Nr. 20

23. Jahrgang

Die Gleichheit

Zeitschrift für die Interessen der Arbeiterinnen

Mit den Beilagen: Für unsere Mütter und Hausfrauen und Für unsere Kinder

Die Gleichheit erscheint alle vierzehn Tage einmal. Preis der Nummer 10 Pfennig, durch die Post vierteljährlich ohne Bestellgeld 55 Pfennig; unter Kreuzband 85 Pfennig.

Jahres- Abonnement 2,60 Mart.

Stuttgart  25. Juni 1913

Zuschriften an die Redaktion der Gleichheit find zu richten an Frau Klara Zetkin  ( 3undel), Wilhelmshöhe, Post Degerloch bei Stuttgart  . Die Expedition befindet sich in Stuttgart  , Furtbach- Straße 12.

Am 11. Juni wurde in Norwegen   vom Storthing einstimmig und ohne Debatte die Ein­führung des allgemeinen politischen Frauenwahlrechts beschlossen. Möchte diese Tat der Gerechtigkeit norwegischer Männer helfen, daß auch ihr, Genofsinnen im Ausland, bald euer Recht erlangt und für den internationalen Sozialismus nützen könnt.

Für den Frauenverband der norwegischen Arbeiterpartei: Fernanda Nissen  , Christiania  .

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Inhaltsverzeichnis.

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Die Massen heraus! Die Tätigkeit der Frau in der Gemeinde. III. Von Anna Blos  . Die Wahl der Entrechteten. Von H. B.- Die Tariferneuerung im Baugewerbe. Von A. Ellinger. Für unsere Jugend. Von Jürgen Brand. Die Neuwahlen in Finnland   und die Arbeiterinnen. Von Hilja Pärssinen. Zwei Tagungen von Vereinigungen für Mutterschuß. Von a. n. Aus der Bewegung: Von der Agitation. Aus den Organisationen. -Politische Rundschau. Von H. B.- Gewerkschaftliche Rundschau. -Aus der Textilarbeiterbewegung. Bon sk. Genossenschaft­liche Rundschau. Von H. F. Notizenteil: Dienstbotenfrage. Frauenarbeit auf dem Gebiet der Industrie, des Handels- und Verkehrswesens.- Fürsorge für Mutter und seind. Frauenbewegung.- Frauenstimmrecht. in öffentlichen Ämtern. Verschiedenes.

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Die Massen heraus!

Die Frau

In jüngster Zeit haben zwei bedeutsame Ereignisse blizes­hell die Bedingungen beleuchtet, unter denen das Proletariat heute gegen den Kapitalismus für seine Befreiung kämpft, und die erhöhten Anforderungen, die der Ernst der geschicht­lichen Stunde an seine revolutionäre Energie und Ent­schlossenheit stellt. Es sind dies die Wehrvorlage mit ihrem Drum und Dran und die preußischen Landtagswahlen.

gerichtsbarkeit des Militarismus aus Kämpfern für die Be­freiung ihrer Klasse in mordbereite Schüßer der bürgerlichen Ordnung verwandeln. Um das Maß voll zu machen, verhöhnt die Wehrvorlage die Entbehrungen, den Hunger der ausge­beuteten Massen. Sie bewirkt ein Steigen der Rüstungslast, deren phantastische Kosten auf die Dauer unmittelbar oder mittelbar doch allein aus den Habenichtsen herausgeschunden werden.

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So freventlich die Wehrvorlage ist gemessen an den Inter­essen der Arbeiterklasse, so sicher war ihr von Anfang an eine Mehrheit im Reichstag. Die bürgerlichen Parteien- bis zum unentwegten Liberalismus" hinüber haben aufge­hört, den Militarismus mit den Augen aufsässiger klein­bürgerlicher Steuerzahler und entschiedener Kämpfer für die politische Demokratie gegen die überlebenden Mächte der feu­dalen Vergangenheit zu betrachten. Die kapitalistische Gesell­schaft kann in den Zeitläuften des Imperialismus politisch und wirtschaftlich nicht ohne den steigenden Rüstungswahn­sinn auskommen. Dem Militarismus gegenüber hat sich daher die Fortschrittliche Volkspartei   wie das Zentrum aus einem brüllenden Oppositionslöwen in einen stubenreinen Salonpudel der Regierung verwandelt. Die Kritik an Einzelheiten, Abstriche im kleinen sind wie die Vorschläge zur Deckungsvorlage nur Schaumschlägereien, bestimmt, die Massen über den Bewilligungseifer der bürgerlichen Par­teien im ganzen zu täuschen. Deshalb war es von vorn­herein klar, daß das Schwergewicht des Kampfes gegen den neuesten Vorstoß des Imperialismus nicht im Reichstag  liegen konnte, sondern in der Mobilisierung der Volksmassen gesucht werden mußte. Im Zusammenhang und im Zusam­menwirken mit Massenaktionen mußte die parlamentarische Betätigung der Sozialdemokratie ihre höchste Bedeutung, ihre weittragendste Stoßkraft und größte Fruchtbarkeit erlangen. Hätten nicht angesichts der ganzen Sachlage so sollte man meinen sich alle lebendigen Kräfte des Proletariats in leidenschaftlichem Zorn gegen die Wehrvorlage erheben müssen? Wenn auch nicht, um im Reichstag parlamentarische Siege zu erstreiten und den Militarismus zurückzuwerfen, so doch, um unter den Massen dem Imperialismus und feiner Mutter, der kapitalistischen   Ordnung, tödliche Streiche zu versetzen und dadurch künftige Erfolge vorzubereiten. Leider trifft diese Annahme nicht zu. Der parlamentarische Kampf der 110 hat gewiß Anerkennenswertes geleistet, allein er hat trotz alledem nicht jene grundsäßliche Schärfe und unwider­stehliche Macht erreicht, die die Augen der breitesten Volks­massen mit zwingender Gewalt in atemloser Spannung und leidenschaftlicher Anteilnahme auf den Reichstag lenkt als

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Die Wehrvorlage wurde als eine schamlos- dreiste Provo­tation ohnegleichen den werktätigen Massen ins Antlitz ge­schlagen. Die von der Regierung geforderte ungeheuerliche Vermehrung des stehenden Heeres läuft auf eine Stärkung des Imperialismus hinaus, der seine raubgierigen Blicke über das Erdenrund schweifen läßt, bereit, auch um den Preis eines Weltkrieges mit bluttriefender Faust überall neue Länderfetzen und Völker der kapitalistischen   Ausbeutung untertan zu machen. Indem sie die politische Neibungsfläche zwischen den Staaten vergrößert und vermehrt und die Kriegsgefahr steigert, stellt sie sich in schärfsten Gegensatz zu der internationalen Gesinnung, der internationalen Inter­essengemeinschaft, die, den engen bürgerlichen Begriff des Vaterlandes sprengend, die deutsche Arbeiterklasse mit dem Proletariat aller Länder verbündet, zu dem Ideal sozia­listischer Brüderlichkeit, die die Millionen der ganzen Welt ohne Unterschied der Nationalität, des religiösen Bekennt­nisses und der Nasse umschließt. Nicht minder unzweideutig bringt sie ein weiteres Aufrüsten der Besitzenden und herr­fchenden Klaffen gegen ihren inneren Feind". Der Ausbau und die Festigung des stehenden Heeres soll viele Zehn­tausende Söhne des werktätigen Volkes mehr der Kommando­gewalt des kapitalistischen   Staates unterstellen, soll sie durch den Drill, den Kadavergehorsam, den Kastengeist, die Blut­Obligator. Nebenorgan zum ,, Textilarbeiter" für Frauen, die wie ihre Männer Mitglieder des Deutschen   Textilarbeiter- u.- Arbeiterinnen- Verb. sind.