Nr. 15
Die Gleichheit
lichen eine Lohnbewegung ein. Sie waren so gnädig, dem Bergarbeiterverband zu gestatten, an dieser teilzunehmen, wenn er sich gewissen von ihnen gestellten Bedingungen unterwerfen wollte. Das lehnte der Verband selbstverständlich ab. Eine Delegiertenfonferenz beschloß aber, sich trotzdem an der Bewegung zu beteiligen, falls die Christlichen entschlossen sind, einen ernstlichen Rampf mit allen seinen Folgen aufzunehmen. Dadurch sind die Christlichen nun gezwungen, zu zeigen, ob sie es nicht einfach wieder auf eine Täuschung der Arbeiter abgesehen haben.
Die Aussperrung der christlichen Metallarbeiter in Menden i. W. wurde zwar aufgehoben, die Unternehmer halten aber ihre Verpflichtungen sehr schlecht. Hunderte von Ausgesperrten wurden noch nicht wieder eingestellt.
Mit welchen Mitteln gegen die Eigenbetriebe von Arbeiterorganifationen von den Fabrikanten vorgegangen wird, dafür liefert die Fahrradindustrie einen trefflichen Beleg. Fahrräder werden in Arbeiterkreisen sehr stark abgesetzt. Um den die Ware verteuernden Zwischenhandel auszuschalten, gründete der ArbeiterRadfahrerbund eine Genossenschaft. Diese unterhält heute in Offenbach a. M. cin großes Lager mit Werkstätten und erzielte im letzten Jahre einen Umsatz von etwa 1%. Millionen Mark. Der Reingewinn des Unternehmens fließt in die Kasse des Arbeiter- Radfahrerbundes. Den Fahrradhändlern gefiel diese Konfurrenz nicht, fie glauben ein Anrecht auf den Profit des Zwischenhandels zu besitzen. Sie laufen deshalb gegen das neue Unternehmen Sturm, und da sie sonst nichts unternehmen können, so suchen sie ihm den Warenbezug abzuschneiden. Sie verpflichten die Fabrikanten, an das Unternehmen des Arbeiter- Radfahrerbundes nichts zu liefern; die Fabrikanten, die an die Genossenschaft liefern, werden von den Händlern boykottiert. Diesen Schlag müssen die Arbeiter mit denselben Mitteln parieren: Haust du meinen Juden, hau ich deinen Juden. Alle organisierten Arbeiter werden deshalb aufgefordert, dem Arbeiter- Radfahrerbund„ Solidarität“ in dem Kampfe gegen die boykottlustigen Händler zu unterstützen. Ein vom Arbeiter- Radfahrerbund herausgegebenes Flugblatt, das eine Darstellung der Sache und die Namen der boykottierenden Händler enthält, soll zur weitesten Verbreitung gebracht werden. Auch unsere Leserinnen müssen dafür sorgen, daß den bezeichneten Händlern die Lust zum Boykott vergeht.
Bum Schlusse einiges von Streikbrechern, das beweist, wie nötig diese Gesellen gesetzlichen Schutz haben. In Kassel lieferten die Herren Arbeitswilligen wieder einmal eine richtige Straßenschlacht und verletzten dabei einen Streifenden schwer durch Revolverschüsse. Die Scharfmacherpresse wollte den Borfall natürlich in das Gegenteil umlügen, erhielt aber umgehend durch unparteiische Zeugen den nötigen Dämpfer. Ein Streifbrecherkolonnenführer in Gör= lih wurde wegen Körperverlegung mit 10 Mt. Geldstrafe bedacht, obgleich er mit 15 Kumpanen nach Apachenart gewütet hatte. In Bremen verzichtete ein Arbeiter darauf, die Rolle eines Streifbrechers zu spielen. Darauf erhielt er vom Unternehmer brieflich die Aufforderung, den Gummiknüppel unverzüglich abzuliefern, sonst würde er wegen Unterschlagung zur Anzeige gebracht. Wie recht hat doch die bürgerliche Presse, wenn sie nach stärkerem gesetzlichen Schutz für die Streifbrecher winselt.
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Aus der Textilarbeiterbewegung. Der Kampf der Krefelder Färber wird in der Entwicklung der Textilarbeiterbewegung geschichtliche Bedeutung beanspruchen. Nicht nur, weil er durch seinen Umfang und voraussichtlich auch durch seine Dauer mit an erster Stelle unter den großen Lohnbewegungen der Textilarbeiter steht, sondern vor allem auch, weil er die christlichen Führer in ihrer wahren Gestalt enthüllt. Raum hatte der Kampf eingesetzt, so hing diesen der Demagogenmantel schon zerrissen von den Schultern herab und sie standen in erbärmlicher Nacktheit vor den Arbeitern da als das, was sie in Wirklichkeit sind: Unternehmervertreter, aber keine Arbeitervertreter! If der letzten Nummer der Gleichheit" haben wir schon mitgeteilt, wie die Führer des christlichen Verbandes mit dem Oberbürgermeister von Krefeld eine Vereinbarung herbeiführten, nach der der Streit der Färber und damit auch die Aussperrung als beendet erklärt werden sollte. Diese christliche Strategie war für den Deutschen Textilarbeiterverband natürlich nicht bindend, und der Kampf ging weiter. Die Bemühungen der christlichen Führer- den Streik zu brechen wurden aber fortgesetzt und haben jetzt mit offenkundigem Verrat geendet. Der Streifbruch ist von den Führern offiziell proklamiert worden. Unserer Streifleitung ging folgendes Schreiben zu: Krefeld , 1. April 1913.
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An den Deutschen Textilarbeiterverband. Von dem Zentralverband christlicher Textilarbeiter ist heute nachstehendes Schreiben bei mir eingegangen:
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„ Wir teilen Ihnen ergebenst mit, daß die unserem Verband angehörenden Färbereiarbeiter unter folgenden Voraussetzungen die Arbeit wieder aufzunehmen bereit sind:
1. Falls sich das Gerücht bestätigen sollte, demzufolge die Färbereibesizer sich nur noch eine kurze Zeit an die den streikenden Arbeitern gemachten Zugeständnisse gebunden erachten;
2. falls die Aussperrung allgemein aufgehoben wird, das heißt sämtliche Betriebe für alle Arbeiter, die arbeiten wollen, geöffnet werden."
Die Generalversammlung des Arbeitgeberverbandes der rhcinischen Seidenindustrie hat am heutigen Nachmittag beschlossen: " Auf vielfachen Wunsch aus Arbeiterkreisen und auf Anregung der königlichen Staatsregierung beschließt die Hauptversammlung des Arbeitgeberverbandes der rheinischen Seidenindustrie, daß die am 17. März eingetretene Sperre zurüdgezogen und daß der Betrieb in sämtlichen Verbandsfirmen am Donnerstag, den 3. April vormittags 7 Uhr wieder aufgenommen wird, soweit Arbeit vor= handen ist. In den Färbereien werden diejenigen Arbeiter, die sich bis zum Mittwoch, den 9. April einschließlich zur Arbeit gemeldet haben, zu den neuen Bedingungen unter Anerkennung des Tarifs eingestellt, soweit Arbeit vorhanden ist.
Bezüglich der Wiedereinstellung und Bezahlung derjenigen Arbeiter, die bis dahin nicht eingetreten sind, behält sich der Färbereiverband alles Weitere vor.
Der Arbeitgeberverband der rheinischen Seidenindustrie unterstützt ab Donnerstag, den 3. April bis auf weiteres die Arbeitgeber der Färbereien für jeden fehlenden Arbeiter mit 3 Mt. pro Kopf und Tag so lange, bis zwei Drittel der Belegschaft der einzelnen Betriebe in Stärke vor dem Streik die Arbeit wieder aufgenommen haben."
Indem ich dem Vorstand des Deutschen Textilarbeiterverbandes vorstehendes mitteile, richte ich an ihn die dringende Bitte, auch seinerseits die zum Frieden ausgestreckte Hand zu ergreifen und für die Wiederaufnahme der Arbeit einzutreten. Sollte wider Erwarten der Verband diesem Wunsche nicht entsprechen können, so habe ich doch das feste Vertrauen zu der Besonnenheit und dem Gerechtigkeitsgefühl des Vorstandes und der Mitglieder des Deutschen Textilarbeiterverbandes, daß sie das Selbstbestimmungsrecht achten und niemanden, der die Arbeit wieder aufnehmen wird, hindern und belästigen. Der Schutz derjenigen, die arbeiten wollen, ist die mir gefeßlich obliegende Pflicht, und ich bin durch den Herrn Regierungspräsidenten ermächtigt, zu erklären, daß dieser Schutz mit allen Mitteln der staatlichen Autorität durchgeführt wird. Der Oberbürgermeister.
Die Arbeiter haben schon im voraus auf dieses Schreiben die Antwort erteilt: am 1. April hat eine Färberversammlung mit 1755 gegen 7 Stimmen beschlossen, den Kampf weiterzuführen. Die christliche Organisation hat verfügt, daß ihre Mitglieder am 3. April in allen Betrieben die Arbeit aufzunehmen haben. Das ändert aber am Stande des Kampfes vorläufig gar nichts. In Anbetracht des Verrats der christlichen Führer hat der Vorstand des Deutschen Textilarbeiterverbandes beschlossen, daß allen christlich organisierten Färbern, die im Streit ausharren, unter Anrechnung ihrer Mitgliedschaft die ihnen zustehende Streitunterstützung vom Deutschen Tertilarbeiterverband gezahlt wird. Aus Krefeld wird mitgeteilt, daß von 160 streifenden christlichen Färbern 50 sich beim Deutschen Textilarbeiterverband gemeldet haben, um Schulter an Schulter mit ihren Arbeitsbrüdern weiterzufämpfen. In mehreren Fabriken, in denen sich die christlich organisierten Färber- der Streifbruchparole ihrer Führer folgend zur Aufnahme der Arbeit meldeten, sind sie wieder entlassen worden, da mit ihrer ge= ringen Zahl der Betrieb nicht aufrechterhalten werden konnte. Der Kampf wird schärfer werden, das um so mehr, als sich der Staat mit seinen Machtmitteln für die Unternehmer ins Zeug legt. 150 Gendarmen sind in das Streifgebiet beordert worden. Die Streifenden sehen jedoch im Vertrauen auf ihre Disziplin und Or ganisation dem Ausgang des Kampfes hoffnungsvoll entgegen. sk. Die Organisation der Textilarbeiterinnen in Stuttgart . Zu einer fast reinen Arbeiterinnenorganisation hat sich die Filiale Stuttgart des Deutschen Textilarbeiterverbandes entwickelt. Haben es doch die Textilfabrikanten dieses Bezirkes trefflich verstanden, die männliche Arbeitskraft so gut wie vollständig auszu schalten und sie durch die billigere weibliche zu ersehen. Der Geschäftsbericht für 1912 verzeichnet eine Zunahme der weiblichen Mitglieder von 816 auf 1212, während die Zahl der männlichen um 91, von 233 auf 142 gesunken ist. Die Frauen stellen also in der Stuttgarter Filiale gegen 90 Prozent der Mitglieder. Durch diese Umstände gewinnt ein Blick auf die Tätigkeit der Organi fation im abgelaufenen Jahre besonderes Interesse. Beweist sie