Nr. 3 Die dert Familien kennen zu lernen und mich mit Männern und Frauen zu unterhalten. Die meisten von ihnen waren nicht mehr die genügsamen, heiteren Menschen, die von älteren kleinbürgerlichen Heimatsdichtern gepriesen wurden. Sobald das Gespräch aus das Thema Kinder­arbeit kam, erwiesen sich meine Erzgebirgler zumeist un­zugänglich. Sie schimpften auf das Gesetz, das die Aus­nutzung der Kleinen einschränkt. Sie können nicht einsehen, das; das Kind ein Recht auf seine Jugend, auf Ruhe und Spiel hat. Weil sie selbst schon als zartes Kind schwer mit­arbeiten mutzten, betrachten sie es als das Recht der Eltern, ihrem Erwerb die Arbeitskraft der Kinder zuzurechnen. Die Mitarbeit der Kinder erscheint ihnen außerdem als wichtige? Erziehungsmittel. Das Herumtollen, Spielen und Lachen der lieben Jugend ist in ihren Augen verderblicher Müßiggang . Elend und Gewohnheit haben ihren Blick blind dafür ge­macht, daß die Umstände, unter denen die Kinder erwerbs­tätig sein müssen, den erzieherischen Wert der Arbeit töten. Hier handelt es sich um ausgebeutete Arbeit schlimmster Art, die die gesunde, kraftvolle Entwicklung von Körper und Geist hemnit und lähmt, und nicht um erziehende Arbeit, die die jungen Kräfte des Leibes und der Seele aufblühen läßt. Es wird noch ein großes und schweres Stück ausklärender Arbeit kosten, bis in dieser Beziehung die Macht der Not und des Herkommens gebrochen ist. Von ganz besonderer Bedeu­tung aber für das Verschwinden der Kinderbeschäftigung in der heimindustriellen Spielwarenmacherei des Erzgebirges wie der Heimarbeit im allgemeinen ist die gesetzliche Fest­legung von Minimallöhnen. Auch betreffs dieser Forderung werden Gewerkschaften und Sozialdemokratie im Bunde eine Gasse brechen, auf der große Scharen rücksichtslos Ausgebeuteter einer lichteren Zrckunft entgcgenschreiten. Else Woldt. Süß und ehrenvoll ist es, fürs Vaterland zu sterben. Am 9. September wurde das MarineluftschiffI-. 1" durch einen Sturm in der Nordsee zerstört, 14 Mann seiner Besatzung fanden den Tod im Wasser. Am 17. Oktober ex­plodierte das MarineluftschiffIi-. 2" bei Johannistal, 28 Personen fanden den Tod im Feuer.Der ft. 2 hatte eine Höhe von etwa 799 Meter erreicht, als plötzlich aus dem vor­deren Teil des Luftschiffes eine Flammengarbe herausschoß. Unmittelbar darauf folgte eine furchtbare Detonation, und schon in der nächsten Sekunde stand das Luftschiff in Flam- men. Durch die Gewalt der Explosion wurde die Ballonhülle in Tausende und aber Tausende Fetzen zerrissen. Das ganze Luftschiff bildete ein Flammenmeer, aus dem sich gleich dar­auf die glänzenden Aluminiumstangen des Gerippes deutlich abhoben. ManhörteentsetzlicheschrilleSchreie, sah aus der vorderen Gondel mit einemTuch winken. Dann sauste der schwere Schiffskörper über und über in Ranch gehüllt zur Erde herab. Während des Sturzes sprang egr zwei Mann der Besatzung aus der Gondel heraus. Sie wurden von dem auf sie stürzenden Gerüst des Luftschiffes zermalmt." Von allen Seiten eilt man zu Hilfe.Der Anblick, der sich uns bot, war so entsetzlich, daß er sich kaum beschreiben läßt. In der Hinteren Gondel saßen Menschenhaie sich in den Flammen wanden und zuckten. Ein Offizier schrie furchtbar um Hilfe und versuchte sich zu befreien. U m s o n st." Endlich gelingt es, das Feuer zu löschen und durch die Gerippteile an die Gondeln heranzu- konimen, um die Insassen zu befreien.Man riß den Körpern die verbrannten, oft noch glimmenden Kleidungsstücke ab, aber es waren nur noch versengte, zusammenge­schrumpfte Körper."Die Leichen waren durchweg schwarz verkohlt und bis auf die Knochen verbrannt, sie boten einen schrecklichen Anblick." Drei Menschen fand man noch lebend.Einer, er war im Gesicht und amOber- �1 körper verbrannt, war bei Bewußtsein und schrie ununterbrochen:Schlagt mich totl"Ein anderer kam ebenfalls wieder zu sich und sagte:Meine Frau, mein Kind!" Dann verschied er.Der zweite der überlebenden starb auf dem Transport ins Krankenhaus, während der dritte dort erst nach Stundenunbeschreiblichen Leidens durch den Tod erlöst wurde". Am glei­chen Tage verunglückten drei Militärflieger tödlich. So er­weist die jüngste Waffe des Militarismus bereits im Frieden ihre tödliche Wirkung. Wem gebührt nach diesem Unglück Teilnahme? Die bürger­liche Presse belehrt uns darüber:Graf Zeppelin, auf den sich wieder einmal in herzlichster Teilnahme alle Augen richten." Doch nicht Zeppelin allein ist Leidtragender. Der Reichskanzler drahtet dem Großadmiral v. Tirpitz:Tief er­schüttert durch die Nachricht über den Verlust des Ii-. 2 spreche ich Ew. Exzellenz und der kaiserlichen Marine meine herz­lichste Teilnahme aus." Erst nachdem er dem Großadmiral v. Tirpitz seine herzlichste Teilnahme für den Verlust einer leblosen Sache ausgesprochen hat, die diesem gar nicht gehört, und für dessen Verlust nicht dieser, sondern das Volk zahlen muß, gedenkt der Reichskanzler auch der umgekommenen Be­satzung und ihrer Hinterbliebenen. Diesen läßt erden Aus­druck seines Mitleids übermitteln". Der Kaiser aber tele­graphiert dem Reichsmarineamt :Wieder hat ein schwerer Schicksalsschlag meine Marine getroffen. Das Luftschiff I-. 2 ist einer Explosion zum Opfer gefallen, und fast 39 brave Männer, darunter die berufensten Förderer der neuen Waffe, haben dabei ihr Leben lassen müssen. Ihr Tod im Dienste des Vaterlandes sichert ihnen bei mir und dem ganzen deutschen Volke'ein ehrendes Gedenken. Ihren Angehörigen ist unser aller herzliches Beileid gewiß." Also nicht umsonst sind jene Unglücklichen zerschmettert und geröstet worden. Nein, ihr Tod sichert ihnen ja ein ehrendes Gedenken bei ihm" und nachihm" auch noch beim deutschen Volke. Und wenn die Angehörigen der Verunglückten vom Gedanken an das schauerliche, qualvolle Sterben ihrer Lieben gemartert werden, so mögen sie sich damit trösten, daß ihnenunser aller herzliches Beileid gewiß" ist. Zur Linderung ihres Schmerzes wird sicherlich noch ein Gedenkblatt beitragen, das der Kaiser verinittelst eines Akadenüeprofessors zeichnen wird. Wäre Wichelm II. kein so guter Christ, so könnte er auf die­sem Gedenkblatt darstellen, wie die Karthager zur Rettung des Vaterlandes dem Götzen Moloch ihre Kinder in den glühenden Nachen werfen. Der Zweck des untergegangenen Luftschiffes war Mord. Der Massenmord sollte exakter gestaltet werden, ihm wollte man ein neues Element erobern, ein neues Aktionsfeld schaffen durch den Luftkrsuzer, der auf seinein Rücken eine Plattform zur Aufstellung eines Geschützes trug. Allerdings sollte es nicht Deutsche morden, sondern Russen und Franzosen . Klingt eS da nicht wie Hohn, wenn der Präsi­dent der französischen Republik dem Kaiser sein Mitgefühl ausspricht überdas schmerzliche Unglück, das dem Marine- luftschiff D. 2 widerfahren ist"? Aber gerade weil diese Worte nicht höhnisch gemeint sind, kommt in ihnen die Heuchelei und der Widersinn der kapitalistischen Welt zum Ausdruck: die Nationen schmieden Waffen zur gegenseitigen Vernich­tung, und wendet sich dann die Waffe gegen ihren Schöpfer, so kondoliert diesem jener, den die Waffe treffen sollte. Doch die fremden Völker werden um ihr Teil nicht herumkommen. Der Kaiser schließt die obige Veileidskundgebung mit den Worten:Aber die Trauer über das Geschehene wird, davon bin ich überzeugt, nur zu erneuten Anstrengungen anspornen, die so wichtige Luftschiffwaffe zu einem zuverlässigen Kriegs- mittel zu entwickeln." DaS Luftschiff explodierte am 17. Oktober, einen Tag vor der Jahrhundertfeier der Leipziger Völkerschlacht . Hatten unsere Herrschenden nicht so viel Scham im Leibe, mit Rück- ficht auf die geschichtliche Wahrheit auf jene Festfeier zu ver­zichten. so hötten sie es jetzt angesichts desnationalen Un-