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Die Gleichheit

einen Schemel an den Tisch und legt das Band mit den ein­gesteckten Points auf eine kleine viereckige Bleiplatte. Dann legt er auf den Point einen Flitter, knipst mit einer Zange die Spitze ab und vernietet den Stumpf mit einem kleinen Hammer. Sehen Sie, meine Fräuleins, knips- ping ping das ist alles, furchtbar leicht, und doch gibt es welche, die's nie lernen! Na, was meinen Sie?" Er blickt sie ge­spannt an. Ja, unter welchen Bedingungen sollen wir denn lernen?" plagt nun die ältere heraus. Herr Primfe räuspert sich: O, die sind gut, die Lehrzeit würde vier Wochen dauern. Lehrgeld brauchten Sie nicht zu zahlen. Ich würde Ihnen dann die Arbeit in Afford vergeben, das Gros Points mit 15 Pfennig. Sie können dabei Geld verdienen, kloßig Geld, sag' ich Ihnen!" Und die vier Wochen umsonst arbeiten?" unterbricht ihn jetzt die Jüngere trocken. Herr Primke fährt auf seinem Schemel blitzschnell herum. Sein dicker Hals quillt fropfartig auf: Ja, was denken Sie denn eigentlich?" Seine Stimme zittert in verhaltener Erregung. Was denken Sie denn eigentlich? Glauben Sie denn, daß ich meine kostbare Zeit Ihnen mir nichts dir nichts wochenlang zur Verfügung stellen kann?" Die beiden Mädchen sind aber schon draußen. An der Tür rufen sie noch laut: Nee, Meester, suchen Sie sich man so kloßig Dumme!" Kichernd eilen sie die Treppe binab. Emil Unger.

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Aus der Bewegung.

Die Entwicklung der proletarischen Frauenbewegung im Geschäftsjahr 1912/13 sei furz durch die nachstehenden Angaben beleuchtet, die wir dem Bericht des Parteivorstandes an den Parteitag zu Jena entnehmen. Die Zahl der or­ganisierten Genossinnen betrug am 31. März d. J. 141 115 gegen 130 371 im Vorjahr. Sie ist mithin in den neun Monaten der Ge­schäftsperiode um 10 744 geftiegen, und der gesamte Zuwachs der Partei um 12 738 Mitglieder ist in der Hauptsache auf die Rech nung der neuorganisierten Genoffinnen zu setzen. Diese Tatsache stellt der opferfreudigen und geschickten Werbearbeit der tätigen Genossinnen ein gutes Zeugnis aus. Wir vergessen darüber ge­wiß nicht, daß unsere Frauenbewegung fast überall noch ein grö­Beres Rekrutierungsgebiet vor sich hat als die Sozialdemokratie im allgemeinen. Sie hat bei weitem noch nicht den gleichen Pro­zentsatz der Proletarierinnen erfaßt, den das männliche Prole­tariat der Sozialdemokratie stellt. Der erzielte Erfolg wird sicher­lich den Mut der Genossinnen stärken, unermüdlich an der oft recht schwierigen Aufgabe weiterzuarbeiten, die Frauen des werktätigen Volkes als Kämpferinnen für die Befreiung ihrer Klasse zu sam­meln. 8 von den 45 Agitationsbezirken haben leider nicht an der erfreulichen Entwidlung teilgenommen, hier ist vielmehr die Zahl der weiblichen Mitglieder zurückgegangen. Diese sank in West= preußen von 805 auf 359, in Magdeburg von 4220 auf 3982, in alle a. S. von 3775 auf 3720, in Hannover von 4767 auf 4621, im Saargebiet von 133 auf 93, in der Pfalz bon 1225 auf 968, in Mecklenburg von 1796 auf 1093, in Sachsen Altenburg von 803 auf 768. Die Beteiligung der Frauen an den Volks- und Wählerversammlungen ist in allen Gegenden des Reiches eine starte gewesen, die Frauenversammlungen waren gut besucht, die der Unter­stübung des preußischen Wahlkampfes dienten. Die Ge­nossinnen haben bei diesem auch freudig und eifrig die nötige Kleinagitation betrieben und alle wahltechnische Arbeit mitge­leistet. Troß mancher ungünstigen Umstände war der sozial= demokratische Frauentag ein guter Erfolg. Die Be teiligung der Frauen an der Maifeier war sehr zahlreich. Was die mündliche Agitation unter den proletarischen Frauen anbelangt, so hat der Parteivorstand für 42 Agitationstouren und mehrere hundert einzelne Versammlungen Rednerinnen vermittelt. Dazu kommen die Agitationsreisen, für die die Bezirks- und Kreisleiter selbst Rednerinnen gewonnen haben, und die umfang­reichen agitatorischen Leistungen der Genossinnen in den Bezirken, wo sie wohnhaft sind. Es fanden 16 Bezirksfrauenton ferenzen statt, die erheblich zum Fortschritt der sozialdemo­fratischen Frauenbewegung beigetragen haben. Der Wert der Lese- und Diskussions abende für die theoretische und praktische Schulung der Genofsinnen trat offensichtlich zutage. Es gibt jetzt 162 solcher Veranstaltungen, neben denen die Zahl der Kurse steigt, die in manchen Orten für die

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Nr. 24

Weiterbildung der fortgeschritteneren Genoffinnen und Partei­funktionärinnen eingerichtet worden sind. Der schriftlichen Agitation dienten Artikel und Frauenbeilagen der täg­lichen Parteipresse, Artikel und Notizen in den Agi­tationstalendern, vier Flugblätter, die im gan­zen Reiche zur Verbreitung gelangten, zwei andere, die für ein­zelne Bezirke bestimmt waren, und eine fleine Agitations­broschüre: Bist du eine der Unsrigen?", die zumal die Haus­agitation vorzüglich unterstüßt. Zu erwähnen ist ferner die so­aialdemokratische Frauenbibliothek, die nun sechs Hefte umfaßt, die Treffliches bieten, und die Gleichheit", deren Auflage 112 000 beträgt. Die planmäßige Mitarbeit der Ge­nossinnen in der Organisation macht in jeder Hinsicht Fortschritte. Jn 228 Wahlkreisen nehmen Frauen als Vorstandsmit­glieder an der Leitung der Partei teil, Genossinnen gehören den meisten Bezirksleitungen an. Besonders umfangreich und fruchtbringend ist die Mitarbeit der Genossinnen in den Kinderschuhkommissionen, die zurzeit in 202 Orten bestehen. In einem Bezirk sind Kurse eingerichtet worden, die der Schulung der Frauen für die ehrenamtliche Tätigkeit in den Gemeinden dienen sollen. Die Veranstaltung solcher Kurse iſt allgemein von Parteivorstand und Parteiausschuß empfohlen wor­den. Der Aufschwung der Frauenbewegung fann den Gegnern zu denken geben.

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Von der Agitation. Ausgang dieses Frühjahrs fanden in Elsaß Lothringen 32 Volksversammlungen statt, in denen die Unterzeichnete über das Thema sprach:" Des Volkes Kampf um das Dasein": Die Agitation sollte die Frauen über die aktuellen politischen Fragen aufklären und ihnen damit ihre Pflichten in den politischen und wirtschaftlichen Kämpfen zeigen. Gleichzeitig hatte sie aber auch den Zweck, die Männer zu überzeugen, daß die Aufklärung und Organisierung der Frauen eine dringend not­wendige Aufgabe ist. Die Versammlungen waren außerordentlich gut vorbereitet und durchweg gut besucht. Die Zahl der Teilnehmer belief sich zusammen auf über 10 000. Besonders hervorzuheben ist der Erfolg der Veranstaltung in Stahlheim, Mek, Saar­ gemünd , Merlenbach, Saarunion, Grüneberg, Bischweiler, Edolsheim, Buchsweiler, Mütters­holz, Rosheim , Barr, Schlettstadt , Markirch , Münster , Sundhausen und Hagenau . In manchen dic­ser Orte gestaltete sich die Versammlung zu einer wahren Volks­fundgebung. Die Versammlung in Gebweiler hätte besser von Frauen und die in Kolmar überhaupt besser besucht sein sollen. In dem leßtgenannten Orte wurde unsere Veranstaltung durch die Anwesenheit von 5 Schufleuten und einem Kommissar geziert. Die Referentin freute sich bereits herzlich über die ihr zugedachte polizeiliche Aufmerksamkeit, leider aber währte die Freude nicht lange. Die Zahl der Gesetzeswächter sant auf zwei. Der Vortrag schilderte die herrlichen Zeiten, denen 10 Prozent der Bevölkerung im Deutschen Reich entgegengeführt worden sind, während 90 Pro­zent unter dem Brot- und Fleischwucher schwer leiden. Er zeigte, daß die Berteuerung der Lebenshaltung eine internationale Er­scheinung ist, die der Kapitalismus erzeugt, die aber in Deutsch­ land durch die herrschende Wirtschaftspolitik noch unerträglich ge­steigert wird. Denn dem märchenhaften Reichtum der wenigen Ausbeutenden geht als Schatten die Armut der vielen Ausgebeu­teten zur Seite, die Not der Kleingewerbetreibenden und Klein­bauern. Die Rednerin zeigte, wie dieser Stand der Dinge auf die Familie der Arbeiter und Minderbemittelten zurückwirkt und na­mentlich die Lage der Frauen immer mühe- und sorgenreicher ge­staltet. Sie würdigte eingehend die Frauen- und Kinderarbeit mit ihren Folgen und begründete die Notwendigkeit, daß die Frau als gleichberechtigte Bürgerin in Gemeinde, Staat und Reich unmittel­bar an der Gestaltung der gesellschaftlichen Zustände mitarbeitet. Ihre scharfe Kritik der hervorstechendsten Büge und Vorgänge des politischen Lebens gipfelte in dem Nachweis, daß die bürgerlichen Parteien und Bewegungen zuerst und in der Hauptsache den Vor­teil der besitzenden Klassen zu wahren suchen. Daran schloß sich die Darlegung der Gründe, die die proletarische Frau bestimmen müssen, wie in den freien Gewerkschaften, so auch in der Sozial­demokratie die treueste, opferfreudigste Kampfesgenossin des Mannes ihrer Klasse zu sein. Der Vortrag endete mit Aus­führungen darüber, daß die wachsende Buspißung der Kämpfe zwi­schen Ausbeutern und Ausgebeuteten der Mitarbeit und dem Mit­ringen der Frau eine immer größere Bedeutung verleihe, und daß das befreiungssehnsüchtige Proletariat darauf bedacht sein müsse, mit der Mutter die Jugend um sein Banner zu sammeln und die Zukunft zu erobern. Die Rednerin trachtete danach, im Rahmen dieser Gedankengänge möglichst das Wichtigste von dem zu be