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Die Gleichheit

Materialmangel arbeits- und brotlos werden, haben das einzig der niederträchtigen Handlungsweise der christlichen Organisation zu danken. Bei solidarischem Vorgehen aller Arbeiterorganisa­tionen wäre aller Voraussicht nach der Streik schon längst zu­gunsten der Arbeiter entschieden. Das sollte für unsere Arbeits­brüder und schwestern, besonders in Süddeutschland , eine War­nung sein. Den Lockungen der christlichen Bauernfänger muß unter allen Umständen das Ohr der Arbeiter verschlossen bleiben, wenn sie ihre eigenen Interessen nicht auf das schwerste gefährden wollen. sk.

Genossenschaftliche Rundschau.

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Endlich ist das gemeinsame Werk der deutschen Konsumbereine und Gewerkschaften unter Dach und Fach gebracht: die Volfs­fürsorge" wurde genehmigt. Die sozialdemokratische Tages­presse und die Gewerkschaftsblätter haben die Öffentlichkeit in den letzten Tagen ausführlich über die Art der einzelnen Versicherungszweige dieses Unternehmens unterrichtet. Es braucht deshalb hier nicht näher darauf eingegangen zu. werden. Bemerkt sei nur, daß das neue von Arbeitern gegründete und verwaltete soziale Unternehmen sich sehr vorteilhaft zu­gunsten der Versicherten von privaten Volksversicherungen unter­scheiden wird. Das ist ja gerade der Grund, warum die Versiche­rungsgesellschaften die in ihrem Solde stehende Presse in so un­anständiger Weise über diese Schöpfung der modernen Arbeiter­bewegung herfallen ließen. Die privaten Gesellschaften befürchten eine scharfe Konkurrenz und damit eine Beschränkung mühelosen Gewinns, den sie in Form hoher Versicherungsprämien und son­stiger ihnen günstigen Einrichtungen den breiten Massen des Volkes abnehmen konnten. Es ist nur zu wünschen, daß die Volksfür­sorge" in dieser Hinsicht zu halten imstande ist, was sie verspricht. Das wird freilich von den Arbeitern selbst wesentlich mit ab­hängen. Wenn sie das neue Unternehmen durch Massenbeitriit beziehungsweise-versicherung unterstüßen, dann muß die Volks­fürsorge" die bedeutendste Einrichtung dieser Art werden. Und je stärker die Beteiligung ist, desto größer werden auch die Vorteile sein können, die dem einzelnen aus dieser Selbstversicherung zu­fließen. Darauf möchten wir ganz besonders auch die Genos­sinnen, die Arbeiterfrauen hinweisen. Ihre Einsicht und Sympathie für die Sache ist von großer Bedeutung für deren günstige Entwicklung. Die Organisation der nötigen Kleinarbeit haben an allen in Betracht kommenden Orten die Gewerkschaften übernommen, während die örtliche Verwaltung von den Konsum= vereinen besorgt wird. Die Volksfürsorge" ist materiell den pri­baten Versicherungen gegenüber von vornherein insofern im Vor­teil, als sie nicht mit den enorm hohen Spesen bei der Werbung von Versicherungsteilnehmern zu rechnen braucht. Da kommen ihr die gewerkschaftlichen Organisationseinrichtungen sehr zustatten. Wir können den Arbeitern und ihren Frauen nur empfehlen, diese gewerkschaftliche Werbearbeit ein immerhin schwieriges Stück Kleinarbeit nach Kräften zu unterstützen. Alle Agenten der privaten Versicherungen, die sich jetzt erst recht bemühen, uns das Feld abzugraben, müssen rücksichtslos abgewiesen werden. Die zweckmäßigste und vorteilhafteste Volksversicherung haben nun die organisierten Arbeiter in eigenen Händen.

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Eine kräftige Abfuhr ist den Mittelstandsrettern in Sachsen in ihrer strupellosen Heze gegen die genossenschaftliche Organisation des Konsums zuteil geworden. Der Verein der Kauf­Teute in Dresden hatte sich mit einer Beschwerde an die General­direktion der sächsischen Staatseisenbahnen gewendet, die sich gegen den Konsumberein der Eisenbahnangestellten richtete. Die Beschwerde gipfelte in der kühnen Behauptung, die Konsumvereinsorganisation der Eisenbahner sei unmoralisch und deshalb zu verbieten. Auf dieses dreiste Verlangen hat der General­direktor kurz und bündig geantwortet, daß den Staatseisenbahn­bediensteten ebenso wie jedem anderen Staatsbürger das Recht zusteht, sich zur möglichst wohlfeilen Befriedigung ihrer wirt­schaftlichen Bedürfnisse zusammenzuschließen". Es sei ihrem Kon­sumberein gegenüber aus diesem Grunde völlige Neutralität zu beobachten. Das war die einzig richtige Antwort auf das an­niaßende Gebaren einer Handvoll Krämer, und es ist nur zu wünschen, daß sich andere Staats- und Gemeindebehörden im ge­gebenen Falle ein Beispiel an dem Verhalten der sächsischen Eisen­bahndirektion nehmen. Leider finden die Konsumvereinsfeinde dort häufig mehr Gehör, als sie verdienen.

Wie blindwütig die Mittelständler den Kampf gegen die Kon­sumbereine führen, zeigt ein anderer Fall, der aus Leipzig gemeldet wird. Dort hat die sogenannte Schußgemeinschaft für Handel und Gewerbe eine Eingabe an die Stadtverordneten ge­

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richtet, in der kategorisch die umgehende Einführung einer Umsatzsteuer gefordert wird. Die Eingabe verlangt ausdrück­lich. daß die Stadtverordneten innerhalb vier Wochen einen ent­sprechenden Antrag beim Stadtrat stellen sollten. Die Leipziger Mittelständler haben sich aber mit ihrem unverschämten Vorgehen fürchterlich blamiert. Denn nach dem neuen sächsischen Gemeinde­steuergesetz und nach einer Verordnung der Regierung dürfen in Sachsen rohe Umsatzsteuern überhaupt nicht mehr eingeführt werden. Die Herren Schutzgemeinschafter müssen schöne politische Schlafmützen sein, wenn sie nicht einmal über die gesetzlichen Be stimmungen unterrichtet sind, die sie am nächsten angehen. Sie drohen übrigens mit den höheren Instanzen", falls sich die Leip­ ziger Stadtväter nicht willfährig zeigen sollten. Für den Spott brauchen die Herren natürlich nicht zu sorgen.

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Der Konsum, Bau- und Sparverein Produk­tion" in Hamburg fann für das Jahr 1912 eine starke Auf­wärtsentwicklung verzeichnen. Er hat aber auch ein Jahr starken Stampfes mit gegnerischen Mächten hinter sich. Man glaubt auch in Hamburg mit ungerechten Steuern der genossenschaftlichen Be­wegung Abbruch tun zu können. Die beste Antwort auf diese Politik ist damit gegeben worden, daß die Zahl der Mitglieder der Genossenschaft vom 1. Januar bis 31. Dezember 1912 von 57 930 auf 67 191 stieg. Das ist cine Zunahme von 9261 Mitgliedern in cinem Jahre!. Auch der Warenumsatz ist riesig gewachsen, und zwar von rund 162 auf 21% Millionen Mark. Ein Übelstand der Genossenschaft ist die verhältnismäßig große Zahl der Mitglieder, die in der Genossenschaft nicht kaufen. Die Zahl der Nicht­fäufer betrug 1899 38 Prozent, 1912 immer noch 35 Prozent, am höchsten war sie 1905 mit 43 Prezent. Der Jahresbericht stellt aber fest, daß sich dieser ungünstige Zustand in neuester Zeit sehr bessert. Es wird damit erklärt, daß dem Verein viele Mitglieder aus rein idealem Interesse angehören. Eine genügende Erklärung ist das freilich nicht. Im übrigen git der Bericht eine sehr gute Orientierung über die einzelnen Betriebe der Genossenschaft. Daß sie neuerdings ein großes Cut erworben hat und Feld- und Vich­wirtschaft betreibt, berichteten wir bereits früher. Die Produk­tion" hatte versucht, der gegen fie gerieten neuen Steuer durch eine formelle Änderung des Betrieb3 zu entgehen. Es wurde eine Handelsgesellschaft gegründet, die den Vertrics der Waren der " Produktion" besorgt. Der Steuerprozeß, der daraushin von der Schörde provoziert wurde, ist jetzt in Ichter Instanz vom Reichs­gericht zuungunsten der Genesenschaft entschieden worden. Die Änderung ihrer Form hat also nichts genügt. H. F.

Notizenteil. Dienstbotenfrage.

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Das Mietgeld spielt im Dienstverbäitais zivischen dem Dienst­boten" und der Diens.herrschaft" eine große Rolle. Diese3 Mic:- geld ist eine uralte Einrichtung früher sagte man Gottes­pfennig, Gottesgeld, später Arrha", Miettaler, gld, Drau gabe, neuerdings auch Handgeld und kommt als eine Eigen­tümlichkeit des Gesindeverhältnisses schon allgemein in den frühe­sten Gesindeordnungen vor. Wie sich die Gesindeordnungen selbst auch in ihren rädständigsten Bestimmungen bis zur Gegenwart crhalten haben, so auch das Mietgeld. Hier trijit ganz besonder3 das Dichtertoort zu, daß sich Gesetz und Rechte wie eine ewige Krankheit forterben.

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Unter Mietgeld versteht man den Geldbetrag in der Regel 3 Mt., den die Dienstherrschaft dem sich bei ihr vermietenden Dienstboten als Zeichen dafür gibt, daß der Dienstvertrag bestimmt abgeschlossen ist. Im allgemeinen ist für den Dienstvertrag genau so wie für den gewerblichen Arbeitsvertrag cine bc­stimmte Form nicht vorgeschrieben. So sagt zum Beispiel§ 22 der altpreußischen und§ 8 der Rheinischen Gesindeordnung: Zur Annehmung des gemeinen Gesindes bedarf es keines schriftlichen Vertrags." Früher bestimmten aber in Preußen das Allgemeine Landrecht und in den übrigen Einzelstaaten die entsprechenden Gesezbücher, daß jeder Vertrag, dessen Gegenstand einen bestimm ten Wert übersteigt- in Preußen 150 Mt., schriftlich ab­geschlossen werden müßte. Um nun mit diesen Bestimmungen de bürgerlichen Rechtes nicht in Widerspruch zu geraten, bestimmient die Gesindeordnungen( zum Beispiel§ 23 der altpreußischen):" Dic Gebung und Annehmung des Mietgeldes vertritt die Stelle des Vertrags." Die Sachlage war also folgende: Beliefen sich die Dienstbezüge des Dienstboten zum Beispiel in Preußen auf nicht mehr als 150 Mt., so war für das Zustandekommen des Vertrag³ weder schriftliche Abfassung noch Zahlung des Mietgeldes erforder­

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