Nr. 1

658/14

24. Jahrgang

2,4

Die Gleichheit

ZENTR

STELLE

DES

Zeitschrift für die Interessen der Arbeiterinnen VOLVEREINS

Mit den Beilagen: Für unsere Mütter und Hausfrauen und Für unsere Kinder

Die Gleichheit erscheint alle vierzehn Tage einmal. Preis der Nummer 10 Pfennig, durch die Post vierteljährlich ohne Bestellgeld 55 Pfennig; unter Kreuzband 85 Pfennig.

Jahres- Abonnement 2,60 Mart.

Inhaltsverzeichnis.

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Stuttgart

1. Oktober 1913

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Das Ergebnis des Jenaer Parteitags. Heinrich Dietz zum 70. Ge burtstag. Von Klara Zetkin . Die Tätigkeit der Frau in der Gemeinde. VII. Bon Anna Blos . Der Geburtenrüdgang in Berlin . 1. Von Therese Echlesinger. II. Von Mathilde Wurm . Die Frau in der Invalidenversicherung. Von Fr. Kleeis. Stein Gegensag, Zusammenwirken. Von R. W. Aus der Bewegung: Die Beteiligung der Genossinnen am Parteitag zu Jena . Tätigkeitsbericht der Genossinnen im Reichstagswahl­freis Mannheim . Bericht über die Leje- und Distussionsabende der Genossinnen in Linden.- Ferienausflüge für Arbeitertinder in Kiel . Politische Rundschau. Von a. th. Gewerkschaftliche Rundschau. Arbeitslosenzählung im Deutschen Textilarbeiter

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verband. Von sk.

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Sozialistische Frauenbewegung. Frauen

Notizenteil: Arbeitsbedingungen der Arbeiterinnen. Frauenbewegung im Ausland. stimmirecht.

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Das Ergebnis des Jenaer Parteitags.

Seit Jahren haben wir auf feinen unserer Parteitage mit aufrichtigerer Befriedigung zurückgeblickt als auf die Be­ratungswoche in Jena . Denn sie hat gebracht, was nach un­serem Dafürhalten eine wichtige, ja unerläßliche Voraus­setzung für die fraftvolle weitere Entwicklung und Betäti­gung unserer Partei ist: ein klares Bild der Strömungen, die in ihr vorhanden sind und natürlich genug danach drängen, das Leben, die Aktion der Sozialdemokratie zu bestimmen. Nichts irriger und oberflächlicher, als das Borhandensein der Richtungen in ihr aus der verschiedenen persönlichen Eigenart ihrer vornehmsten Vorkämpfer zu erklären, nichts verhäng­nisvoller für die Gesundheit und Stoßkraft der Partei, als die vorhandenen Gegensäge leugnen zu wollen. Unter welcher theoretischen Etikette auch immer sie uns in der Geschichte der Sozialdemokratie entgegentreten, lassen sie sich für die Praxis doch summarisch, aber dafür greifbar zusammenfassen als Strömungen für eine opportunistische und solche für eine entschlossene proletarisch- revolutionäre Taftif. Der Kern­punkt der Gegensäge bleibt lezten Endes die Bewertung der Tageserfolge, gemessen an den dauernden Klasseninteressen des Proletariats und dem sozialistischen Endziel, bleibt in Verbindung damit die verschiedene Würdigung der einzu­schlagenden Taktik und der gebotenen Kampfesmittel.

So oft in den letzten Jahren politische Ereignisse oder Vor­gänge unseres Parteilebens zu einer offenen Auseinander­segung zwischen den Ansichten rechts" und" links" zu treiben schienen, es fam nicht dazu. Auf den Parteitagen wurden die Gegensäte abgeftumpft, die Nisse in der Auffassung zwi­schen hüben und drüben verschleiert. Die Atmosphäre der Parteitage hatte etwas Schwüles, Dumpfiges. Wohl wetter­leuchtete es hier und da in den Debatten, doch der klipp und flare Waffengang der Meinungen unterblieb. Mit einer ge­wissen ängstlichen Scheu ging man unzweideutigen Entschei­dungen aus dem Wege, bemühte man sich, die Erörterungen so zu richten, daß sich schließlich Opportunismus und Radikalismus" auf einer mittleren Linie" zusammenfinden

OR GAS KATH.

Zuschriften an die Redaktion der Gleichheit

CHLAND

find zu richten an Frau Klara Zetkin ( 3undel), Wilhelmshöhe, Post Degerloch bei Stuttgart . Die Expedition befindet sich in Stuttgart , Furtbach- Straße 12.

THE

konnten. Die ,, Linke" hatte ihr redlich Teil, ja im Grunde den größten Teil Schuld an diesem Gange der Dinge, der unserer festen überzeugung nach nicht die gesunde Kraft, die Schlag­tüchtigkeit der Sozialdemokratie förderte. In dem Halb­dunkel unausgetragener Meinungsunterschiede über Grund­sätze und Taktik der Partei konnte sich in der Praxis der Opportunismus ausdehnen und aufrecken. Doch verhängnis. voller als diese Erscheinung begann es zu werden, daß dem Radikalismus" aus Rücksicht auf den Schein der Friedens­liebe", aus Furcht vor möglichen Niederlagen die Lust und Kraft schwand, sich mit opportunistischen Strömungen zu messen. Die jeweilig auftauchenden Streitfragen versumpften, statt daß sie ehrlich ausgefochten wurden.

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Der dritte Parteitag zu Jena hat mit diesem Verhalten ge­brochen. Der bedeutsamste Teil seiner Beratungen und Be­schlüsse galt Massenstreif und Steuerfrage, galt damit dem Ringen um die Taktik der Partei. Und dabei standen sich vom Anfang bis zum Ende die Geister wieder in reinlicher Scheidung gegenüber. So konnten über Massen­streik und Steuerfrage die Auseinandersetzungen nicht wie es fast zur geheiligten Tradition geworden war in dem Nebel allgemein gehaltener, deutungsreicher Resolutionen verlaufen, denen Radikale" wie Opportunisten" mit glei­chem inneren Unbehagen ihre Stimme gaben. Die Delegierten mußten sich für ein glattes, nacktes Ja oder Nein entscheiden. So hat der Parteitag das Augenmerk der ganzen Sozial­demokratie erneut auf die Notwendigkeit gelenkt, gründlich und ohne Voreingenommenheit die beiden Richtungen zu prüfen, die nicht zufälliger, nicht persönlicher Art sind, viel­mehr ihre tiefen Wurzeln in den geschichtlichen Verhältnissen haben, unter denen das deutsche Proletariat seinen Befreiungs­tampf führt. Sie prüfen, mit ihrem geschichtlichen Unter­grund und mit ihrem Auswirken in der Praxis, das heißt aber Stellung zu ihnen nehmen und sich zwischen ihnen ent­scheiden.

Um dieser Folge willen nehmen wir die Niederlage" der radikalen Minderheit auf dem Parteitag ohne Erschütterung in den Kauf. Denn unerschütterlich steht unsere überzeugung, daß der Verlauf der gesellschaftlichen Dinge selbst je länger je unwiderstehlicher den Klassenkampf des Proletariats, die Taktik der Sozialdemokratie aus dem seichten Bett einer opportunistischen Politik drängt. Und ihr gesellt sich gerade seit Jena die frohe Hoffnung hinzu, daß der radikale Flügel der Partei diesen Entwicklungsprozeß fraftvoll, bewußt be­schleunigen wird. Der heurige Parteitag hat ihm den Willen und die Spannkraft zum offenen ernſten Ringen Th ungemilderte, aggressive proletarisch- revolutionäre attit za rückgegeben. Er hat scharf die Dringlichkeit beleuchtet die ganze Energie für eine Sammlung der Parteigenoffen auf dem Boden einer solchen Taftik einzusetzen, ein Streben, das sich nur durch Klärung und Vertiefung der Erkenntnisse AND verwirklichen läßt. Er hat den Radikalen" gelehrt, dabei auf ihre eigene Kraft zu bauen und weder auf Ermutigung und Zustimmung durch die Leitung der Partei zu warten, noch

Stadtbibliothek Mönchengladbach

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REINS

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