Zustimmung. Wie stark die Mitglieder der Liga das Bedürfnis nach voller politischer Gleichberechtigung empfinden, zeigte sich in den zahlreichen Anträgen und Amendements zur Frage des Frauenwahlrechts. Annahme fand ein Antrag, der die Regierung auffordert, sofort eine eigene Vorlage einzubringen, die allen großjährigen Frauen das Wahlrecht verleiht und noch in dieser Legislaturperiode erledigt werden könnte.
Einstimmig gelangte nach einer warmherzigen Begründung durch Genossin Bruce Glasier eine Resolution gegen den Krieg zur Annahme. Sie lautet:„ Die Konferenz der Frauen, die der Arbeiterpartei angehören, fordert die Arbeiterklasse auf, mit äußerster Kraft dagegen zu protestieren, daß der Balkankrieg auf andere Staaten ausgedehnt wird. Des weiteren empfiehlt sie cindringlich den organisierten Proletariern der ganzen Welt, sich zu vereinigen und den Frieden für die Nationen dadurch zu schüßen, daß sie sich bereit machen, die Waffe des Generalstreiks gegen jede Regierung anzuwenden, die sich weigert, eine strittige internationale Frage einem internationalen Schiedsgericht vorzulegen." Diskussionsrednerinnen wendeten sich scharf gegen bürgerliche Jugendorganisationen, die den Geist des Militarismus verbreiten. Es wurde angeregt, ihnen eine sozialistische Jugendgarde entgegenzustellen.
Die Steuerfrage wurde von Genossin Phillips in einem anregenden Vortrag behandelt, der die Frage beantworten sollte: Wie können Gelder zu öffentlichen Zwecken erhoben werden, chne daß man die Armen belastet?" Genossin Phillips befürwortete den weiteren Ausbau progressiv steigender Einkommensund Vermögenssteuern bei Steuerfreiheit der kleinen Einkommen; ferner die Verstaatlichung der großen Industrien. Die Gemeinden sollten nur den kleineren Teil ihres Budgets durch lokale Steuern decken und je nach ihrer Tüchtigkeit Zuschüsse vom Staat erhalten. Die Steuergroschen der Nation dürften nicht in Rüstungen und Arbeitshäusern verschwendet werden, sie seien den Kulturbedürfnissen der Gesamtheit nutzbar zu machen. Es sei dies ein Grund mehr für die Frauen, gegen den Militarismus, den Krieg zu protestieren. Die Konferenz erörterte noch eine stattliche Reihe von Fragen: gesunde körperliche und geistige Erziehung der Jugend, Schulspeisung, Säuglingsfliniken, Mädchenhandel, Wohnungsreform, gleichen Lohn für gleiche Leistung ohne Unterschied des Geschlechts, Reform der Ehescheidung usw. Die Delegierten haben cine reiche Summe von Anregung und Ermutigung für die Arbeit des neuen Jahres von der Tagung mit fortgenommen.
Der Protest englischer Genoffinnen gegen Militarismus und Krieg, der auf der letzten Jahreskonferenz der„ Liga proletarischer Frauen" erhoben wurde, ist von dem Kongreß der Ar= beiterpartei noch kräftig unterstrichen worden. Einstimmig, ohne Diskussion, nahm er diese Resolution an, die von Genossin Phillips, der Sekretärin jener Liga, eingebracht ward:
" Der Parteitag protestiert gegen den Militarismus in allen seinen Formen. Er crklärt, es liege im Interesse der Arbeiter der ganzen Welt, daß sie jeden möglichen Druck auf die Regierung ihres Landes ausüben, damit Streitigkeiten zwischen den Nationen auf schiedsgerichtlichem Wege beigelegt werden. Er serdert die Frauen und Mütter der Arbeiterklasse auf, im Kampfe gegen den Militarismus mitzuwirken, indem sie ihre Kinder im Geiste der internationalen Arbeitersolidarität erziehen und ihnen Iar machen, wie notwendig es ist, daß die nationalen Kräfte, die Heute der Militarismus verschlingt, dem großen Werke nutzbar gemacht werden, die Lasten der Armut von den Schultern der Arbeiter aller Länder zu nehmen."
Frauenstimmrecht.
Das Frauenwahlrecht auf dem Parteitag der englischen Arbeiterpartei. Unter den Fragen, die den letzten Parteitag dér parlamentarischen Arbeiterpartei beschäftigten, der Ende Januar in London stattgefunden hat, nahm das Frauenwahlrecht einen breiten Raum ein. Den Verhandlungen darüber ging ein frauenrechtlerisches Vorspiel voraus. Der Vorsitzende des Parteitags, der Abgeordnete Roberts, streifte in seiner Eröffnungsrede auch die Wahlrechtsreform. Er erklärte dazu, daß die englische Arbeiterklasse nur durch die Einführung des allgemeinen Wahlrechts für alle Großjährigen befriedigt werden könne. Ob dieser demokratischen Auffassung ohrenbetäubender Suffragettenspektakel, der auch sonst wiederholt einsetzte und die Verhandlungen störte. Die Arbeiterpartei hatte das wirklich am allerwenigsten verdient. Haben sich doch manche ihrer Parlamentarier derart in bürgerliche Nichts- als- Frauenrechtelei verrannt, daß sie entgegen den Be
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schlüssen ihres eigenen Parteitags und der angeschlossenen Gewerkschaften für die elende Versöhnungsbill" eingetreten find. Aber das war den randalierenden Damen nicht genug, schließlich mußte ein halbes Dußend von ihnen sanft, doch energisch" aus dem Saale gebracht werden. Die Verhandlungen über das Frauenwahlrecht selbst hatten als Grundlage folgende Resolution:
„ Dieser Parteitag bekräftigt seine früheren Beschlüsse in bezug auf das Frauenstimmrecht und bedauert die durch den Entscheid des Speakers entstandene Lage; er ist der Ansicht, daß das Versprechen des Premierministers nur dadurch in hinreichender und sicherer Weise eingelöst werden kann, daß die Regierung in der fommenden Session den Mitgliedern des Unterhauses das freie Abstimmungsrecht über eine Frauenstimmrechtsvorlage einräumt und daß sich, sollte diese in zweiter Vorlage angenommen werden, die Regierung für die Vorlage in allen folgenden Etappen der Beratung verantwortlich macht.
Er fordert die parlamentarische Partei auf, alles zu tun, was in ihrer Macht steht, um in der kommenden Session die Annahme einer Vorlage, die den Frauen ein auf breiter und demokratischer Grundlage fußendes Wahlrecht gibt, zu beschleunigen."
Dazu lag noch dieser Zusazantrag der Unabhängigen Arbeiterpartei, der Liga für die Interessen der erwerbstätigen Frauen und der Fabischen Gesellschaft vor:
" Der Parteitag fordert ferner die parlamentarische Partei auf, gegen jede Wahlrechtsvorlage zu opponieren, die die Frauen nicht einschließt."
Nach längerer Debatte, auf die wir noch zurückkommen, wurde Resolution und Zusazantrag angenommen.
Weitere Siege des Frauenwahlrechts in den Vereinigten Staaten werden gemeldet. Im Januar haben beide gesetzgebende Körperschaften des Staates Montana einem Antrag für die Einführung des Frauenwahlrechts zugestimmt. Da dieser Beschluß auf Änderung der Verfassung nicht wie in manchen an= deren Staaten der Union - einer zweiten Abstimmung in der folgenden Legislaturperiode unterliegt, so entscheidet wahrscheinlich schon im Herbst dieses Jahres das Referendum darüber. Die Agitation für die Reform hat bereits kräftig eingesetzt, und das Ergebnis der Volksabstimmung ist kaum zweifelhaft. Ebenso stehen die Dinge in den beiden Staaten Süddakota und Ne vada . Auch hier haben die Parlamente Ober- wie Unterhaus sich gegen geringe Opposition dafür ausgesprochen, daß den Frauen das politische Wahlrecht verliehen werde. Die Agitation zur bevorstehenden Volksabstimmung ist in vollem Gange. Wenn die Entwicklung so weiter geht, so werden binnen kurzem alle Staaten im Westen der Union das Frauenwahlrecht eingeführt haben, und das sei für unsere Spießbürger besonders hervorgehoben: es befinden sich darunter nicht bloß sehr große, sondern auch sehr blühende Länder.
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Es sei noch einiges zu unserer Mitteilung in Nr. 10 nachgetragen, daß beide gesetzgebende Körperschaften des Staates New York beschlossen haben, den Frauen ihre volle politische Gleichberechtigung zu gewähren. Im Staate New York muß jede Verfassungsänderung in zwei aufeinanderfolgenden Legislatur perioden zur Abstimmung gebracht werden. Da erst in zwei Jahren die Neuwahlen zu Landtag und Senat stattfinden, kann die weitere Entscheidung über die Einführung des Frauenwahlrechts erst 1915 erfolgen. Bestätigt sie den jetzt vorliegenden Beschluß der Gesetzgeber, so spricht darauf die Volksabstimmung das letzte Wort, und das wird unzweifelhaft ein Ja sein. Mit dem Wahlrecht zu den geseßgebenden Körperschaften der Einzelstaaten erhalten die Frauen auch das zum Repräsentantenhaus, dem gemeinsamen Bundesparlament.
Fürsorge für Mutter und Kind.
Gesetzliche Mütter- und Kinderfürsorge im Staate Washington steht in Aussicht. Den beiden geseßgebenden Häusern liegt ein Antrag vor, daß jede mittellose Mutter aus der Staatskasse einen festen, regelmäßigen Beitrag zum Unterhalt und der Erziehung ihrer Kinder zu erhalten hat. Dieser Beitrag soll monatlich für das erste Kind 15 Dollar( 63 Mt.) betragen, für jedes weitere Kind 5 Dollar( 21 Mt.). Die Zeitungsnachrichten teilen leider keine weiteren Einzelheiten über den Antrag mit, auch nicht, für wie lange der Rechtsanspruch der Mütter und Kinder besteht. In beiden Häusern soll eine Mehrheit für diese soziale Reform vorhanden sein.