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Die Gleichheit

reißergesindels in Anspruch nehmen, so hielten sie sich doch den Herrn selbst weit vom Leibe. Der Stettiner Magistrat ist vor. urteilsloser, er tritt mit Herrn Hesberg selbst in Arbeitsgemein schaft. Die Steuerzahler aber haben das Maul zu halten, wenn mit ihrem Gelde die Dienste dieses Ehrenmannes bezahlt werden. Eine Lohnbewegung der st ä dtischen Reinemachfrauen in Neukölln hat der Gemeindearbeiterverband eingeleitet. Die im Rathaus und in den städtischen Schulen beschäftigten Reine­machfrauen fordern den Abschluß eines Tarifvertrags unter gleich­zeitiger Erhöhung ihrer Löhne um 3 bis 5 Mt. im Monat. Bis jetzt werden noch Löhne von 21 bis 26 Mt. monatlich gezahlt. Die Aussperrung in den Brennaborwerken in Bran­ denburg a. d. H. hat mit einem Erfolg für die Arbeiter ge­endet. In der Berliner Glasindustrie ist seit dem 1. Oktober ein Streit ausgebrochen. Die Arbeiter verlangen eine allmähliche Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit bis auf 50 Stunden; sie soll im Jahre 1915 erreicht sein. Verhandlungen führten bisher zu feinem Ergebnis.

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Der Tarifkampf im Karlsruher Mezgergewerbe ist in ein neues Stadium getreten. Die Ausgesperrten haben unter Zustimmung des Gewerkschaftskartells beschlossen, eine eigene Schlächterei und Wursterei in Form einer Gesellschaft m. b. H. zu gründen. Die proletarischen Frauen müssen durch Unterstützung dieses Unternehmens den prozigen Schlächtermeistern Respekt vor der gewerkschaftlichen Organisation und den Forderungen der Ar­beiter beibringen.

Die Unternehmer im Malergewerbe in Rheinland und Westfalen verharren unentwegt im Tarifbruch, und der Unternehmerverband macht keine Miene, sie zur Einhaltung der Abmachungen ernstlich zu zwingen. Die jeßige Arbeitslosigkeit ist den Tarifbrechern günstig, und hinter ihnen stehen außerdem ficher die großindustriellen Scharfmacher. Und solche Leute be­haupten perleumderisch, daß die Arbeiterorganisationen keine Bürgschaft für die Einhaltung der Tarifverträge böten, und solche Leute verlangen die Hinterlegung von Tausenden von Mark, um bei Tarifbruch sich schadlos halten zu können.

Wie die Sicherheitsmänner im Bergbau als weiße Salbe" wirken, hat sich jüngst wieder erwiesen. Den Sicherheits­männern steht bekanntlich die Kontrolle in den Gruben zu. Sie sollen in einem Buche Eintragungen über angetroffene mangel hafte Einrichtungen machen, die Leben und Gesundheit des Berg­manns gefährden. Die Bergbehörde hat dann auf Abstellung der beregten Mißstände zu dringen. Nach dem Berggesez können Sicherheitsmänner während ihrer Amtsperiode nicht entlassen werden, es sei denn, sie machten sich grober Verstöße gegen die Arbeitsordnung oder das Berggesez schuldig. Die Grubenverwal­tungen aber wissen schon sich der unbequemen Sicherheitsmänner zu entledigen, die es mit ihrem Amte ernst meinen. Auf einer fiskalischen Grube im Saarrevier wurde eine Steiger­abteilung einfach aufgelöst und auf diese Weise das Mandat des Sicherheitsmanns zum Erlöschen gebracht. Nebenbei bemerkt war der Betreffende Mitglied des alten Bergarbeiterverbandes. Er wurde nach einem anderen Schacht verlegt, wo er erheblich weniger verdiente. Nach dem Erlöschen seines Mandats ließ man die auf­gelöste Steigerabteilung wieder aufleben und einen neuen Sicher­heitsmann wählen, einen gelben". So ist nun alles in bester Ordnung. Das geschah in einer staatlichen Grube. Was ist da erst von Privatunternehmern zu erwarten? Die christlichen Berg­arbeiterführer waren im preußischen Abgeordnetenhaus des Lobes voll, welch sozialpolitische Wohltat die Sicherheitsmänner für die Bergarbeiter darstellen. Seither schweigen sie alle Schifanierungen und Verfolgungen der Sicherheitsmänner tot und zahlen lieber aus ihrer Verbandskasse Entschädigungen für die Sicherheits­männer, die durch die Verwaltungen der Saargruben im Ver­dienst geschmälert werden. Das nennt man Berteidigung der Ar­beiterinteressen.

Gute gewerkschaftliche Tendenzen bei ihrer weiteren Ausgestal­tung zeigt die Organisation der Schauspieler und Schauspiele­rinnen. Die Genossenschaft deutscher Bühnenange­ höriger hat als Neuerung eine Engagementsvermittlungsstelle eingerichtet, die keine Agentur ist, sondern ein kostenloser Stellen­nachweis. Durch diese Einrichtung könnte dem schändlichen Un­wesen der Theateragenturen entgegengewirkt werden. Auch eine Reisedarlehenskasse kam zur Einführung. Den Mitgliedern wird daraus bei neuen Engagements das Reisegeld als Darlehen vor­geschossen. Daneben besteht eine Engagementslosenkasse, aus der pro Tag 1,50 Mt. im Falle der Beschäftigungslosigkeit bezahlt wird. Endlich stellt sich eine Kostümzentrale die Aufgabe, in erster Linie den weiblichen, aber auch den männlichen Mitgliedern No­

Nr. 2 ftüme und moderne Garderoben zu angemessenen Preisen zu liefern.

Die Organisationszersplitterer in der Handlungsgehil fenbewegung haben sich neulich in Berlin die wohlverdiente Abfuhr geholt. Der aus dem verkrachten Bund der kaufmännischen Angestellten hervorgegangene Allgemeine Verband der faufmännischen Angestellten hatte dort zur Gründung einer Ortsgruppe eingeladen. In der Gründungsversammlung suchte man den Versammelten vorzumachen, daß der neutralge­werkschaftliche Gedanke unter den Handlungsgehilfen marschiere. Doch die Versammlung zeigte dafür kein Berständnis. Die ge­plante Gründung einer Ortsgruppe tam nicht zustande, dagegen wurde eine Resolution angenommen, die den Zentralverband der Handlungsgehilfen und gehilfinnen als gewerkschaftliche Orga­nisation der im Handelsgewerbe Ausgebeuteten erklärte. Ein neuer Verband fehlte in der Handlungsgehilfenbewegung gerade noch! Die bestehende weitgehende Bersplitterung erschwert schon jetzt eine tatkräftige Interessenvertretung ganz erheblich. Erfreu lich erscheint es uns, daß zwischen den beiden verwandten Ver­bänden, dem der Handlungsgehilfen und dem der Bureauange­stellten, die Frage der Verschmelzung erwogen wird. Die wirt­schaftliche Entwicklung macht eine Zusammenfassung aller Kräfte nötig.

Die Wahlen zu den Ausschüssen der Kranken­tassen haben in manchen Orten schon stattgefunden, in anderen stehen sie noch bevor. Soweit ein Überblick schon möglich ist, haben die von den freien Gewerkschaften aufgestellten Kandidatenliſten große Mehrheiten der abgegebenen Stimmen auf sich vereinigt. Man vergesse jedoch für die noch ausstehenden Wahlen nicht, daß der Wahlausfall nicht mehr wie früher durch die absolute Mehr­heit entschieden wird, sondern daß das System der Berhältniswahl über die Vertreter entscheidet. Die Erfahrung hat aber gezeigt, daß die von den freien Gewerkschaften aufgestellten Vertreter in den Krankenkassen die treuesten und konsequentesten Verfechter der Rechte der Mitglieder sind. Sie streben danach, die Kassen­leistungen den Interessen der Arbeiter und Arbeiterfamilien voll nutzbar zu machen bis zu den Grenzen, die die Gesetzgebung leider ihrem Wirken gezogen hat. Und wie sie innerhalb dieser Grenzen auf die besten Leistungen der Kassen bedacht sind, so treiben sie auch zur Reformierung der Krankenversicherung selbst. Deshalb dienen die Arbeiter und Arbeiterinnen nur ihren ureigenen Bedürfnissen für die Tage der Krankheit und Rot, wenn sie mit ganzer Energie dafür eintreten, daß die Stimmen sich auf die Kandidaten der freien Gewerkschaften häufen. Die Gleichheit" hat wiederholt daran erinnert, daß auch die großjährigen weiblichen Kassenmit­glieder Wahlrecht und Wahlberechtigung zu den Ausschüssen der Krankenkassen besiken. Sie hat eingehend dargelegt, wie wichtig es ist, daß sie dieses ihr Recht ausnußen und mit voller Einsicht ausnußen. Keine Genoffin in Gewerkschaft und Partei darf ber­absäumen, ihre Kraft rückhaltlos in den Dienst dieser Wahlbewe­gung zu stellen. Auch sie ist ein bedeutsames Stück Kampf um die Wahrung der Interessen des arbeitenden, qusgebeuteten Volkes. Darum auch hier bis zur letzten der noch ausstehenden Wahlen: An die Arbeit, in den Kampf!

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Aus der Textilarbeiterbewegung. Den Sumpf der christlichen Gewerkschaftsbewegung beleuchtet eine kürzlich erschie­nene Broschüre. Ihrem Verfasser Röhling fann die Sachfennt­nis nicht wohl abgesprochen werden. Nahezu ein Jahrzehnt hat er dem christlichen Textilarbeiterverband als Redakteur und Bezirks­leiter gedient und jahrelang dessen Vorstand angehört. Röhling enthüllt in einer Reihe Einzeldarstellungen, die sich auf Briefe von ihm selbst und anderen christlichen Textilarbeiterbeamten stüben, ein efelerregendes Bild der Korruption, die in der Leitung des christlichen Verbandes herrscht. Die Darstellung Röhlings belastet besonders start den Verbandsvorsitzenden und Reichstagsabgeord­neten Matthias Schiffer. Schlimmstes Licht wirft auf diesen Mann eine Affäre, die Röhling unter der überschrift schildert: Die Geldschrankschlüssel". Im Bureau des Zentralverbandes zu Düsseldorf ward ein Geldschrank aufgestellt, zu dem der Fabrikant angeblich nur ein Paar Schlüssel geliefert hatte. Als dieser vom Kassierer darauf aufmerksam gemacht wurde, was geschehen solle, wenn die Schlüssel am Tresor stecken blieben und die Tür zu­schlage, erwiderte dieser:" Dann müssen Sie an die Fabrik schrei­ben." Doch lassen wir den Verfasser selbst reden:

Ein halbes Jahr später! Der Rassierer rennt wie ein Besessener durch die Bureauräume und schreit: Ich werde bestohlen, ich werde bestohlen!' Offenen Mundes globe ich ihn an und denke zunächst: der ist plötzlich wahnsinnig geworden. Aber schnell ist die Situation aufgeklärt. Staunend vernehme ich, daß unser für absolut diebes­

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