Nr. 16
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23. Jahrgang
Die Gleichheit
Zeitschrift für die Interessen der Arbeiterinnen
Mit den Beilagen: Für unsere Mütter und Hausfrauen und Für unsere Kinder
Die Gleichbett erscheint alle vierzehn Tage einmal. Prets der Nummer 10 Pfennig, durch die Poft vierteljährlich ohne Bestellgeld 55 Pfennig; unter Kreuzband 85 Pfennig. Jabres- Abonnement 2,60 Mart.
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Inhaltsverzeichnis.
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Wir sind die Kraft. Der schlimmste Feind. Von V. Selinger.- Maifeier und Arbeiterinneninteressen. Von G. H. Ein mutiger Brief. Die Erziehung der Jugend zur Wehrhaftigkeit. Von Mathilde Wurm . Warum fordern wir die Freigabe des Sonnabendnachmittags? Von Martha Hoppe.- Das Weib und der Krieg. Von Wilh. Poezel. Erdrückende Last. Von J. K. Aus der Bewegung: Von der Agitation.- Aus den Organisationen.- Politische Rundschau. Von H. B. Gewerkschaftliche Rundschau. Arbeitslosenzählung im Deutschen Tertilarbeiterverband. Von sk. -Aus der Holzarbeiterbewegung. Von fk. Genossenschaftliche Rundschau. Von H. F.
Notizenteil: Frauenarbeit auf dem Gebiet der Industrie, des Handelsund Verkehrswesens. Sozialistische Frauenbewegung im Ausland. Frauenstimmrecht. Die Frau in öffentlichen Ämtern.
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Wir sind die Kraft.
Das Brausen eines starken Sturmes geht durch das zeitgenössische Geschehen im Leben der Völker. Was es kündet, davon reden am Vorabend der diesjährigen Maifeier eindringlich zwei Ereignisse zu den ausgebeuteten Massen: das auf die Spike getriebene Wettrüsten der Staaten, das in Deutschland die Wehrvorlage geboren, der grandiose Generalstreik in Belgien , dessen Ziel das gleiche politische Recht für die Arbeiterklasse ist. Rüstungswahnsinn, der den Völkermord vorbereitet, und Generalstreik, der durch das Recht dem Volke eine Gasse bahnen soll, die dem Frieden, der Freiheit entgegenführt, scheinen die beiden nicht schärfste Gegensätze? Und doch schließt sich im Spiele und Widerspiel des vorwärtstreibenden geschichtlichen Lebens ihr Sinn zusammen und eine große, erhebende Mahnung tönt aus ihnen den Maifeiernden ans Ohr.
Entkleiden wir den Rüstungskoller all der phrasenbestickten Gewänder, mit denen ihn die Prozentpatrioten im tadellosen Gehrock oder in der betreßten Uniform behängen, die Ehrenmänner vom Schlage der Leitenden und Nußnießer der Deutschen Munitions- und Waffenfabriken Dillingen oder bei der Firma Krupp mitsamt ihren militärischen Gönnern. Was ist er dann anders als die Bescheinigung des Todesurteils, das die Geschichte über die bürgerliche Ordnung der Ausbeutung und Knechtung des Menschen durch den Menschen spricht? Das Rüstungsfieber bringt zum Ausdruck, daß dem Stapitalismus der Atem ausgeht, wenn ihm die gepanzerte Faust der Staaten nicht durch Raub und Mord neue Herrschaftsgebiete unterjocht. Daß die heutige Gesellschaft in ihrem eigenen Fette erstickt, wenn sie nicht bewußt durch Krieg und Kriegsvorbereitung vollendet, was von Zeit zu Zeit die Krise blind wütend bewirkt: die wahnwißigste Vergeudung und Vernichtung menschlicher und dinglicher Produktivkräfte. Daß es um die bürgerliche Ordnung geschehen ist, wenn ihre Sklaven sich zählen und sich nicht mehr durch das Geschrei von dem äußeren Feinde übertäuben lassen, ihren Todfeind in der Heimat zu erkennen und zu Boden zu ringen. Daß die ausbeutende und herrschende Minderheit der christlichen Staaten, der Kulturwelt ihrem goldhungrigen Machtbedürfnis zuliebe mit dem Imperialismus allen
Zuschriften an die Redaktion der Gleichbett find zu richten an Frau Klara Zetkin ( 3undel), Wilbelinsböbe, Post Degerloch bei Stuttgart . Die Expedition befindet sich in Stuttgart , Furtbach- Straße 12.
Geboten der Religion ins Antlitz schlägt, zu der sie sich mit den Lippen bekennt, alle Kulturideale zerstampft, deren sie sich rühmt, und die die kristallisierten Qualen und Seligfeiten ungezählter arbeitender, ringender Geschlechter sind.
Es klirren die schäumenden Becher, bei denen Militärs den nächsten frisch- fröhlichen" Krieg leben lassen; es jauchzt der vaterländische Chor der Kanonen- und Pulverfabrikanten, der Uniform- und Pferdelieferanten, derweilen diese Braven im stillen schmunzelnd den winkenden Profit der neuen Rüstungen nachrechnen. Inmitten des tollen Jubels aber schreibt die Wehrvorlage in Deutschland , das Gesetz über die Rückkehr zur dreijährigen Dienstzeit in Frankreich mit Riesenfaust der bürgerlichen Ordnung das Mene, mene tekel upharsin. Und mit der Schrift zusammen erscheinen an der Wand Bilder des Grausens. Die Schädelstätten, mit denen der Imperialismus in trunkener Gier seit weniger als zwanzig Jahren seit dem Japanisch- Chinesischen Kriegedie Erde von den Philippinen bis zum Balkan übersät hat. Die weiten Schlachtfelder, auf denen der drohende Weltkrieg die zerfetzten Leiber der Toten und Verwundeten auftürmen wird, und ihr Gegenstück: die armseligen Wohnungen- Hunderttausende und aber Hunderttausende!, in denen Mütter, Witwen, Waisen weinen. Hat die Marokkoaffäre, haben die internationalen Reibungen um Durazzo , das„ Fenster am Adriatischen Meere", nicht scharf genug beleuchtet, daß es an einem Haare hing, und die Profitlüsternheit winziger Minderheiten hätte den Anstoß dazu gegeben, die Völker Europas wie Viehherden zur Schlachtbank zu schleifen?
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Jedoch neben der Furcht der Völker steht ihre Hoffnung. Der. gewissenlosen Barbarei des Imperialismus ist ein verantwortungsvoller, kultursehnsüchtiger Todfeind erstanden: das klassenbewußte Proletariat. Wann und wo die Gefahr des Weltkriegs emporzuzüngeln begann, da war es seine starke Hand vor allem, die dem Unheil wehrte. Der Profit, der Gott der kapitalistischen Welt, hezt die Ausbeutercliquen und die herrschenden Klassen der einzelnen Länder gegeneinander. Aber gegen seinen Willen muß er die Ausgeplünderten der ganzen Welt vereinigen zum Kampfe gegen alles, was kapitalistischen Wesens ist. Nicht harthörigen Seelen ist seit nun 24 Jahren bei der Maifeier das hohe Lied gepredigt worden von der Brüderlichkeit der Proletarier aller Länder, dem Felsen, der den Weltfrieden trägt. Das bezeugen die Demonstrationen des Volkes der Arbeit in kriegsschwangerer Stunde, und das hat der internationale sozialistische Kongreß zu Basel feierlich besiegelt, diese Kundgebung eines gewaltigen internationalen Massenwillens, deren Bedeutung alle Veranstaltungen bürgerlicher Friedensfreunde die interparlamentarische Konferenz zu Bern inbegriffen zierliche Nippsachen neben einem stolzen Dome erscheinen läßt.
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wie
Lenkt so der Imperialismus den Blick auf die Sprünge und Risse am Bau der bürgerlichen Ordnung, die künftige Nuinen prophezeien, so zwingt er nicht minder die Aufmerksamkeit auf das neu emporblühende geschichtliche Leben. Die