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Die Gleichheit

Frauenbewegung in Stettin   und insbesondere die Entwick­lung der Leseabende. Sie brachte sicher die allgemeine über zeugung der Genossinnen zum Ausdruck, als sie ausführte, daß zweifellos ein noch kräftigeres Fortschreiten zu erwarten sei, wenn in Pommern   gleich wie in Schlesien   eine Sefre­tärin angestellt werde. Dieser Gedanke wurde von Genossin 3yliegan begeistert unterstützt, sie fügte noch hinzu, daß die Sekretärin so bald als nur möglich angestellt werden möchte. Die Unterzeichnete ging zum Schluffe nochmals auf alle Gesichtspunkte ein, die während der Debatte berührt wor­den waren. Sie erklärte gleichfalls, daß ihrer Meinung nach feineswegs zwanzig Jahre zu verstreichen brauchten wie ein Zwischenrufer gemeint hatte, um die Vorbedingungen für die Anstellung einer Sekretärin zu schaffen. Es liege in der Hand jedes einzelnen, alles zur Förderung der Frauen­bewegung zu tun, damit diese recht bald die Höhe erreiche, die die Anstellung einer Sekretärin für den Bezirk vollauf recht­fertige. Mit dem Wunsche, daß die Konferenz zum weiteren Aufschwung der Frauenbewegung in Pommern   beitragen möge, und mit einem Hoch auf die Sozialdemokratie fand die äußerst anregende Tagung ihr Ende. Die Genoffinnen Juchacz   und Leu sind zurzeit in dem Bezirk agitatorisch tätig gewesen und werden über die Ergebnisse ihrer Arbeit selbst berichten. Auf allen Konferenzen wurde selbstverständ­lich auf das nachdrücklichste betont, wie wichtig und unent­behrlich zur Schulung der Genossinnen das Studium der ,, Gleichheit" ist, die in den Bezirken, über die wir heute berichten, den Genossinnen obligatorisch geliefert wird. Ferner wurde empfohlen, die Broschüren der Sozial. demokratischen Frauenbibliothek den Genos­finnen billiger zugänglich zu machen, indem der Bezirk sie in mindestens tausend Exemplaren bezieht. 42. 3iez. bid 306 Hanapini

Kommunale Mitarbeit der Frau in Bayern  .

In Bayern   hat endlich die Frau Zutritt zum Rathaus er­halten, um an den kommunalen Aufgaben mitzuarbeiten. Die Forderung der Sozialdemokratie: Mitwirkung der Frau bei allen Gemeindeangelegenheiten, ist somit zum Teil anerkannt und erfüllt worden. Die Frauen in Bayern   und namentlich Die Anhängerinnen der Sozialdemokratie gaben in ihrer Forde­rung nicht nach. Sie bombardierten den bayerischen Landtag mit Petitionen, in den Rathäusern wurde das Verlangen un­ermüdlich von den sozialdemokratischen Gemeindevertretern er­hoben. Auf die Dauer konnte der Erfolg nicht ausbleiben.

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Das erste Gebiet kommunaler Tätigkeit, das den Frauen in Bayern   geöffnet wurde, war das der Armenpflege. Die ministerielle Entscheidung dazu vom 7. August 1909 begründet die Neuerung unter anderem wie folgt: Die günstigen Er­fahrungen, die insbesondere in außerbayerischen Gemeinden mit der Mitwirkung von Frauen bei der öffentlichen Armen­pilege gemacht worden sind, lassen es wünschenswert er­fcheinen, daß auch die Gemeindebehörden und Armenpfleg schaftsräte in Bayern   dieser Mitwirkung in weitergehendem Maße sich bedienen. Eine gesetzliche Regelung dieser An­gelegenheit soll später bei einer eingeleiteten weitergehenden Änderung der Armengefezgebung durchgeführt werden." In­dessen so betonte der Erlaß ausdrücklich auch schon nach dem geltenden Rechte sind die Gemeinden und Armenpfleger nicht gehindert, Frauen zur geordneten Mitwirkung bei der öffentlichen Armenpflege heranzuziehen. Insbesondere besteht die Möglichkeit, je nach den örtlichen Verhältnissen für die ganze Gemeinde oder einzelne Gemeindebezirke Hilfsarmen pflegerinnen mit einem näher zu bestimmenden Wirkungs­freis usw. mit beratender Stimme beizuziehen. Das Mini­fterium erklärte ferner: Eine Mitarbeit der Frauen wird insbesondere da veranlaßt und erfolgreich sein, wo es sich um Unterstützung oder Verpflegung bedürftiger weiblicher Per sonen oder von Kindern handelt- überhaupt in allen Fällen, in denen der Natur der Sache nach eine Frau

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ein größeres Verständnis mitbringt und daher auch mehr Vertrauen und Erfolge zu erwarten hat als ein Mann." Den Gemeinden und Armenpflegschaftsräten ward daher nahegelegt, unter Würdigung der örtlichen Ver­hältnisse die Mitarbeit der Frauen bei der Armenpflege in Erwägung zu ziehen. Sofern von dieser Befugnis in einer Gemeinde Gebrauch gemacht wird, ist von der Distrikts­verwaltungsbehörde hierüber an das Staatsministerium des Innern zu berichten, ebenso auch über die im Laufe der Zeit gemachten Erfahrungen. dining

Die längst für ihr Wirken gerüsteten Frauen nahmen nun bald ihre Tätigkeit als Helferinnen bei der Armenpflege auf. Sie wurden feierlich in ihr Amt eingeführt. Der Bürger­meister oder sein Stellvertreter verpflichtete im Rathaussaal durch Handschlag die Frauen, thr neues Amt gewissenhaft und zum Wohle der Gemeinde auszuüben. Die Zahl der Frauen, die in der Armenpflege mitarbeiten, beträgt zurzeit mehrere hundert, darunter viele Vertreterinnen der Sozial­demokratie. In den Städten München   und Nürnberg   allein sind je über 60 Frauen als Helferinnen in der Armenpflege tätig. Auch zu den Verwaltungsarbeiten der Armenräte wur­den die Frauen herangezogen. Sie figen als Mitglieder in den Ausschüssen für Armenanstalten, für Beschaffung von Klei­dung und Heizmaterial, für Beschaffung von Nahrungsmitteln usw. Der lette veröffentlichte Verwaltungsbericht der Stadt Nürnberg   meldet unter dem Kapitel Armenpflege von einer neuen Einrichtung, die die Mitwirkung der Frauen beleuchtet. Es handelt sich um die Kinderfürsorge in einem Armenhaus. Die Notivendigkeit einer derartigen Kinderfürsorge war von einer Genossin empfohlen worden, die Mitglied des Verwal­tungsausschusses für Armenanstalten ist. Der Verwaltungs­bericht sagt über die Einrichtung: Es hat sich gezeigt, daß die Kinder der in Armenhäusern untergebrachten Familien nicht ordentlich erzogen und insbesondere sehr mangelhaft

beaufsichtigt werden. Um diesen Übelſtänden entgegenzutreten

und eine Verwahrlosung der Kinder zu verhüten, wurde in einem entsprechenden Raume des bezeichneten Armenhauses die Kinderfürsorge errichtet und zur Überwachung und Be­lehrung der Kinder eine Kindergärtnerin aufgestellt. Die Fa­milien mit Kindern werden nur noch in diesem Armenhaus untergebracht. Nach den bisherigen Beobachtungen hat sich diese Einrichtung sehr gut bewährt."... Und die Kindergärtnerin berichtet: Die Kinder waren früher sich selbst überlassen, sie drückten sich in Gängen des Armenhauses( einer früheren Fron­feste) oder auf der Straße herum und mußten so einer ge­wissen Verwahrlosung entgegengehen. Nunmehr werden die Kinder von zwei bis zwölf Jahren, deren Mütter tagsüber außer dem Hause beschäftigt sind, unter Aufsicht gestellt. Die Kleinen werden vormittags zum Spielen und zu rein prak­tischen Sachen, wie Staubwischen im Spielzimmer usw., an­gehalten, um das Reinlichkeitsempfinden zu pflegen. Nach­mittags nach der Vesperpause werden Schulaufgaben gemacht und dann gespielt oder vorgelesen oder gearbeitet. Der Ge­sundheitsstand der Kinder war schon innerhalb drei Monaten verhältnismäßig durchaus befriedigend. Die Innehaltung einer gewissen Ordnung und Regelmäßigkeit, sowie der möglichst häufige Aufenthalt in frischer Luft haben sehr vorteilhaft auf das Aussehen der Kinder gewirkt."

Aber nicht nur in der Armenpflege, sondern auch in der Waisenpflege und Säuglingsfürsorge sind Frauen zur Mitarbeit herangezogen worden. Es geschah dies auf Grund einer Aufforderung des Magistrats in einzelnen Städten. In der Säuglingsfürsorge wurden dank der Mitarbeit von Frauen wesentliche Neuerungen eingeführt: Neben unentgeltlicher ärzt­licher Behandlung von Kindern kostenlose Verabfolgung von Säuglingsmilch, auch Schwangerenunterstützung. In Nürnberg  wurde die Bertreterin der Sozialdemokratie, als Verwaltungs­mitglied des Ausschusses für Säuglingsfürsorge, beauftragt, Frauenversammlungen einzuberufen, in denen Ärzte und eine Arztin über das Thema Mutter und Kind" sprachen. Die Kosten trug die Stadt.