Nr. 14
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Die Gleichheit
dem Kredit der Lieferanten arbeiten. Diese Abhängigkeit von den Lieferanten bringt es auch mit sich, daß manche Vereine, selbst wenn sie dazu den besten Willen hätten, ihre Einfäufe nicht durch die Großeinkaufsgenossenschaft bewerkstelligen. Eine bedauerliche Folge des Verhältnisses, das zwischen der belgischen Genossenschaftsbewegung und der Gewerkschafts- und politischen Bewegung besteht, ist die Unfähigkeit der belgischen Gewerkschaften, auf eigenen Füßen zu stehen. Die Arbeiter haben es nicht gelernt, Opfer zu bringen, sie verlassen sich in allem auf ihre Genossenschaften, und diese wiederum verlieren infolge der starken Jnanspruchnahme für andere Zwecke ihre Leistungsfähigkeit, was die weitere Folge nach sich zieht, daß selbst die Arbeiter ihnen untreu werden und sich des Privathandels bedienen. Eine sonderbare " Solidarität", die, anstatt den Arbeiter zu befreien, ihn im Gegenteil noch mehr der kapitalistischen Ausbeutung ausliefert denn von den Mizerfolgen der Konsumgenossenschaften kann doch bloß die kapitalistische Warenversorgung profitieren! Pflicht jedes wahren Genossenschafters aber wird es sein, das übergreifen. dieser verfehlten Methode auf andere Länder zu verhindern. Was den belgischen Genossenschaften von gewiffer Seite als Vorzug nachgerühmt wird, ist nicht nachahmensmert, weil es das Symptom einer Krankheit ist, an der die Vereine zugrundegehen müssen, wenn nicht eine Radikalfur eingeschlagen wird. Ob die Dinge in Belgien wirklich so schlimm liegen, wie sie hier geschildert sind, können wir nicht beurteilen. Jedenfalls aber gibt es in Deutschland wohl in den Kreisen, die etwas vom Genossenschaftswesen verstehen, niemand, der die belgische berfehlte Methode" auf andere Länder übertragen wissen möchte; und auch keine gewisse Seite", die offenbare Mängel in der konsumgenossenschaftlichen Bewegung eines Landes als Vorzüge an sehen wird. Vergleiche zwischen Deutschland und Belgien sind da aber nicht so ohne weiteres zu ziehen. Denn die belgische Konsumbereinsbewegung hat sich unter besonders gearteten sozialen und geschichtlichen Verhältnissen entwickelt, zu deren richtiger Beurteilung ein tieferes Verständnis erforderlich ist.
Der Leitende Ausschuß des Empfangskomitees für den Glasgomer internationalen Kongreß hat vorläufig das folgende Programm vereinbart: Für Sonnabend, den 23. August, ist am Nachmittag zur Einleitung des Kongresses und, um das Publikum auf ihn aufmerksam zu machen, ein genossenschaftlicher Wagen- Demonstrationszug geplant, bestehend aus geschmückten Fuhrwerken der in Glasgow und Umgegend befindlichen Genossenschaften. Am Montag, dem 25. August, findet nachmittags der Besuch der in Glasgow und in Shieldhall befindlichen Fabriken der Schottischen Großeinkaufsgesellschaft statt. Am Abend werden die Kongreßdelegierten vom Bürgermeister und vom Stadtrat von Glasgow im Stadthaus offiziell empfangen und begrüßt. Am Dienstag ist nach Schluß der Verhandlungen ein Ausflug nach Edinburgh geplant. Der Vorstand des größten schottischen Konsumvereins wird den Delegierten die Besichtigung der Anstalten der Genossenschaft ermöglichen. Am Mittwoch findet eine Wagenfahrt nach Paisley zur Besichtigung der dortigen Genossenschaftsanstalten statt. Im Anschluß daran Empfang der Kongreßdelegierten. Am Donnerstag ist nachmittags ein Dampfschiffausflug auf dem Clyde geplant. Die Anlagen der United Baking Society, der größten Bäderei der Welt, stehen den Delegierten jeweils an den Kongreßtagen morgens bis 9 Uhr zur Besichtigung offen, da dann die Bäckerei in voller Tätigkeit ist.
Notizenteil.
Frauenarbeit auf dem Gebiet der Industric,
des Handels- und Verkehrswesens.
H. F.
Die industrielle Frauenarbeit in Argentinien hat bereits einen Umfang erreicht, der früher in diesem Lande für unmöglich gehalten wurde. Fräulein Karolina Muzzilli hat dem Museo Social Argentino eine Studie eingereicht, die als sehr gründlich und gewissenhaft gerühmt wird. Danach beschäftigte die Industrie Argentiniens fast eine halbe Million Arbeiterinnen, davon 205 851 allein in der Bundeshauptstadt dieser südamerifanischen Föderationsrepublik, in Buenos Aires , die rund 1 300 000 Einwohner zählt. In der Provinz waren 225 283 industrielle Arbeiterinnen tätig. Da die gesamte Einwohnerschaft Argentiniens mit 7 121 800 berechnet wird, machen die 431 134 Industriearbeiterinnen schon über 6 vom Hundert der Bevölkerung aus. Es ist das für ein Land wie Argentinien ein beträchtlicher Prozentjaz. Denn hier bilden Ackerbau zumal Getreidebau und Viehzucht die breite Grundlage des Wirtschaftslebens, und die Industrie ist jung
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und verhältnismäßig unentwickelt. Nach den vorliegenden Angaben werden Frauen und Mädchen hauptsächlich in den Industriezweigen verwendet, die für die Bekleidung sorgen, Lebens- und Genußmittel herstellen usw. So in den Kleider-, Wäsche, Schuh- und Hutfabriken, in den Betrieben zur Herstellung künstlicher Blumen, in Teigwaren-, Bonbons-, Konfekt- und Konservenfabriken. Zumal in der Bekleidungsindustrie ist auch die Heimarbeit, das Schwizsystem sehr verbreitet. Zahlreich sind auch die Arbeiterinnen in den verschiedenen Zweigen des graphischen Gewerbes sowie in Bindfaden- und Sadfabriken. Der Tagesverdienst der argentinischen Fabrikarbeiterinnen schwankt nach Fräulein Muzzilli zwischen 1 Besos 40 Centavos und 2 Pesos 40 Centavos bei acht- bis elfund zwölfstündiger Arbeitszeit. Die Heimarbeiterinnen erzielen bei fünfzehnstündiger Tagesarbeit im allergünstigsten Falle einen Verdienst von 2 Pesos 80 Centavos; davon gehen 40 bis 60 Centavos für Unkosten ab, und es sind obendrein nicht viele Frauen und Mädchen, die den angegebenen Lohn erreichen. Ein Besos hat 100 Centavos und ist etwas 5. Pf. über 4 Mt. Die Entlohnung der argentinischen Industriearbeiterinnen sieht demnach hoch aus, in Wirklichkeit ist sie aber erbärmlich, weil die Kaufkraft des Pesos gering, der Lebensunterhalt teuer ist. Die gut fapitalistische Tagespresse des Landes gibt gelegentlich das Elend der Arbeiterinnen zu und hebt besonders hervor, in welcher Not die Heimarbeiterinnen dahinvegetieren.
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*** Sozialistische Frauenbewegung im Ausland.
Ein internationales sozialistisches Kinderfest in Paris soll am 13. Juli stattfinden, am Vorabend der Nationalfeier, die alljährlich dem Bastillesturm gilt. Die Initiative dazu geht aus von dem Verständigungskomitee der Zöglingsgruppen der Genossenschaften für den Bezirk Paris ". Das Fest soll dazu dienen, die Bande der Solidarität zwischen den Völkern fester zu knüpfen und dadurch dem Frieden zu dienen. Alle Organisationen, die sich den Schuh, die Erziehung proletarischer Kinder im Sinne sozialistischer Brüderlichkeit angelegen sein lassen, werden von dem Komitee herzlich aufgefordert, Kindergruppen zu der Veranstaltung zu entfenden. Durch Reigen, turnerische Aufführungen, Gesang können sie dabei mitwirken. Die kleinen Gäste sollen in den Familien der Pariser Genossenschafter unentgeltlich aufgenommen werden, so daß Eltern beziehungsweise Organisationen nur für die Reisekosten zu sorgen haben. Es würde das Komitee ganz be=. sonders freuen, wenn an dem internationalen Fest auch Kinder aus Deutschland teilnehmen würden, vielleicht unter Führung von Genossinnen und Genoffen, die in Verbindung mit den Kinderschußfommissionen und Bildungsausschüssen Ferienwanderungen usw. für Arbeiterkinder veranstalten. Anfragen und Zuschriften sind zu richten an: Madame Alice Jouenne , 71 Rue Cardinal Lemoine, Paris . V. Ar.
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Die sozialistische Frauenbewegung in Ungarn scheint neuer lich in stärkeren Fluß zu kommen. Seit einem halben Jahre erscheint wieder in Budapest vierzehntägig das sozialistische Frauenorgan Nömunkás. Es hat eine Auflage von 6000 Exemplaren, von denen die Gewerkschaften etwa 2000 für weibliche Mitglieder übernehmen, die übrigen von Einzelabonnenten gelesen werden, die sich in Budapest und der Provinz um das Organisationsfomitee der Arbeiterinnen scharen. Wir berichteten an anderer Stelle darüber, daß der Internationale Frauentag von den organisierten Genofsinnen zur Agitation durch das gedruckte Wort ausgenügt worden ist.
Frauenstimmrecht.
Die Frauen und die letzten Gemeindewahlen in Dänemark . In der ersten Hälfte des Monats März haben in ganz Dänemark die kommunalen Wahlen stattgefunden. Das Resultat war ein gewaltiger Sieg der Sozialdemokratie, und den Erfolg darf man mit dem erwachenden Interesse der Frauen an den Gemeindeangelegenheiten zuschreiben und der Benüßung ihres Wahlrechts. Soweit sich die Wahlergebnisse aus den 1100 dänischen Gemeinden bis jetzt übersehen lassen, hat die Sozialdemokratie seit der Wahl von 1909 einen Zuwachs von 52 000 Stimmen oder 40 Prozent gehabt und gegen 300 neue Mandate erobert. Es werden nun etwa 1200 sozialdemokratische Vertreter in den verschiedenen kommunalen Institutionen des Landes Sib und Stimme haben. In Kopenhagen erhielt die Sozialdemokratie 49 Prozent aller abgegebenen Stimmen, nämlich 55 181. Zu den 55 Mitgliedern, aus denen die Stadtverordnetenversammlung besteht, stellt sie allein 27. Die bürgerliche Majorität setzt sich zusammen aus 22 Konservativen, 5 Radikalen und 1 Mucker.