Nr. 25

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Die Gleichheit

Tief betrübt beklagen die Proletarierinnen Finnlands den Tod des großen Vorkämpfers des Sozialismus und der Befreiung der proletarischen Frauen." Das Frauenorgan der finnischen Arbeite­rinnen Työläisnainen feierte den Verstorbenen in warmen Worten als einen Mann der Internationale der Welt dessen Todesnachricht auf der ganzen Erde den lautesten Widerhall findet und der für das Proletariat unsterblich weiter­lebt und weiterwirkt durch die heldenhafte Arbeit, die er in seinem Leben getan.

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Es war der Ausdruck allgemeinen Empfindens und Wünschens, daß Genossin Klara Zetkin als internationale Sekretärin der sozialistischen Frauen an Bebels Bahre einen Riesenkranz wunderbarer dunkler Rosen mit Schleife und Widmung nieder­legte. Die deutschen Genossinnen sandten durch Genossin Bieb einen eigenen Kranz, Vereine schweizerischer Sozialistinnen taten das gleiche, auch Blumenspenden bürgerlicher Frauenrechtlerinnen fehlten nicht. Zuschriften an die Genossinnen Zieh und Zetkin be­zeugten, wie hoch Frau Minna Cauer Bebels Wirken für die Gleichberechtigung und Befreiung des weiblichen Geschlechts wertet, wie schmerzlich sie seinen Tod empfand. In der letzten Nummer ihrer Frauenbewegung" hat sie dem Sohn des Volkes" einen Artikel gewidmet, der des Toten würdig ist. Es heißt darin unter anderem: Vor der Größe dieses Mannes, und dessen, was er ge= wollt, erstrebt und erreicht hat, sollte alles und jedes schweigen, was Gegner und Feind an ihm auszusehen haben. Vor einem solchen Leben und einem solchen Lebenswerk sollte sich jeder beugen, selbst wenn er dem Werke gegenüber als größter Widersacher steht....

Die Frauen aber, ob sie seinem Werke verstehend oder ablehnend gegenüberstehen, sollten nie vergessen, was Bebel für sie geleistet hat, er, der ihnen als Vermächtnis hinterlassen hat: Es gibt keine Befreiung des Menschen ohne die soziale Unabhängigkeit und Gleichstellung der Geschlechter."

Aus der Bewegung.

Frauenagitation und-organisation in den Bezirken Breslau und Oberschlesien . In den Bezirken Breslau und Oberschlesien wurden genau so wie vorher im Görlitzer und Langenbielauer Be­zirk Informationstouren für Genossin Wulff veranstaltet. Selbstverständlich sollte diese dabei auch den Genossinnen mit Rat und Tat zur Hand gehen und soviel als möglich neue Mitglieder zu gewinnen suchen. Im Bezirk Breslau fanden Versamm= lungen statt in Trachenberg , Gorkau, Glogau , Ohlau , Brieg , Hundsfeld , Schlabiz, Festen- berg, Hahnau, Parchwik, Goldberg, Liegni, Neustadt, Neiße , Wanjen, Strehlen , Trebnik und Wohlau . Sie waren meist öffentliche, einige davon tagten sogar unter freiem Himmel. Der Bezirk Breslau , der einen gro­Ben Teil Mittelschlesiens umfaßt, ist nur schwach mit Industrie durchsetzt, er ist deshalb bei unserer Agitation weniger frucht-, bringend, als es sonst der Fall sein dürfte. In einzelnen Orten gibt es freilich eine beträchtliche Anzahl Arbeiterinnen, die Haupt­sächlich in der Zigarrenfabrikation tätig sind. Sie fronden jedoch überwiegend unter so erbärmlichen Lohn- und Lebensverhältnissen, daß sie den Weg zur Organisation noch nicht gefunden haben und nur schwer finden. Die Arbeiterinnen selbst erklären meist, sie verdienten nicht so viel, daß sie Geld für die Organisation übrig" hätten. Die Äußerung allein zeigt schon, daß ihnen die Bedeutung und der Nutzen des Zusammenschlusses noch völlig fremde Begriffe sind. Erschwert wird die Agitation zurzeit auch durch den außer­ordentlich flauen Geschäftsgang in der Tabakindustrie. Kürzlich wurden wieder Betriebe geschlossen, in anderen steht die Einstellung bevor. So gesellt sich für viele Arbeiterinnen zu dem fargen Verdienst das Gespenst der Arbeitslosigkeit. In anderen Berufen beson­ders wo überwiegend oder nur männliche Arbeiter beschäftigt sind ist die Arbeitslosigkeit bereits zu einer schweren Plage geworden. Furchtbares Elend sieht man auf Schritt und Tritt. Trotz alledem haben konfessionelle Organisationen, Kriegervereine und andere Klimbimvereine einen guten Zustrom von Arbeitern und Arbeiter­frauen. In Trachenberg war unsere Versammlung äußerst schwach besucht. Kurz vor Beginn zog der katholische Gesellenver­ein, geleitet von Pfarrern, mit flingendem Spiel aus dem Tore, und zu dem winkenden Vergnügen gingen Leute mit, die ohne diese Veranstaltung zu uns gekommen wären. Das Klassenbewußt­sein fehlt vielen Proletariern am Ort. Das trifft auch für die Arbeiterschaft in Militsch - Schlabit zu. Gewerkschafter und Parteimitglieder samt ihren Frauen machten hier ein Kriegerver­einsfest mit oder waren doch Zuschauer dabei. Unsere Versamm

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lung aber, die zur selben Zeit stattfand, hatte kaum 60 Besucher! Zum Glück sieht es nicht überall im Bezirk so schwarz aus. In manchen Orten hatte unsere Versammlung stattlichen Besuch, und auch die Frauen waren recht zahlreich erschienen. Wir konnten greifbare Erfolge verzeichnen, denn neue Mitglieder traten der Partei bei. Unsere Aufgabe muß nun sein, diese Neugewonnenen zu halten und ihre Anschauungen zu klären und zu festigen. Diesem Bwed sollen auch im Bezirk abzuhaltende Frauenabenbe dienen, die überall eingerichtet werden, wo es nur möglich ist. In den größeren Orten war das bis jetzt schon der Fall. Leider mangelt es aber selbst da an Genossinnen und Genossen, die einen Vortrag halten können. In der Hauptsache muß man sich auf das Lesen beschränken. Genoffin Wulff gab die erforderliche Anleitung wie das nutbringend geschieht. In größeren Städten wie in Breslau und Liegniß wird es möglich und besonders loh­nend sein, daß ein Kursus für die Weiterbildung fortgeschrittener Genossinnen eingerichtet wird, die dann später als Rednerinnen hinausgehen können.

Ganz anders als im Bezirk Breslau liegen die Verhältnisse in Oberschlesien . Von einer nennenswerten Anzahl tätiger Genossinnen kann hier nicht berichtet werden, obgleich schon seit Jahren Frauen einzelnen Ortsvereinen als Mitglieder angehören. Versammlungen fanden statt in: Rattowi, Königshütte , Beuthen , Laurahütte , Neudorf, Zaborze, Rati­ bor , Mikulschüß und Schwientochlowik. Jn Glei= wiz und Zabrze kamen die geplanten Veranstaltungen nicht zustande. Oberschlesien ist ein gewaltiges Industriezentrum, ein Land der Kohle und des Erzes mit einem riesigen Arbeiterheer, dem auch zahlreiche Frauen eingereiht find. Aber hier herrschen verschiedene finstere Gewalten. Den stärksten Einfluß übt die katho­ lische Kirche aus, die hier noch eine Macht besitzt wie kaum ander­wärte Ihr kommt besonders die geringe Bildung der Frauen und Mädchen zugute, die als Kinder in der Familie nur Polnisch hör­ten und sprachen und sich in der schlechten Schule jahrelang ab= mühen mußten, notdürftig die deutsche Sprache zu erlernen. Unter solchen Umständen konnten sie sich nur ganz geringes Wissen an­eignen. Obendrein hält die Schule noch immer den Religionsunter­richt für das Wichtigste. Unsere Aufklärungsarbeit ist unter solchen Verhältnissen ungeheuer schwer. Eigentümlich berührte es, daß in den Städten die Versammlungen nicht so start besucht waren als in den Dörfern. überall wurden Frauen Mitglieder unserer Parteiorganisation. In den Orten, wo nun die Zahl der weib­lichen Parteiangehörigen beträchtlich geworden ist, sollen in Zu­funft ebenfalls Frauenabende eingeführt werden. Es wird in Oberschlesien langsam, sehr langsam vorwärtsgehen. Schuld daran trägt außer den obenerwähnten Umständen auch zu einem nicht geringen Teil der Zwiespalt der Organisationen. In der zwei­sprachigen Gegend schien es vor Jahren notwendig, eine polnische Parteiorganisation zu gründen, die aber nach den jezt vorliegen­den Beweisen nicht ihren Zwed erfüllt hat. Anstatt daß die pol nische Organisation an einem Strang mit der deutschen Sozial­demokratie gezogen hätte, ist sie immer mehr in das nationalistische Fahrwasser geraten. Eine durchgreifende Änderung erscheint dringend wünschenswert. Es wird in Oberschlesien eifrigster Arbeit und zäher Ausdauer bedürfen, damit der Gedanke des Sozialismus die weitesten Kreise der Arbeiterschaft erfaßt und zum Leitstern ihres Lebens und Handelns wird.

F. W.

Jahresbericht der Frauenfektion des sozialdemokratischen Vereins in Karlsruhe . In der verflossenen Geschäftsperiode, die nur neun Monate umfaßt, hat unsere Frauenfektion wieder eine rege Tätigkeit entfaltet. Es fanden 5 Mitgliederversamm­Lungen statt, in denen lehrreiche Fragen behandelt wurden, so unter anderem Die Frau im Erwerbsleben und die Sozialgesetz­gebung"," Weltanschauungsfragen und moderne Religionsbe­griffe". Außerdem wurden 2 öffentliche Versammlungen veranstaltet mit der Tagesordnung:" Was fordert die moderne Kindererziehung von den Arbeitereltern?" und Die Stellung der Frau im modernen Wirtschaftsleben und ihre politischen Rechte". Der Besuch der Versammlungen war im allgemeinen ein guter, besonders ist dies der letzten öffentlichen Veranstaltung, dem Frauentag nachzurühmen. Der Frauenchor und der gemischte Chor Mühlburg wirkten dabei in dankenswerter Weise mit. Leseabende sind 5 abgehalten worden, in denen unter anderem Gegenstand der Behandlungen waren: ein Teil aus Bebels Buch Die Frau und der Sozialismus", das" Kommunistische Mani­fest" und die sozialen Gedichte von Freiligrath. Der Besuch der Reseabende ließ leider zu wünschen übrig, obwohl gerade dort den Genossinnen Gelegenheit gegeben war, im kleinen, vertrauten Kreise sich Wissen und Schulung in den verschiedensten Fragen zu