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Die Gleichheit

Mädchen in Öderan empfangen hatte. Die Tendenz paßte den Behörden nicht, der Romanwurde konfisziert. Erst durch eine Audienz beim Minister gelang es Luise durch das Versprechen einiger Änderungen, das Buch frei­zubekommen. Dem verblüfften. Minister erklärte fie: Er­zellenz, ich bin eine prinzipielle Gegnerin der Zensur."

Im März 1848 verfaßte sie die Adresse eines deut­schen Mädchens", die sie an das neue liberale Mini­sterium Oberländer und an die von diesem ins Leben ge­rufene Arbeiterkommission richtete. Die Adresse enthielt die Aufforderung, sich nicht allein der Arbeiter, sondern auch der Arbeiterinnen anzunehmen und schloß mit den Worten: Glauben Sie nicht, meine Herren, daß Sie die Arbeiter genügend organisieren können, wenn Sie nur die Arbeit der Män ner und nicht auch die der Frauen mitorgani sieren und wenn alle ansie zu denken ver­gessen: ich werde es nicht vergessen." Die Adresse hatte einen unerwartet großen Erfolg. Alle deutschen Blätter druckten sie ab. Minister Oberländer stimmte der Verfasserin zu und erbat ihren Besuch. Auch der Landtag und die Arbeiter­kommission beschäftigten sich mit der Adresse. Die Arbeiter selber waren inzwischen auf Luise Otto aufmerksam gewor­den. Sie faßten Vertrauen zu ihr und wandten sich in ihren Nöten an sie. Eine Deputation Dres­ dener Arbeiter bat sie um Unterstützung bei einer Versamm lung. Bald darauf kamen die Abgesandten der Arbeiter und Angestellten der Porzellanmanufaktur Meißen, um ihre Hilfe und Fürsprache zur Abstellung von übelständen zu er­bitten. Die Arbeiter äußerten ein so großes Vertrauen zu Luise Otto , daß diese die Wünsche nicht abzulehnen ver­mochte, obgleich sie des Erfolgs ihrer Bemühungen feines­wegs sicher war. Immerhin setzte sie es beim Ministerium durch, daß es sich der Sache der Meißener Arbeiter und An­gestellten annahm. Luise Otto war die einzige Frau, die öffentlich in der politischen Bewegung stand und für das Recht der Arbeiter und Arbeiterin nen eintrat. Insbesondere die Dresdener Ar­beiter hingen dafür mit Treue an Luise Otto . So groß war ihr Ruf, daß man sie aufforderte, einen Vaterlandsverein" zu gründen, der neben der Eini­gung des deutschen Volkes insbesondere seine demokra tischen Forderungen in den Vordergrund stellen sollte. Die Organisation kam zustande, aber das Gesetz verbot Luise, an der Versammlung teilzunehmen, in der die Gründung erfolgte.

Das Jahr 1848 fand die Dichterin mitten in der politischen Bewegung; sie half bei den Wahlen, bei der Gründung demo­fratischer Blätter, sie kümmerte sich um die Arbeiterinnen, sie weckte die Frauen, indem sie vor ihnen sprach, sie rief demokratische Frauenvereine ins Leben. Da traf sie ein harter Schlag: die Ermordung Robert Blums durch die Reak­tion in Wien . Am 14. November schrieb sie in ihr Tagebuch: ,, Alles andere ist nichts- Robert Blum ist ermordet! Lange wollte ich's nicht glauben, sträubte mich und kämpfte dagegen, nun muß ich's! Tot! Da ist gar nichts weiter zu sagen- wie Christus, Huß und Egmont ist er für die Freiheit gestorben! Und er war mein Freund! Ich sage es mit Stolz: ich habe mehr mit ihm verloren als die Millionen, die jetzt um ihn jammern." Lange brauchte sie, um diesen Schmerz zu über­winden, die Arbeit für die demokratische Bewegung half ihr dabei. omati tod( Schluß folgt.)

Vom Ursprung der Arbeit.

Von Edgar Sahnewald.

1900

( Schluß.)

Die Beispiele für die Arbeiter unter den Tieren lassen sich beliebig vermehren. Sie alle beweisen, daß auch die Tiere produzierende Tätigkeiten verrichten, die sie den verschiedenen Verhältnissen zweckmäßig anpassen. HOTS

Nr. 13

Aber trotz der Geschicklichkeit, die die Erzeugnisse solcher tierischer Tätigkeit bekunden, besteht doch ein tiefer Unter­schied zwischen tierischer und menschlicher Arbeit. Das Tier folgt bei seiner Tätigkeit ererbten Instinkten. Der Mensch aber hat eine vorgefaßte Vorstellung von seinem Werke, er arbeitet bewußt. Eine Biene beschämt durch den Bau ihrer Wachszellen manchen menschlichen Baumeister. Was aber von vornherein den schlechtesten Baumeister vor der besten Biene auszeichnet, ist, daß er die Belle in seinem Kopfe gebaut hat, bevor er sie in Wachs baut. Am Ende des Ar­beitsprozesses kommt ein Resultat heraus, das beim Beginn schon in der Vorstellung des Arbeiters, also schon ideell vor­handen war." So bestimmt Mary im ersten Bande des Ka­pital" den Unterschied zwischen menschlicher und tierischer Arbeit. Und die Folge des tiefen Unterschieds zeigt sich noch in diesem: die Arbeitsmethode des Menschen und damit auch das Ergebnis seiner Arbeit entwickelt sich fortgesetzt auf­wärts, während der Fink sein Nest, die Biene ihre Zelle genau so bauen wie die Finken und Bienen vor tausend Jahren. Doch wir dürfen eines nicht vergessen. Das Bewußt­sein des Menschen ist nicht als göttliches Geschenk vom Himmel gefallen. Auch unser Bewußtsein ist das Ergebnis einer unendlich langen Entwicklung, und vom tierischen In­stinkt zur menschlichen Vernunft leiten feine Fäden, die auf­zuspüren Aufgabe des Tierpsychologen ist. Jedenfalls dürfen wir aber annehmen, daß wir auch soweit das Bewußtsein in Frage kommt die Anfänge der menschlichen Arbeit in der tierischen Vergangenheit suchen müssen.

Doch die bewußte Tätigkeit ist nicht der einzige Unterschied, der unsere Arbeit von der des Tieres sondert. Das Tier bc­dient sich bei seiner Tätigkeit der Organe feines Körpers, es arbeitet" mit Schnabel und Zähnen, mit Krallen und Schaufeln. Der Mensch aber arbeitet mit Werkzeugen, die es ihm gestatten, Tausende der verschiedensten Tätig­feiten auszuüben. Während das Tier nur über eine bestimmte Art von Organen verfügt, wendet der Mensch hundertfältige Werkzeuge nacheinander und nebeneinander an, die er seinen veränderten Zwecken entsprechend verändert. Jedes einzelne Individuum einer Tiergattung besitzt nur die gleichen Or­gane und vermag in der Regel auch nur sie allein anzu­wenden. Der Mensch dagegen ist in der Lage, die Kräfte. vieler Einzelner zur Handhabung eines einzelnen Werkzeugs zu vereinen oder den Gebrauch bestimmter Werkzeuge auf einzelne Individuen oder einzelne Gruppen von Individuen zu beschränken. Der Mensch ist dank seiner Werkzeuge in­stande, die Kooperation die Zusammenarbeit vieler- und die Arbeitsteilung in den Dienst seiner Pro­duktion zu stellen.

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Aber kaum haben wir eine neue Grenze zwischen tierischer und menschlicher Arbeit gezogen, so müssen wir sie schon wieder verwischen. Auch die Anwendung von Werkzeugen ist nicht das alleinige Vorrecht des Menschen, und auch Koopera­tion und Arbeitsteilung finden sich bei den Tieren. Was Kooperation und Arbeitsteilung anbelangt, so sind sie bei Säugetieren, Vögeln, Fischen, Insekten häufig genug; und zwar sowohl wenn es sich um Nahrungsbeschaffung handelt wie bei Wohnungs- und Nestbau, Verteidigung und Für­sorge für den Nachwuchs. Es sei an die Arbeitsteilung zwischen Männchen und Weibchen bei der Brutpflege vieler Vögel, ferner mancher Fische und Amphibien erinnert, an Arbeitsteilung und Kooperation bei den berühmten Bauten der Biber usw. Die Anfänge der Anwendung von Werk­zeugen sind beim Affen beobachtet worden, der sich gelegent­lich eines Baumastes zur Verteidigung; eines Steines zum Aufschlagen von Nüssen bedient. Nichts hat mich mehr in Erstaunen gefeßt," erzählt Professor Dr. Weule in seiner Schrift über die Kultur der Kulturlosen, als die absolute Sicherheit, mit der ein kleiner Macacus im zoologischen Garten zu Düsseldorf mittels eines noch dazu fast kugel­runden Steines die Haselnüsse aufschlug, die ihm der Wärter als Leckerbissen in den Käfig warf; ein Fehlschlag war völlig