Nr. 15

Die Gleichheit

nötige Abkühlung der Luft, ließ aber so viel Staub ein­dringen, daß die Wäsche unsauber wurde. Infolgedessen mußte man, heißt es im Bericht, den Ventilator abstellen. War nicht durch eine Verbesserung der Entlüftungseinrich­tung das Eindringen des Staubes zu verhindern?

In einem Falle verweigerte der Vater ohne genügenden Grund und zum Nachteil seines Kindes die Zustimmung zur Ausstellung eines Arbeitsbuchs für seine minderjährige Tochter. Auf Antrag der Mutter hat die Gemeindebehörde die Zustimmung an Stelle des Vaters gegeben. Leider kommen ähnliche Fälle hier und da vor, weil die Eltern da­durch die Kinder zwingen wollen, ihren ganzen Verdienst abzuliefern. Das ist ein Mißbrauch der elterlichen Rechte. Die Eltern sollten stets nur im guten auf ihre erwerbs­tätigen Kinder einzuwirken suchen. Ein Zwang schadet mehr, als er nüßt. Jedes vernünftige Kind wird bei angemessener Belehrung einsehen, daß es seine Eltern unterstützen muß, soviel es irgend geht.

Beachtenswert sind endlich die Erfahrungen, die im Darmstädter   Bezirk mit dem Kinderschutzgesetz gemacht worden sind. Der Lehrer in einer Vorortsgemeinde nahe bei Darmstadt   schreibt über einen zwölfjährigen Jungen, der täglich etwa 2 Stunden in einer Gastwirtschaft mit Hilfs­

arbeiten beschäftigt wird:

Der Gesundheitszustand läßt in letzter Zeit zu wünschen übrig. Der Junge ist infolgedessen im Unterricht nicht so bei der Hand, wie ich es wünschte. Es wäre besser für ihn, wenn er weniger ge­werblich beschäftigt würde, aber seine Mutter ist eine arme Witwe, der auch die fleinste Unterstüßung zu gönnen ist."

In einer anderen Vorortsgemeinde urteilt ein Lehrer über den Einfluß der gewerblichen Arbeit auf ein achtjähriges Mädchen, das für seinen Vater Backwaren austrägt, und zwar an einem Wochentag nachmittags, am Sonntag vor­mittags während 2 Stunden, an einem anderen Wochentag während 4 Stunden:

" Sie ist oft schon in der ersten Schulstunde müde und schläfrig und kann dann dem Unterricht nicht folgen. Wiederholt ist sie wäh­rend des Unterrichts eingeschlafen. Die Leistungen sind teilweise ungenügend."

Der Lehrer in der katholischen   Schule einer großen Land­gemeinde schreibt über die Beschäftigung eines zwölfjährigen Mädchens mit Tabakrippen zu Hause:

" Die Beschäftigung an 4 Wochentagen 24 Stunden, am Mitt­woch und Sonnabend je 5 Stunden übt zweifellos einen nach teiligen Einfluß auf die Gesundheit und die Leistungen des Kindes aus. Das Mädchen hat eine auffallend bleiche Gesichtsfarbe. Im Unterricht ist es matt, fällt leicht ab; auch der häusliche Fleiß läßt zu wünschen übrig."

Die Schutzbestimmungen sind ungenügend. Sie müssen verschärft werden. Die Lage der armen Eltern ist auf anderem Wege zu verbessern als durch die rücksichtslose Aus­beutung der Kinder. Gustav Hoch  , Hanau  .

Frauen als Richter.

Den Reichstag beschäftigte im Jahre 1910 der Ent wurfeiner neuen Strafprozeßordnung und der Erneuerung des Gerichtsverfassungs­gesetzes. Einer der Hauptanträge, den die sozial. demokratische Fraktion dazu stellte, war der, daß auch den Frauen der Zutritt zum Amte eines Schöffen und Ge­schworenen offen sein müsse. Aber schon in der Kommission fand diese Forderung bei den bürgerlichen Parteien und auch bei der Regierung keine Gegenliebe; die sozialdemokratischen Kommissionsmitglieder blieben damals bei der Abstimmung allein. Die bürgerlichen Kommissionsmitglieder hatten den sozialdemokratischen Antrag mit einigen belanglosen Redens­arten über die Stellung des Weibes als Hausfrau und Mutter bekämpft, die mit der Ausübung des Richteramtes unvereinbar sei. Außerdem waren für die Herren noch die Behauptungen maßgebend gewesen, daß es der Frau auch

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in geistiger Beziehung an allen Voraussetzungen fehle, um als Richter tätig sein zu können. Im Plenum wiederholten die Sozialdemokraten jedoch ihren Antrag, den der Genosse Frohme am 10. Februar 1911 begründete. Aber diesmal - als es sich um eine öffentliche Stellungnahme zu dieser Frage handelte dieser Frage handelte schwiegen sich die bürgerlichen Bar­teien vollständig aus. Nicht ein Vertreter von ihnen ergriff dazu das Wort. Und auch die Regierung ließ nichts über ihre Haltung zu dieser Forderung verlauten. Auf die eingehende Begründung Frohmes zu unserem Antrag antwortete der Berichterstatter, ein Nationalliberaler, mit der kurzen Er­klärung, dieser Antrag habe bereits der Kommission vor­gelegen und sei von ihr abgelehnt worden. Eine über­wältigende Entgegnung". Das Plenum des Reichstags trat in die Fußtapfen der Kommission. Damit war einstweilen die Sache erledigt. Aber die Strafprozeßordnung wie auch das neue Gerichtsverfassungsgesetz konnten von jenem Reichstag nicht mehr verabschiedet werden, und die Vorlagen fielen ins Wasser. Aus diesen unerledigt gebliebenen Entwürfen löste nun die Regierung die Bestimmungen über die Er­richtung von Jugendgerichten los und unterbreitete diese nun, die einen neuen Zweig in unserer Gerichtsorganisation darstellen, als besondere Vorlage dem jezigen Reichstag.

Mit diesem neuen Entwurf eines Gesezes über Jugendgerichte entbrannte aber von neuem der Kampf um das Recht der Frauen, als Richter zu wirken. Kein Wunder. Hatte doch die Regierung auch bei der Aufstellung des jetzigen Entwurfes das Verlangen der Frauen vollständig unbeachtet und unberücksichtigt gelassen, an der Tätigkeit der Jugendgerichte als Richter mit teilzunehmen. Wohl gesteht die Regierung in ihrer Vorlage den Frauen das Recht zu, als Beistand vor dem Jugendgericht zu wirken, aber das Amt als Richter soll ihnen verschlossen bleiben. Aber selbst dieses gewährte geringe Bugeständnis" ist nicht einmal etwas Be­sonderes; denn bei der Reform der Strafprozeßordnung sollte es den Frauen allgemein eingeräumt werden, also auch für das ordentliche Gerichtsverfahren. Die Ausschließung der Frau von der Richtertätigkeit bei den Jugendgerichten ist jedoch, ganz abgesehen von der offensichtlichen Haltlosigkeit aller Bedenken dagegen, aus einem besonderen Grunde ganz unverständlich. Schon heute ist eine erfolgreiche öffentliche Jugendfürsorge ohne die Mit­wirkung der Frauen gar nicht denkbar. Das beweist der Bericht über die Tätigkeit der Jugendgerichts­hilfe in Charlottenburg  . Dort wurden 1911 von 200 Ermitt­lungen 109 von Frauen vorgenommen, und 1912 gar 126 von 210! Eine gleich umfangreiche Anteilnahme der Frauen an der Jugendgerichtshilfe soll in anderen Gemeinden Groß­Berlins bestehen. Die Frauen haben also den Beweis erbracht, daß sie sich aufs eingehendste mit den Verhältnissen der straf­bar gewordenen Jugendlichen vertraut zu machen verstehen. Kann man ihnen nun im Ernste die Fähigkeit absprechen, mit Erfolg auch als Richter für Jugendliche tätig zu sein, die sich in ähnlicher Lage befinden? Diese Frage wird jeder vernünftige Mensch verneinen, der dem Verlangen der Frauen gerecht denkend gegenübersteht.

Auf dem letzten Jugendgerichtstag, der in Frank­ furt   a. M. stattgefunden hat, wendeten sich denn auch mit Recht außer den meisten der anwesenden Frauen namhafte juristische Autoritäten gegen die frauenfeindliche Haltung der Regierung. So betonte der Oberlandesgerichtspräsident Hamm, wie dringend die Notwendigkeit sei, die Frauen als Jugendgerichtsschöffen zuzulassen. Er erklärte: Ich halte es für eine absolute Unmöglichkeit, Jugendgerichtshöfe zu schaffen, an denen die Frauen nicht mitarbeiten sollen." Und im Tag" vom 27. Oftober 1912 faßte der Amtsgerichts­rat Dr. Röder seine Ansicht über diese Frage dahin zu­sammen ,,, daß eine Frau, die in der Jugendfürsorge besonders erfahren ist, sich überhaupt zum Schöffen am Jugendgericht eignet, und daß der Vorsitzende des Jugendgerichtes schuld daran sein würde, wenn weibliche Schöffen ihr Amt weniger