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Nr. 17

Die Gleichheit

Stellung der Frau im Zeichen der Teuerung und der Kriegsgefahr" sprach. Die Referentin behandelte ihr Thema in trefflicher Weise, so daß es auch den einfachsten Frauen flar wurde, wie wichtig es ist, daß sie mit der Sozialdemokratie zusammen gegen Teue­rung, Rüstungswahnsinn und Kriegsgefahr fämpfen. Der Vor­trag brachte es scharf zum Ausdruck, daß der ausbeutende Kapi­talismus auch die Wurzel dieser übel ist. Genossin Agnes schloß mit dem Mahnruf an die Frauen, fich auch politisch zu organi­fieren. Diese Mahnung ging zu Herzen, wie sie von Herzen fam. It Die Versammlung brachte uns 20 neue weibliche Mitglieder und II eine anschließende Hausagitation noch 12, so daß die Zahl der or­#ganisierten Genoffinnen von 63 auf 95 gestiegen ist. Wir hoffen,

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daß dieser Fortschritt dazu beiträgt, uns immer mehr Frauen zuzuführen, die zurzeit der Sozialdemokratie noch fernstehen. Das erste Hundert weiblicher Mitglieder muß bald auch in der schwarzen Ecke des Westerwaldes erreicht werden. Agitieren wir!

Rosa Hubert.

Aus den Organisationen. Die Folgen der Bethmannschen be­währten Wirtschaftspolitik öffnen immer mehr Proletarierfrauen die Augen, treiben sie in immer größeren Scharen in die Reihen der Sozialdemokratie. Mit Eifer suchen die Parteileitungen vieler Wahlkreise die der Organisation zuströmenden Frauen tiefer in die Ideen des Sozialismus einzuführen und damit die Partei innerlich zu stärken. Planmäßig ausgebaute Bildungsgelegenheiten werden zu diesem Zwecke geschaffen. In Hamburg , Wilhelmsburg und Harburg dienen regelmäßige Veranstaltungen der sozialisti­fchen Schulung der Frauen. Es finden Vortragszyklen statt, die der besonderen Stellung und Veranlagung der Frau angepazt find, die ihre Vorbildung und ihre speziellen Interessen berüd­fichtigen und in denen der Sinn für höhere Fragen geweckt wer­den soll. Die 3entraltommission für das Arbeiter­bildungswesen in Hamburg hat im letzten Vierteljahr drei solcher Vortragszyklen jeder drei Vorträge umfassend- in den verschiedenen Stadtteilen abhalten lassen. Drei Vorträge int Februar: Aus der Praxis der Kindererziehung" mit den Unter­abteilungen: Die Entwicklung des Willens" und" Die Entwick­lung des Charakters" waren eine Ergänzung der Veranstaltungen im November vorigen Jahres über:" Die geistige Entwicklung des Kindes mit Anwendung auf die Erziehung". Diese Vorträge wur­den von einer erstklassigen pädagogischen Kraft abgehalten und führten in trefflicher Weise die 500 Teilnehmer

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in das wichtige Gebiet der Erziehung ein. Im Januar fanden drei Vorträge in Eimsbüttel statt über:" Die geschichtliche Entwicklung der Frauenfrage". Sie waren gleich gut besucht. Dieser 8yklus wurde im zweiten Hamburger Wahlkreis wiederholt. Außerordentlich gute Aufnahme wurde den drei medi­zinischen Vorträgen in Barmbeck zuteil, die ein Arzt abhielt. Sie behandelten Frauenleiden" und dürften vermutlich auch in anderen Distrikten beziehungsweise Wahlkreisen wiederholt wer­den. Das Interesse, das die Genoffinnen diesen wissenschaftlichen Worträgen entgegenbringen, ist in der Hauptsache die Wirkung der Borarbeit, die in den monatlichen Frauenbildungs­und Diskutierabenden geleistet wird, sowie der hier mit besonderem Nachdruck betriebenen Propaganda für alle Veranstal­tungen der Zentralbildungskommission. Für die Genossinnen in Wilhelmsburg und Harburg sind im März und April drei beziehungsweise vier Vorträge abgehalten worden über das Thema: Was will die Sozialdemokratie?" Vortragende war Ge­noffin Brandenburg. Auch diese Zyllen erfreuten sich sehr regen Interesses und guten, regelmäßigen Besuches, der in Wil­ helmsburg im Verlauf der Vorträge sogar noch eine fleine Steigerung erfuhr. In der letzten Versammlung zu Harburg richteten ein Genosse und die Genossin Leverena an die Ge­nofsinnen anfeuernde Worte, die der Beteiligung am Landtags­wahlkampf galten. Mit Begeisterung erklärten sich die Versam­melten bereit, in diesem Kampfe ebenso rührig und ausdauernd auf dem Posten zu sein wie im Reichstagswahlkampf. Der Eifer & der Frauen, sich politisch zu betätigen, ist eine Frucht der fleißigen Meinarbeit in den letzten Jahren. Die Harburger Partei­it leitung hat seit einiger Zeit eine weibliche Hilfskraft im Parteisekretariat angestellt, ein begrüßenswerter Fort­schritt, der für die Zukunft sichere Erfolge verspricht. Der fraft­bolle Aufschwung der Frauenbewegung in dem industriell so hoch entwickelten Harburg wird das bestätigen.

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e. g.

Aus Schwarzburg- Rudolstadt . In dem schönen Ländchen, wo biele Tausende alljährlich Erholung und Ruhe finden, wo in­mitten der herrlichen Naturschäze Not und Elend unter der werk­tätigen Bevölkerung herrscht, wo eine sozialdemokratische Mehr­heit im Landtag fizzt, find in letzter Zeit auch die proletarischen

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Frauen aufgestanden, sich mit zu beteiligen am Kampfe um Menschenrechte. Der Wanderer oder Sommerfrischler, der nur durch die Wälder schweift, der nur die Bade- und Luftkurorte besucht, ahnt nicht, welche Not in den Häuschen wohnt, die so malerisch an den Bergabhängen Heben. Stundenweite Wege haben die Arbeiter zurückzulegen, die in der Schieferindustrie ihren fargen Verdienst finden. Viele von ihnen sind nur Sonn­tags zu Hause. Das gleiche gilt auch vielfach für die Arbeiter der Porzellan- und Holzindustrie. Die ganze Woche über ist die Frau mit ihren Kindern auf sich selbst angewiesen. Aber sie kann ihre Arbeitskraft durchaus nicht lediglich dem Haushalt widmen, fie muß durch Heimarbeit der Not der Familie zu steuern suchen. Sie malt, gießt, macht Zigarrenspiken, Puppen und vieles andere, wobei auch die Kinder mithelfen müssen. Wo c3 möglich ist, geht die Frau in die Fabrik. Die schwerste Arbeit beginnt für die Frau im Frühjahr, wenn sie das gepachtete oder getaufte Stückchen Feld zu bestellen hat. Man muß die Frauen gesehen haben, wie sie an den steilen Abhängen den steinigen Boden bearbeiten, den Dünger auf dem Rüden hinaufschleppen, mit Hacke und Spaten hantieren, um im Herbst die magere Ernte nach Hause tragen zu können. Soweit es nicht verboten ist, wird neben all der Arbeit noch Holz gelesen, werden Beeren und Pilze gesammelt, furz die Frau führt im Thüringer Wald einen harten Kampf ums Dasein. Kartoffeln, Fett, Brot und Kaffee sind die Hauptnahrungsmittel der Proletarierfamilie, Ce­müse und Obst gehören zu den Seltenheiten, auch Fleisch kommt nicht häufig auf den Tisch. Die Männer haben sich seit einigen Jahren der gewerkschaftlichen und politischen Organisation ange­schlossen und in zähem und schwerem Ringen sich ein flein wenig bessere Arbeitsverhältnisse erobert. Bei den Frauen aber hielt es schwer, sie für unsere Bestrebungen zu gewinnen. Durch Beharr lichkeit und Ausdauer in der Agitation ist es jedoch gelungen, hierin Wandel zu schaffen. Voriges Jahr konnte berichtet werden, daß sich endlich 109 Frauen in 7 Ortsgruppen der sozialdemo­tratischen Organisation angeschlossen hatten. Bis zum 31. März 1913 ist die Zahl der weiblichen Parteimitglieder auf 520 ge­stiegen, die sich auf 21 Ortsgruppen verteilen. Zu diesem schönen Erfolg trug sehr viel die Agitationstour bei, die Genoffin Reichert Berlin im Winter bei uns unternahm. 17 Ver­sammlungen wurden dabei in drei Wochen abgehalten. Eine große Anstrengung für eine Städterin, denn in den Bergen heißt es marschieren, um von einem Ort in den anderen zu kommen, was im Sommer in Thüringen ein Vergnügen, aber im Winter bei den schlechten Wegverhältnissen eine Qual ist. Genoffin Reichert verstand es meisterhaft, die Frauen zu überzeugen, daß ihr Platz in den Reihen der Sozialdemokratie sein muß; in vielen Fällen gelang es ihr auch, bisher noch gleichgültige Män­ner zu gewinnen. über 400 neue Mitglieder wurden in den meist gut besuchten Versammlungen geworben. Es zählen beim Jahres­schluß weibliche Mitglieder die Ortsgruppen: Rudolstadt £ 8, luterweißbach 50, Schlotheim 49, Bad Blanken= burg 40, Stadtilm 40, Frankenhausen 34, Glas­bach- Obstfelderschmiede 28, Neuhaus 25, Jchstedt 23, Volkstedt 21, Scheibe 19, Königsce 18, Ober­ weißbach 15, Seehausen 13, Meuselbach 12, a- hütte 10, Gräfinau 9, Cumbach 7, Mellenbach 3, Schaala 3 und Schwarza 3. Die weiblichen Mitglieder cr­halten bei einem monatlichen Beitrag von 20 Pf. die Gleichheit" unentgeltlich geliefert, und allen Ortsgruppen ist geeignetes Ma­terial zu Lese- und Vortragsabenden zur Verfügung gestellt. Eo ist zu hoffen, daß durch fleißige Mitarbeit der führenden Ge nossen die proletarische Frauenbewegung in Schwarzburg- Rudol­ stadt eine schöne Entwicklung nehmen wird. E. O. R.

Politische Rundschau.

Der Reichstag ist in die Pfingstferien gegangen. Zum großen Schmeze unserer Patentpatrioten, die sich zu einem erheblichen Teil mit den Vertretern der Rüstungsinteressenten decken, che cr die Wehr vorlage erledigt hat. Wenn es nach den journa listischen Kulis der Panzerplatten-, Kanonen-, Pulverfabrikanten und anderer Armeelieferanten, nach den Generälen z. D. und a. D. und einigen freifonservativen und rechtsnationalliberalen Reichs­tagsabgeordneten ginge, dann hätte der Reichstag, um sich des " großen Moments" würdig zu zeigen, die ungeheuerliche Heeres­vermehrung ohne mit der Wimper zu zuden, ohne jede Prüfung und Debatte durch alle drei Lesungen im Handumdrehen bewil­ligen müssen. Dieser schöne Plan wäre natürlich schon an dem