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Die Gleichheit

gut versehen würden wie männliche Schöffen". Wie sehr die Frauen selbst sich zum Amte eines Jugendrichters befähigt und berufen fühlen, das beweisen die Unmengen von Beti­tionen, die der Reichstagskommission schon in dieser Sache zugegangen sind und in denen Frauen aus allen Gegenden Deutschlands   ihr Recht beanspruchen, als Schöffen zum Jugendgericht zugelassen zu werden.

Die Mehrheit der Kommission setzte sich jedoch über diese Wünsche der Frauen wieder hinweg. Es lagen ihr drei An­träge vor, nach denen den Frauen das Recht der Zulassung zum Jugendrichteramt völlig oder teilweise sichergestellt werden sollte. In erster Linie forderten unsere Partei­genossen: Zum Schöffenamt bei den Jugendgerichten sind auch Frauen zu berufen. An jeder Sigung eines Jugendgerichtes hat mindestens eine Frau im Schöffenamt mitzuwirken." Dieser Antrag, der klar und bestimmt for­muliert die Rechte der Frauen wahren wollte, wurde gegen die Stimmen der Sozialdemokraten, Fortschrittler und Polen abgelehnt. Ebenso erging es einem Antrag der Fort­schrittler, der ebenfalls die Frauen als Jugendgerichts­schöffen zugezogen haben wollte. Die Entscheidung lag bei den Nationalliberalen, die wieder einmal aus ihrer Halbheit nicht herauskamen. Während drei Nationalliberale überhaupt gegen die Frauen als Richter waren, wollte ein vierter Ver­treter dieser Partei einen weiblichen Schöffen wenigstens in den Fällen herangezogen sehen, in denen sich das jugend­gerichtliche Verfahren gegen ein Mädchen richtet. Aber über diesen Antrag kam es gar nicht zur Abstimmung, er galt durch die Ablehnung der prinzipiellen Forderung für erledigt, Frauen als Schöffen zu berufen.

Nachdem die Entscheidung derart in der Kommission des Reichstags bereits gefallen war, nahmen in Berlin   und in anderen Städten bürgerliche Frauenversamm­Iungen wiederum Stellung zu dieser Frage. überall be­tonten sie nochmals das Recht der Frau, auch als Richter tätig zu sein, und faßten dementsprechende Resolutionen. Mit welchem Erfolg, das zeigte sich bald darauf in der bür­gerlichen Bresse, die das Verlangen der bürgerlichen Frauen glatt ablehnte! Nur einige mehr links stehende Blätter machten eine Ausnahme. Und von ihrem Standpunkt aus haben die bürgerlichen Parteien auch ganz konsequent ge­handelt. Sie stützen nicht nur das Familienrecht auf eine Vorherrschaft des Mannes über die Frau, sondern auch das von ihnen geschaffene bürgerliche Recht. Wie unsere gesamte wirtschaftliche und politische Ordnung" trägt es das Ge präge der Vorherrschaft des Mannes über die Frau. Und daran wollen sie, die Vertreter der starken Männlichkeit", nicht rütteln lassen. Der Frankfurter   Oberlandesgerichts­präsident und Führer der Zentrumsfraktion im Reichstag, Peter Spahn  , brachte diesen Gedanken recht klar auf den Jugendgerichtstag in Frankfurt   a. M. zum Ausdruck, dem er als Vertreter der preußischen Justizverwaltung bei wohnte. Er sagte: In der Rechtsprechung übt der Staat ein Hoheitsrecht aus, und der Staat ist ein männlicher Staat. Bisher hat der Staat seine Hoheitsrechte nur durch Männer ausüben lassen. Überall, wo feine Hoheitsrechte in Frage kommen, sind uns die Frauen will­kommen, aber wo Hoheitsrechte in Frage kom. men, da ist der Punkt, wo ein Verzicht der Männer unmöglich ist. Das Urteil muß durch den Mann gesprochen werden!"

Das ist klar, bestimmt und ungeschminkt: Der Mannhat die Gewalt, er spricht das Recht! Alle anderen Gründe, die man gegen die Zulassung der Frauen zum Richteramt einwendet, sind Scheingründe. Und weil eben für den heutigen bürgerlichen Staat in dem alleinigen Recht des Mannes, das Urteil zu fällen, auch die Anerkennung und Betonung der Hoheitsrechte des Mannes über die Fran in der Familie, im wirtschaft­lichen und staatlichen Leben liegt, so behüten die Verteidiger dieser Ordnung" diese möglichst vor Durchlöcherung. Denn

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jede Durchbrechung dieser Ordmung", die auf dem Vorrecht des Mannes aufgebaut ist, kann weitere Folgen nach sich ziehen. Mit Schrecken denken die bürgerlichen Hüter der Un­verletzlichkeit dieser männlichen Herrlichkeit" an die Logik der Dinge. Hat man den Frauen erst einmal die Türen zu den Jugendgerichten geöffnet, so kann man ihnen auch nicht mehr dauernd den Zutritt zum Richteramt im allge­meinen versagen. Dann aber wird die Frau auch als Bei­fitzerin in gewerbliche und berufliche Schieds. gerichte einziehen, sie wird als ehrenamtliche und berufsmäßige Richterin zugelassen werden müssen. Und eine weitere Folge taucht hinter dem ersten Schritt" auf. Man wird die Frauen, die man so teilnehmen läßt an den Hoheitsrechten des Staates, auch mit keinem stichhaltigen Grunde mehr von den öffentlichen Wahlen aus. schließen können. So lauert hinter dem Rechtsanspruch der Frauen auf das Richteramt die Erfüllung der Forderung nach dem Frauenwahlrecht.

Das fürchten die Gegner der Frauenbewegung. Und ihre Vermutungen werden sie nicht täuschen. Mag man dem Ver­langen nach rechtlicher und politischer Gleichstellung der Frauen heute noch so sehr entgegenwirken, diese werden doch zu ihrem Rechte kommen. Dafür birgt die wirtschaftliche Entwicklung, die steigende Anteilnahme der Frau am öffentlichen Leben in der Gemeinde, im Staate und im Neiche. Und nicht zuletzt bürgen dafür die immer dichter gewordenen Reihen der Frauen, die organisiert in unserer Bewegung tätig sind. Sie werden schon mit dafür sorgen, daß allen Hemmnissen zum Troße die Frau recht bald imstande ist, als Richter an dem Schuße unserer Jugend sowie in unserer gesamten Rechtsprechung und in unseren gesetz­gebenden Körperschaften mitzuwirken.

Die Pflichtfortbildungsschule für Mädchen.

F. Z.

In Berlin   fanden am 9. März zwei sehr gut besuchte Jugendversammlungen statt mit dem Thema Fort­bildungsschule und Jugendbewegung". Die Genossinnen Blos und Wurm wiesen als Referentinnen dar­auf hin, daß Berlin   sich mit der Einführung der Pflicht­fortbildungsschule für Mädchen viel Zeit gelassen hat. Char­ lottenburg  , Frankfurt   a. M., Kassel   und viele andere Städte haben sie schon längst eingeführt. Die Pflicht­fortbildungsschule für Mädchen, die am 1. April d. J. eröffnet wird, erfüllt leider nicht alle unsere Forderungen. Daß die Töchter der Bourgeoisie vom Zwange zum Besuch der Fort­bildungsschule befreit sind, versteht sich in unserem heutigen Klassenstaat von selbst, dürfen diese jungen Mädchen doch dank der Wohlhabenheit ihrer Eltern neun und noch mehr Jahre lernen. Daß aber auch Dienstmädchen, Haustöchter und alle außerhalb eines gewerblichen oder kaufmännischen Berufes stehenden Mädchen der Fortbildungsschulpflicht nicht unterstellt sind, ist sehr bedauerlich. Die Bourgeoisie kann nicht genug darüber klagen, daß es den Hausangestellten an hauswirtschaftlichen und allgemeinen Kenntnissen mangele. Hier hätte sich nun für Berlin   eine schöne Gelegenheit ge­boten, diesem Mangel abzuhelfen. Die Dienstmädchen werden aber von der Fortbildungsschule ausgeschlossen, weil das in­dustrielle und kommerzielle Unternehmertum kein Interesse an ihrer Ausbildung hat.

Die Rednerinnen lenkten die Aufmerksamkeit der Anwesen­den ganz besonders auf den Wert des hauswirtschaftlichen Unterrichtes. Er wird für die Fortbildungsschülerinnen ohne festen Beruf die Hälfte, bei denen mit festem Beruf ein Viertel der Pflichtstunden ausmachen. Dieser Haushaltungsunter­richt war sowohl vom Deutschen   Handelstag wie von verschic denen fachgewerblichen und kaufmännischen Vereinen als eine wirtschaftliche Schädigung" der jugendlichen Arbeiterinnen hingestellt worden, weil dadurch der fachgewerbliche Unter­