Nr. 19
Die Gleichheit
Damen , die schon lange im glühenden Sonnenbrand ausgeharrt haben, fallen in Ohnmacht. Sanitätsbeamte schaffen sie beiseite. Die übrigen aber stehen wie eine Mauer. Unerschütterlich, unerbittlich, zum äußersten entschlossen.
Da ein neuer Vorstoß! Ein zweiter Polizeifordon ist durchbrochen, und nun schwenkt die Spike des Zuges nach rechts. Warum nach rechts? Links steht das Abgeordnetenhaus! Nach links, meine Damen! Man wird Sie von Ihrem Ziele abdrängen.
Nein, es bleibt eine Rechtsschwenkung. Man stürmt die Rampe des Kunstgewerbemuseums.
Und jetzt fällt es uns wie Schuppen von den Augen. Wie fonnten wir uns nur durch die Erinnerung an die Demonstration vom Januar 1908 so irreführen lassen? Wie konnten wir nur vergessen, daß in diesen Tagen das Kunstgewerbemuseum das Sehnsuchtsziel der Bourgeoisdame und der Kleinbürgerfrau ist, das Kunstgewerbemuseum, in dem der Unterrod gezeigt wird, den die Tochter Wilhelms II. bei der Hochzeitsfeier trug?-
Hoffentlich haben wenigstens ein paar Kinematographen die große Szene aufgenommen. Die Films können auf dem internationalen Kongreß der bürgerlichen Frauenstimmrechtsorganisationen in Budapest vorgeführt werden. Die deutschen Damen zeigen dann der Welt, wie das Material aussieht, mit dem sie das Recht der Frau" zu erkämpfen gedenken. Rud. Breitscheid.
Aus der Bewegung.
Von der Agitation. Die Zahlstelle Dresden des Fabrik. arbeiterverbandes entfaltete in den letzten Monaten eine rege Agitation, um neben den Arbeitern auch die Arbeiterinnen, und namentlich die jugendlichen Arbeiterinnen, für die Organi= sation zu gewinnen. Im Rahmen dieser Werbearbeit hielt die Unterzeichnete 12 Versammlungen ab, die bis auf 2 recht gut be= sucht waren. Den Versammlungen schloß sich am darauf folgenden Sonntag eine erfolgreiche Hausagitation an. In allen Versammlungen tamen in der Diskussion immer wieder die Klagen zu Gehör über unzureichende Löhne, schwere Arbeit, unwürdige Behandlung, übertretung der Arbeiterschutzbestimmungen, das Fehlen von Schutzvorrichtungen an den Maschinen sowie von Garderoben, Waschgelegenheiten und Speiseräumen, unzulängliche Abortanlagen usw. Solange die Arbeiterinnen in ihrer großen Masse der Organisation noch gleichgültig gegenüberstehen, werden diese Klagen nicht verstummen. Die Ausbeuter werden sich zu einer Besserung der Arbeitsbedingungen ohne Not nicht bequemen, nur dem Drucke der zusammengeschlossenen Arbeiterschaft werden sie sich fügen. Auch für den Verband der Blumenarbeiter fand eine Versammlung in Groß- 8schach wiz statt, die ebenso gut besucht war wie eine für die in den Brauereien Dres= dens beschäftigten Arbeiterinnen. Der Förderung der Jugend= bewegung galten Mitgliederversammlungen in Pieschen , Mügeln Dohna, Radeberg , Pirna und Radebeul . Der Bildungsausschuß für Mügeln - Dohna veranstaltete cine Konfirmandenfeier, bei der 800 Teilnehmer gezählt lourden, und die einen glänzenden Verlauf nahm. Unsere Jugend bewies, was sie in einem Jahre der Organisation geleistet hat. Bu gleicher Zeit hielten auch der Jungdeutschlandbund( Pfadfinder) und der Herr Pastor Konfirmandenfeiern ab. Frauenbersammlungen fanden statt in Mügeln , Birna, Sporbiz, Gommern , Groß- Luga, Groß- 3schachwiz, Meußliz, Riesa , Freiberg , Cotta. Ferner Mitgliederversammlungen in Gohrisch bei Königstein und in Röhrsdorf. Die zahlreich erschienenen Frauen lernten in diesen Versammlungen unsere Partei als die Verfechterin der Rechte der Unterdrückten kennen. So geht es trotz aller Anstrengungen unserer Gegner vorwärts. Die Not der Zeit zwingt die Proletarierinnen zum Nachdenken. Sozialistische Aufklärung dringt immer weiter in ihre Reihen ein.„ Wissen ist Macht", ist ein Kampfruf unserer Partei, unter dem wir der Morgenröte einer neuen Zukunft entgegenschreiten.
-
=
M. W.
Aus den Organisationen. In Riesa gewinnt unsere Bewegung unter den proletarischen Frauen ständig an Boden. Zurzeit zählt die hiesige Ortsgruppe der Partei bereits 152 weibliche Mitglieder. Fast jeden Monat findet eine Frauenzusammenkunft statt. An der letzten nahmen 34 Genoffinnen teil. Zunächst wurden drei
297
Telegierte zu der Frauenkonferenz in Weinböhla gewählt. Dann hielt Genosse Jurmann einen Vortrag über Ferien wanderungen . Er betonte, daß die Arbeiter bei diesen Veranstaltungen selbständig vorgehen müßten und sich nicht von den Bürgerlichen ins Schlepptau nehmen lassen dürften, die es dabei doch immer auf eine Bekämpfung unserer Bewegung abgesehen hätten. Es wurde beschlossen, jede Woche in den Ferien eine Wanderung mit den Kindern zu veranstalten. Auf diesen Wanderungen soll den Kindern Milch verabreicht werden gegen Erstattung von 10 Pf. sowie auch unentgeltlich an solche Kinder, denen die Eltern kein Geld geben können. Mehrere Genossinnen haben sich erboten, an den Ausflügen teilzunehmen, auch wird immer ein Genosse bei diesen zugegen sein. Vor einiger Zeit schon war vom Agitationskomitee, dem die Genossinnen Wachtel , Thielemann und Rosenberger angehören, der Vorschlag gemacht worden, an den Frauenabenden Wirtschaftsfragen zu besprechen und dabei praktische Winke zu geben. Man hofft dadurch das Interesse der Frauen für unsere Bewegung noch mehr zu fördern. Genossin Wachtel erklärte nunmehr, es hätten sich Genoffinnen zur Leitung solcher Veranstaltungen bereit erklärt, mit denen bereits bei der nächsten Frauenzusammenkunft begonnen werden soll. Genosse Jurmann gab noch verschiedene Anregungen für die Abende. Hoffentlich wird nun die nächste Zusammenkunft von unseren weiblichen Mitgliedern stärker besucht werden, als das bisher der Fall war. Frida Flämig.
Die erste Frauenkonferenz des siebten sächsischen Reichstagswahlkreises tagte am 18. Mai in Weinböhla . 33 Genossinnen, die insgesamt 900 weibliche Parteimitglieder vertraten, waren zu ihr entsandt worden von den Ortsgruppen Meißen , Riesa , Großenhain , Gröba, Brodwit, Weinböhla , Gruben, Niederau , Groptik, Röderau, Grödel, Merschwitz. und Nie schü z. Der Kreisvorsitzende Genosse Scherffig= Meißen eröffnete die Tagung. Auf seinen Vorschlag, die Leitung der Konferenz einer Genoffin zu übertragen, wurde Genossin Schmieder- Weinböhla mit diesem Amte betraut. Genofsin Wachtel- Riesa hielt einen Vortrag über die Frage: Wie fördern wir die Frauenbewegung im fiebten Kreis?" Die Rednerin knüpfte an das Referat der Genossin 8ieb auf der Frauenkonferenz in Dresden an und erörterte die verschiedenen Wege und Mittel der Agitation und Organisation, wobei sie sich auf die in der Bewegung gemachten Erfahrungen stüßte. Ihre Ausführungen wurden durch den Kreisvorsitzenden ergänzt, worauf eine sehr leb= hafte Aussprache einseite. Aus fast allen Ortsgruppen berichteten die Delegierten über die Erfahrungen bei der Organisations- und Agitationsarbeit und gaben Anregungen und Winke für weitere erfolgreiche Tätigkeit. An den Orten, in denen Diskutierabende für die weiblichen Parteimitglieder noch nicht bestehen, sollen solche möglichst bald eingerichtet werden. Durch Einladen mittels Handzettel zu diesen Abenden sind gute Erfolge erzielt worden. Doch sollen sich die Genossinnen trotzdem verpflichtet fühlen, Nach barinnen und Freundinnen noch besonders mündlich einzuladen. Die Vorträge an den Diskutierabenden sollen nicht länger als eine halbe Stunde dauern, hierauf soll über das Gehörte diskutiert werden. Gut besucht waren solche Abende, an denen nach dem belehrenden Vortrag noch künstlerische Literatur, zum Beispiel von Anzengruber, Rosegger und anderen zu Gehör gebracht wurde. Wenn die Veranstaltung von Vorträgen nicht möglich ist, so werden diese am besten ersetzt durch Vorlesen aus der„ Gleichheit" oder anderen aufklärenden sozialistischen Schriften mit anschlie Bender Diskussion. Wo Gelegenheit besteht, kann auch Handarbeitsunterricht eingeführt werden, doch darf das eigentliche Ziel der Diskutierabende, die sozialistische Schulung der Frauen, darunter nicht notleiden. Damit die Genoffinnen in Fühlung mit dem Vorstand ihrer Ortsgruppe bleiben, soll ein Genosse aus dem Vorstand an den Diskutierabenden teilnehmen, keineswegs aber zur Überwachung, sondern um Rat zu geben und Wünsche in Empfang zu nehmen. Die Leitung der Abende soll möglichst in der Hand einer Genoffin liegen. Die Ausgestaltung der Frauenabende wird am besten einent Ausschuß von Genoffinnen überlassen, der auch die Vorarbeiten zu öffentlichen Frauenversammlungen zu leiten hat. Die Mitwirkung der Frauen in den Kinderschuhtommissionen ist unbedingt notwendig und sollte überall zur Tatsache werden. Die Ferienwanderungen mit den Kindern sind als gutes Agitationsmittel zu betrachten und zu pflegen. Die Genoffinnen von Stie sa regten an, es solle die Wahl einer Genoffin in den Kreisvorstand und später in den Landesvorstand angestrebt werden. Weiter sprachen sie sich für Lehrfurse zur Ausbildung von Leiterinnen für die Frauenabende aus, da es an geeigneten Kräften noch stark mangle. Auf den von