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Die Gleichheit
erhaltung der Autorität des Arbeitgebers und für einen wirk famen Arbeitswilligenschutz". Das ist das Buchthaus gesek! Eine Ausbeuterfoalition, mächtiger als irgend eine zubor, hat sich zusammengeballt, um endlich den Naden der deutschen Arbeiter unter dieses infame Joch zu beugen. Der Henker steht vor der Tür! Die liberalen Parteien im Reichstag wurden angeherrscht, endlich Order zu parieren, und die liberale Presse beeilt fich, zu verfichern, daß, wenn das Zuchthausgesetz wieder im Reichstag erscheint, die liberalen Parteien mit ganz anderem Nachdruck als bisher sich der Sache annehmen werden.
Gegen die Arbeitslosenversicherung liefen die Zentralverbändler wütend Sturm. Die überaus zahmen sozialpolitischen Beschlüsse der gleichzeitig tagenden Internationalen Vereini gung für Arbeiterschutz wurden heftig bekämpft und die Regierung angewiesen, ihnen ihre Zustimmung zu versagen. Inzwischen aber ist diese Versammlung bürgerlicher Sozialreformer vor dem Stirnrungeln der Unternehmer schon selbst in die Knie gefnidt. Ursprünglich hatte die Konferens das Verbot industrieller Nachtarbeit für jugendliche Arbeiter bis zu 18 Jahren und den zehnstündigen Arbeitstag für Arbeiterinnen jeden Alters und jugendliche Arbeiter bis zu 18 Jahren verlangt. Von den Ausbeutern eines Besseren belehrt, setzte sie die Altersgrenze der Jugendlichen, für die der zehustündige Maximalarbeitstag gelten soll, auf 18 Jahre herunter und die Altersgrenze für das strikte Verbot der Nachtarbeit Jugendlicher gar auf 14 Jahre! Das ist nicht die Aufrichtung, sondern die Niederreißung von Schranken gegenüber dem Ausbeutungsdrang des Kapitals.
An die Verhandlungen des Zentralverbandes der deutschen Industriellen schloß sich eine gemeinsame Sizung mit dem Zentralverband österreichischer Industriellen an. Die Losung war: internationaler Zusammenschluß gegen die Arbeiterben egung. Der Schutzzoll soll Schulter an Schulter mit den Junfern verteidigt werden.
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zollpolitischen Fragen weicht der Bund der Industriel , als die Interessenvertretung der Fertigindustrie, in einer Reihe von Fragen vom Zentralverband ab, aber einig ist er mit ihm gegen die Arbeiterklasse. Die Leipziger Tagung des Bundes ser Industriellen ist eine scharfe Kampfansage an das Proletariat. Polizei und Justiz wurden aufgefordert, noch schärfer als bisher die bestehenden Geseze gegen die Arbeiterbewegung anzuwenden; insbesondere soll der Nötigungsparagraph gegen die Gewerkschaften gerichtet werden. Mit Frohlocken wurde es von den Ausbeutern begrüßt, daß die nationalliberale Fraktion ihre„ Stellung zur Streik. poftenfrage revidiert", das heißt einem Buchthausgesetz nicht länger abgeneigt ist. So reckt sich das Ausbeutertum drohender denn je gegen die Arbeiterschaft auf. Die von ihr eroberten spärlichen sozialpolitischen Errungenschaften sollen gestrichen, ihre Organisa. tionen zerbrochen werden. Das dünft dem Kapital heute durchaus nicht unmöglich.
Das grauenhafte Elend der Arbeitslosigkeit, das schon Sunderttausende deutscher Proletarier erfaßt hat, läßt die Herr chenden talt. Die„ Kreuzzeitung ", das Blatt der preußischen Junter, wendet sich fategorisch gegen jede Arbeitslosenversicherung burch Staat oder Gemeinden. Die Unterstützung der Arbeitslosen müffe allein den Gewerkschaften überlassen bleiben. übernehmen Staat oder Gemeinde diese Aufgabe, so sei das eine indirefte Förderung der sozialdemokratischen Gewerkschaften und eine Speifung ihres Streiffonds aus den Mitteln der Besitzenden. Die Arbeitslosenfrage, heißt das, ist keine Frage des guten Herzens, sondern des Klaffenkampfes. Das ist eine Lehre für die Arbeiter, bitter aber heilsam. Bekräftigt wird diese Lehre durch das amtliche Blatt der Reichsregierung. Das erklärt von oben herunter, alle Versuche der Gemeinden und Verbände in der Sache der Arbeitslofenversicherung hätten bisher nur Mißerfolge erzielt. Das ist zwar nicht wahr, aber es ist eine passende Einleitung für den hohnvollen Vorschlag, die Arbeitslosen zur Urbarmachung von Odland , Mooren und Heide zu verwenden.
Das Verständnis, das der Regierung für die Not der Arbeitslofen abgeht, hat sie dagegen in vollem Maße für die armen Monarchen. Bei der Beratung des Wehrbeitrags hatte der Reichsfanzler wie ein Löwe dafür gekämpft, daß die regierenden Fürsten nicht gesetzlich verpflichtet werden sollten, im selben Maße wie die anderen Besitzenden auf dem Altar des Vaterlandes zu opfern. Sie würden sich freiwillig besteuern. Der Reichskanzler schilderte die deutschen Fürsten als von Edelmut triefend. Die Beiträge der Fürsten waren bisher auf 25 Millionen Mark veranschlagt worden. Nun erfährt man aus amtlicher Quelle, daß unsere hochsinnigen Landesväter höchstens 3 Millionen Mark bezahlen werden. Diese Anickerigkeit könnte patriotische Gemüter verschnupfen. Aber solche
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mögen fich mit der Erwägung trösten: hätten die Fürsten mehr zu blechen, so würden wohl die meisten von ihnen den Vermögensausfall durch eine Erhöhung der Zivilliste zu decken suchen, wie das der König von Württemberg in weiser Vorsorge tat. Sein badischer Kollege soll demnächst um eine Gehaltsaufbesserung eintommen wollen. Vielleicht auch halten die deutschen Fürsten das Geschrei für übertrieben, das von der dem Vaterland durch Frangosen und Slawen drohenden Gefahr gemacht wurde.
Die lehte ungeheuerliche Heeresvorlage hat den Militärs den Ramm schwellen lassen. Bei der Jahrhundertfeier" eines Infanterieregiments zu Frankfurt a. M., zu deren Kosten die Stadt einen namhaften Beitrag leistete, sprach ein General v. Schenk von„ Angriffen, die unser Heer heutzutage von zweifelhaften Elementen zu erleiden" habe. Von dem sozialdemokratischen Reichstagsvertreter der Stadt bei seiner soldatischen Geradheit aufgefordert, offen herauszusagen, wen er unter diesen„ zweifelhaften Elementen" verstanden wissen wolle, erklärte der tapfere Krieger, er habe keine Veranlassung, über eine von ihm aus dienstlicher Veranlassung gehaltene Ansprache irgend welche Kommentare gu geben". Das Heer entwickelt sich immer mehr in eine geschlossene Organisation zur Sozialistenbekämpfung.
Um die kolossalen Waffenlieferungen, die der Staat infolge der letzten Militärvorlage zu bergeben hat, entspinnt sich ein wütender Kampf unter den großen Waffenfabriken. Um die Ronkurrenz gegen die Firma Krupp energischer als bisher aufzunehmen, plante die Firma Erhardt, die Schnellfeuergeschüße fabriziert, ihr Attienkapital zu erhöhen. In der Generalversammlung der Aftionäre, die darüber beschließen sollten, erschienen aber plöglich drei Herren aus Berlin mit großem Aktienbesiz, um die Kapitalserhöhung niederzustimmen. Hinter diesen drei Herren stand niemand anders als die Firma Krupp . Durch Bestechungen und Schiebungen wahrt diese Firma ihre Monopolstellung, um das Reich stärker schröpfen zu können. So erwirbt man sich Verdienste aus dem Vaterland. Ist es ein Wunder, daß ein Land,
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in dem Säbel und Flinte allmächtig sind, brutal an den Gendarmenfäbel appelliert, um mißliebigen ausländischen Rednern den Mund zu stopfen? So wurde den. belgischen Parteigenossen Bandersmissen und Huysmanns, die in einer Berliner Parteiversammlung über den belgischen Massenstreit reben sollten, vom Berliner Polizeipräsidium unter Androhung sofortiger Landesverweisung das Reden verboten.
Gegen die Arbeiterjugend wird von den Staatsstüben eine Hezjagd unterhalten, mit der fich höchstens die Hetjagd gegen die weiland revolutionäre Jugend der Bourgeoisie vor der achtundvierziger Revolution vergleichen läßt. Man weiß nicht, soll man mehr die Blödigkeit oder die Gewissenlosigkeit bewundern, mit der die Sache betrieben wird. Klassisch ist folgendes Stüd. 24 Jugendliche wurden wegen Vergehen gegen das Vereinsgesetz angeklagt, weil sie sich Heines Gedicht„ Die Weber" und Freiligraths Trotz allebem" hatten vorlesen lassen. Das Gericht sprach fie frei; der Staatsanwalt aber legte Berufung ein. Vor dem Berufungsgericht erklärte dieser Herr, Gadom mit Namen, bestraft müßten die Jugendlichen werden, doch seien ihnen mildernde Umstände zuzubilligen: als bedauernswerten Verführten der Sozialdemokratie. Diese verheiße den jungen Leuten die Errichtung eines goldenen Zeitalters, in dem niemand mehr zu arbeiten braucht". Trotz dieses schweren Geschützes sprach das Gericht die Jugendlichen wiederum frei.
Die Krönung der innerpolitischen Ereignisse der letzten Zeit bildet der freche Wahlrechtsraubin Alton a. Bürgermeister und bürgerliche Stadtvertreter erklärten frant und frei, daß sie auf gefeßliche Formalitäten pfeifen, wenn es gilt, eine sozialdemo tratische Mehrheit auf dem Rathaus zu verhindern.
In Irland wird der Kampf zwischen Unternehmern und dem Transportarbeiterverband immer erbitterter und umfassender. Die Unternehmer haben die Verhandlungen mit der Deputation des englischen Gewerkschaftskongresses abgebrochen. Sie wollen nicht verhandeln, sondern die Gewerkschaftsorganisation bernichten. Die Unternehmer von Irland haben die Aussperrung verhängt über alle, die am Transportarbeiterverband festhalten. In Dublin , der Hauptstadt von Jrland, zählt man jetzt schon über 20 000 Arbeitslose. Die Hafenarbeiter von Dublin haben sich ihren streifenden Brüdern angeschlossen. Noch mehr. Der Streif hat auf England übergegriffen. In Biverpool stehen 5000, in Birmingham 4000 Transportarbeiter im Sympathiestreit, und schon rüsten sich die Londoner Omnibusschaffner und Automobilchauffeure gleichfalls, den irischen Arbeitern durch einen Sympathiestreit zu Hilfe zu eilen. Die irische Polizei seht ihre Ausschreitungen fort. In Finglar bei Dublin stieß sie mit