410
Die Gleichheit
Genoffin sollte es sich zur Aufgabe machen, für ihr Organ unausgesezt zu agitieren. Im ganzen Kreise Eisenach - Dermba ch ist die proletarische Frauenbewegung noch schwach entwickelt. So wurden weibliche Mitglieder gezählt in Kreuzburg 1, in Rittelstal 26, Stadtlangsfeld 10, Mosbach 14, Ostheim v. d. Röhn 2 und Ruh I a. 12. Genossinnen, fragt euch, ob dieses Ergebnis befriedigen kann: Nein! Nun, so sorgt dafür, daß der Bericht nächstes Jahr günstiger lautet. Um das zu er reichen, laßt uns alle unermüdlich zusammenarbeiten.
"
G. R.
Die proletarische Frauenbewegung in Stuttgart fann für das letzte Berichtsjahr ganz erfreuliche Fortschritte verzeichnen. Als sich 1908 die Genofsinnen unter der Leitung von Genossin Dunder zu Diskussionsabenden zusammenfanden, gehörten der Stuttgarter Parteiorganisation erst 74 weibliche Mitglieder an. Dank der eifrigen Tätigkeit der Genossinnen und ihrer Unterstützung durch die Parteileitung gelang es, der politischen Organi sation mit jedem Jahre eine stattliche Anzahl neuer weiblicher Mitglieder zuzuführen. In dem letzten Geschäftsjahr, das nur neun Monate umfaßt, stieg die Zahl der organisierten Genossinnen von 712 auf rund 1000. Die Gleichheit" wird den weiblichen Parteimitgliedern auf Kosten des Vereins geliefert. Ebenso erhält jede Genossin bei ihrem Eintritt die Broschüre: Grundsäße und Forderungen der Sozialdemokratie. Jn 12 von 14 Stadtbezirken sind Frauen in die. Bezirksausschüsse gewählt worden. Dem Stuttgarter Ortsvorstand gehört eine Genossin an. Bei der letzten Neuwahl des Kreisvorstandes erhielt auch in dieser Körperschaft zum erstenmal eine Frau Siz und Stimme. Jum Parteitag in Chemnitz wurde auch eine Genossin delegiert. In den Frauendiskussionsabenden behandelte man das Arbeiterprogramm von Lassalle . Die weiblichen Vertrauens= personen für die einzelnen Bezirke hatten verschiedene Be= sprechungen, in denen Anregungen für die Agitation gegeben wurden. Da, wo sie befolgt worden sind, zeigen sich bereits schöne Erfolge. In Württemberg ist infolge der wirtschaftlichen Verhältnisse die Frauenagitation bedeutend schwerer als in Gegenden mit starker Industrie. Der Aufschwung der Frauenbewegung in Stuttgart zeigt jedoch, daß auch unter schwierigeren Umständen die Frauen für unsere Sache zu gewinnen sind, wenn bei der Barteileitung Verständnis dafür vorhanden ist, daß auch die Proletarierinnen für Brot, Recht und Freiheit kämpfen müssen. Im April 1912 fand in Stuttgart die erste Konferenz der or= ganisierten sozialistischen Frauen Württem= bergs statt. Sie zeitigte viele praktische Anregungen zu dem Wie der Agitation. Besonders waren solche in dem Referat der Genossin Bettin enthalten: Die Entwicklung der Frauenarbeit in Würt temberg . Es berücksichtigte die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse im Lande, die vielfach im Zeichen der kleinen Landwirtschaft stehen. Nachdem über ein Jahr nichts geschehen war, um die Beschlüsse und Anregungen der Konferenz in die Praxis umzusetzen, richtete die Stuttgarter Parteileitung auf Verlangen der Genoffinnen eine entsprechende Anfrage an den württembergischen Landesvorstand. Die letzte Landesversammlung hat nun ihrer Überzeugung Ausdruck gegeben, daß die proletarische Frauenbewegung in ganz Württemberg kräftiger als bisher zu fördern sei. Zu diesem Zwed soll eine besondere Frauenagitationstommission gebildet werden. Sehr stark besucht war in Stutt gart eine Frauenversammlung zur Landtagswahl, in der die Organisation eine stattliche Anzahl neuer Mitglieder gewann. Zum Frauentag fanden zwei Versammlungen statt. Da tags zuvor eine große Demonstration für die proletarische Jugend stattgefunden hatte, waren zwar die Versammlungen nicht so besucht, wie die Genoffinnen gewünscht hätten, doch brachten uns auch sie eine größere Schar neuer Mitkämpferinnen. Abgesehen von den allgemeinen Veranstaltungen für die ganze Stadt wurden zahlreiche Frauenversammlungen in den einzelnen Bezirken abgehalten. So gut die Erfolge der letzten Jahre sind, genügen sie doch den Genossinnen noch nicht. Sie wissen, daß bei den sich immer mehr zuspizenden Klassengegensäten zwischen Ausbeutern und Ausgebeuteten die proletarischen Frauen sich in noch viel größerem Maße der Sozialdemokratie anschließen müssen, wenn das Ziel erreicht werden soll, für das sie zusammen mit den männlichen Genossen kämpfen: die Befreiung der Arbeiterklasse durch den Sozialismus. Der Hinblick auf dieses Ziel wird auch die Genossinnen immer wieder anspornen, alle Schwierigkeiten zu überwinden und alle Kräfte einzusetzen, damit unsere Parteiorganisation in dem neuen Tätigkeitsjahr neue Mitstreiterinnen wirbt. Lina Häring. Von der Entwicklung der sozialistischen Frauenbewegung in Baden . Der Geschäftsbericht des Landesvorstandes, der dem
Nr. 26
außerordentlichen Parteitag zu Freiburg vorlag, verzeichnet einen Zuwachs der weiblichen Mitglieder. Ihre Zahl stieg im Berichtsjahr von 1898 auf 2092. Die Zunahme um nur 194 organisierte Genossinnen im ganzen Lande ist zu gering, wir müssen alle Kraft anspannen, damit wir am Schlusse des nächsten Geschäftsjahres ein besseres Ergebnis berichten können. Dazu bedarf es einer eifrigen und ausdauernden Werbetätigkeit. Indessen, so klein der Zuwachs an weiblichen Mitgliedern im letzten Jahre ist, wird er doch als Fortschritt von denen begrüßt werden, die die Anfänge der proletarischen Frauenbewegung in Baden aus eigener Anschauung kennen. Besonders in Mittel- und Oberbaden fällt es sehr schwer, die Frauen für unsere Bestrebungen zu gewinnen. Der Boden ist dort für unsere Agitation rauh und hart, und es bedarf der zähesten Anstrengungen, ihn zu bearbeiten. Die organisierten Genossinnen verteilen sich wie folgt: Der Wahlkreis Mannheim , die Wiege der sozialistisch.n Frauenbewegung in Baden , steht an der Spize mit 985 weiblichen Mitgliedern; dann kommt Karlsruhe mit 261, Freiburg mit 221, Pforzheim mit 208, Schopfheim mit 80 und Heidelberg mit 73 Frauen. In sechs Wahlkreisen ist die Zahl der organisierten Genossinnen noch geringer, und in zwei haben wir überhaupt noch feinen Eingang gefunden. Nach Schluß des ersten Verhandlungstags in Freiburg hielt die Unterzeichnete eine Besprechung mit den an wesenden weiblichen Delegierten ab, an der auch die Vorsitzenden der einzelnen Wahlkreise teilnahmen. Der Meinungsaustau ch brachte in ausgiebiger Weise Wünsche und An.egungen, die die Organisierung der Frauen fördern werden, wenn sie soweit als möglich sich zu Taten verdichten. Es ist dringend notwendig, die Frauen des werktätigen Voltes auf allen Gebieten des öffentlichen Lebens aufzu= klären. Die im Herbst bevorstehenden Landtagswahlen geben Gelegenheit dazu, wie auch für den Nachweis, daß unsere geschulten Genossinnen den Aufgaben des Wahlkampfes gewachsen sind. Darum auf, Geno sinnen des gesamten Badenerlandes! Mit froher Zuversicht und fester Entschlossenheit an die Arbeit! Auch für uns muß die Losung„ vorwärts" lauten. Therese Blase , Mannheim . Ferienwanderungen und spiele in Hannover - Linden. Dem Beispiel der klassenbewußten Arbeiterschaft in anderen Städten folgend sind auch in Hannover - Linden von unserer Seite in diesem Jahre zum erstenmal Ferienspiele und-wanderungen für die Kinder eingerichtet worden. Daß ein Bedürfnis dafür vorhanden war, bewies der starfe, uns selbst überraschende Zuspruch. Je nach dem Wetter folgten 800 bis 1300 Kinder der Aufforderung zur Beteiligung an unseren Veranstaltungen, und der Zulauf würde ein noch größerer gewesen sein, wenn die Sache eher befannt geworden wäre. Zweifellos wird bei Wiederholung der Spaziergänge und Spiele die Teilnehmerschar noch gewaltig wachsen. Wir müssen sie vor allem durch die Kinder zu vergrößern suchen, die diesmal noch fehlten. Bis auf wenige Ausnahmen waren die Kinder anständig" gekleidet, mir fiel auf, daß die Kleinen fehlten, die den ärmsten Proletarierfamilien angehören, jene Kleinen mit bleichen Gesichtern und geflicten Kleidern, die die Mietskasernenhöfe bevölkern. Möglich, daß sie fern geblieben waren, weil sie sich ihrer schlechten Kleidung schämten, möglich auch, daß die Eltern nicht die wenigen Pfennige übrig hatten, die die Kinder zuweilen zu den Ausflügen mitbringen sollten. Genug: gerade diese Kinder müssen in Zukunft mit zu unseren Spaziergängen und Spielen herangezogen werden. Sie bedürfen am dringendsten der liebevollen Führung, der Erquidung von Leis und Seele in der Natur und bei lustiger Geselligkeit. Kinder vergessen schöne Stunden nie; und wenn die gedrücktesten kleinen Proletarier später erfahren, wem sie unvergeßliche schöne Stunden zu verdanken hatten, so werden sie um so fester und treucr mit ihrer Klasse empfinden. Man muß die vor Freude und Glück leuchtenden Kinderaugen gesehen haben, man muß die proletarischen Verhältnisse kennen, um zu verstehen, welch segensreiche Taten die Ferienwanderungen und spiele sind. In den großen Städten und Industrieorten können sich nur wenige Arbeiterfinder nach Herzenslust in der freien Natur tummeln. Welche Arbeiterfamilie kann an die See oder ins Gebirge reisen? Wieviel sind so glücklich, einen guten Onkel auf dem Lande zu haben, bei dem die Kinder ein paar Wochen verweilen können? Darum müssen die Arbeiterorganisationen darauf bedacht sein, die Kinder aus den staubigen, muffigen Großstadtstraßen hinauszuführen ins Freie. Eigentlich wäre dies eine Sache der Kommunen, aber wie bei anderen Reformen müssen wir auch hier Bahnbrecher sein.
Da kamen die Jungen und Mädchen in allen Altersstufen, sie kamen mit ihren Rucksäckchen, Kaffeeflaschen und Butterbroten. Fröhlich hallte ihr Gesang, und wer sich am Mittag noch schüchtern betrachtet hatte, ging abends als gut Freund auseinander. Am Ausflugsort angelangt, wurde zuerst gevespert, dann ging es ans Spie