<4Die GleichheitNr.ZOberhand. Zum Überfluß�stellt der Abgeordnete Böttcher alsProgramm der KommissionSmitglieder fest:.Sie haben sich an dieArbeit begeben, einen wirksamen und ausreichenden Arbeitswilligen-schuy in Gemeinschaft mit anderen Parteien der Ordnung zu bewerkstelligen."Diese.Frühlingsbotschaft auS dem Süden", wie sie Böttcher imvberschwang seines Ausbeutergemüts nannte, war ein passender Auftakt zu der Jahrhundertfeier der Befreiungskriege und derKölkerschlacht bei Leipzig. Die Feier war gedacht als eine festliche Bekundung der Jnteressenharmonie aller Klassen im deutschenKaterland und als eine Kundgebung geschlossener nationaler Kraftnach außen. Sie verwandelte sich aber ihren Veranstaltern unterder Hand in eine Schaustellung aller empörenden und lächerlichenSeiten des Regiments der herrschenden Klassen Deutschlands, ftberdie Stadt Leipzig wird der kleine Belagerungszustand verhängt.Infanterie und Kavallerie patroulliert von früh bis spät inMassen in den Straßen Leipzigs. Die Bevölkerung der Stadt wirdunter Polizeiaufsicht gestellt. Die Schüler der Hilfsschulen für Schwachbefähigte werden zum Spalierbilden kommandiert. Die Polizei, halbblödsinnig vor Angst für das Leben der geliebten Monarchen, untersucht sogar die Straßenschleusen nach Attentätern. Das Plakat, dasdie klassenbewußte Arbeiterschaft der Stadt Leipzig zu Massenversammlungen gegen den Rummel und die Lügen der Jahrhundertfeieraufruft, wird vom Rat der Stadt verboten. Da keine rechtliche Handhabe für dies Verbot zu finden ist, so benützt der Rat eine Klauseldes Vertrags der Stadt mit dem Plakatunternehmer, um das schreckliche Plakat von den Anschlagsäulen fernzuhalten. Der Festplatzwird durch einen dichten Wall von Militär gegen nichtgeladene Gästeabgeschlossen. Und schließlich schickt der Blutzar mit einem Großfürsten eine Schar Kosaken, um den Tag der Völkerschlacht aufdeutschem Boden mitzufeiern und das Denkmal einzuweihen, dasdie Kleinheit und Erbärinlichieit der herrschenden Klassen Deutschlands in plumper Riesengröße verewigt! In Stuttgart werden nachLeipziger Muster die Versammlungsplakate der Sozialdemokratieverboten und ihre Flugblattverbreiter von der Straße weg verhaftetund mit Dieben zusammengesperrt. Schwachbefähigte als Publikum,der wild umherfuchtelnde Polizeisäbel als Taktstock, ein bürgerlicherStadtrat als Büttel der Polizei, die Kosaken des Zaren als dieauswärtigen Ehrengäste und deutsche Arbeiter als die inS Gefängnis gesperrten Nichtgüste der offiziellen Feier der Befreiungskriege:hohnvoller konnte der bitterste Gegner die Schande und die Lächerlichkeit der deutschen offiziellen Welt nicht zu einem lebenden Bildzusammenstellen, als sie selbst es getan hat.Gleichzeitig werden in Deutschland Komödien im Stile des WienerKongresses aufgeführt, jenes Kongresses, an dem vor bald 1lX> Jahrendie Fürsten über die von Napoleon befreiten deutschen Völker wie überHammelherden verfügten. Der HerzogSthron von Braunschweigund der Königsthron von Bayern sollen neu besetzt werden. DesKaisers Tochter hat einen Welsen, den Prinzen Ernst August zuBraunschweig und Lüneburg geheiratet, den Sohn des Herzog? vonCumberland. Dieser ist der Nachkomme des 186S von Preußen verjagten legitimen Königs von Hannover und sieht sich als den rechtmäßigen Herrscher dieses Landes an. Dem Schwiegersohn des Kaiserssoll nunmehr das Herzogskrönlein von Braunschweig aufs Hauptgesetzt werden. BundeSratsbeschlüsse von 188k und 18S7 hatten ausAntrag Preußens bestimmt, daß ohne ausdrücklichen Verzicht aufHannover kein Welfe den Thron von Braunschweig solle besteigenkönnen. Der Reichskanzler Bülow hatte am 1. Mai 1V07 im Reichstagerklärt:„Es ist keine ausreichende Bürgschaft, wenn Seine Königliche Hoheit der Herzog von Cumberland erklärt, daß er sich aufden Boden der Reichsverfassung stelle und daß er eine gewaltsameÄnderung derselben nicht begünstigen würde. Ein solch passives Verhalten reicht nicht aus. Der Herzog müßte positiv auftreten, ermüßte für sich und sein ganzes Haus rückhaltlos und für alle Zeitenauf Hannover verzichten____" Und heute, wo der Prinz Ernst Augustder Schwiegersohn des Kaisers ist, heute erklären Preußen und derReichskanzler, eine solche„Demütigung" des Weifen sei nicht nötig,der Offiziereid und das Bekenntnis zur deutschen Reichsverfassungsei genügend: also eben das„passive Verhalten", das der Reichskanzler Bülow noch im Jahre 1907 für nicht ausreichend erklärthatte. Die feierlichsten und festesten Beschlüsse des Bundesrats von183S ilnd 1897 werden also jetzt auf Antrag Preußens umgeworfen.Ist es ein Wunder, daß der deutsche Kronprinz diesen raschenSzenenwechsel nicht begreifen konnte und öffentlich Protest dagegeneinlegte? Und es gehört nur zum Ganzen, daß wenn der Reichskanzler eine Frage der Reichspolitik al» hohenzollersche Familienangelegenheit behandelt und als willfähriger Diener den Chef desHauses bedient, daß dann der älteste Sohn beansprucht, daß auchseine Privatmeinung für den Diener des Hauses ins Gewicht fällt.Inzwischen aber hat der Kronprinz einen kläglichen Rückzug angetreten und leugnet, daß sein Protest mit seinem Willen veröffentlicht worden ist.Ist in Braunschweig ein neuer Herzog zu machen, so in Bayernein neuer König. Der Prinzregent Ludwig, der Stellvertreterdes irrsinnigen König? Otto, fühlte sich von Anfang an nicht behaglich als bloßer„Prinzregent". Auch sehnt er sich als Vater mehrerersitzen gebliebener Töchter nach dem reichen Krongut eines bayerischenKönigs. Um diesen Schmerz zu kurieren, schlug nun sein schwarzerPremierniinister v. Henling vor, er solle„aus eigenem Recht", ohneden Landtag zu fragen, sich die KönigSkrons aufs Haupt setzen. DerHerr berief sich zur Rechtfertigung dieses Schrittes auf die„goldeneBulle", eine alte Scharteke auS dem vierzehnten Jahrhundert. EinGutachten des Justizministers, dem sich die Mehrheit des Ministeriumsanschloß, erklärte diesen Weg für verfassungswidrig, im zwanzigstenJahrhundert wenigstens— und auf die Verfassung hat der Prinzregent noch vor nicht allzu langer Zeit den Eid geleistet. So müssensich denn Minister und bürgerliche Parteien in Bayern nächstens anschicken, formgerecht aus einem Prinzregenten einen vollgültigenKönig zu machen. Ein wie dringendes Bedürfnis ein richtiggehenderKönig für das Land ist, beweisen Resolutionen des bayerischen Handelskammertags und HandwerkskammertagS. DaS Geschäft und die Geschäfte bedürfen einfach eines neuen Königs. DaS bayerische Ministerium hat schon vorher die Erhöhung der Zivilliste um eine Million beantragt. Der neue König wird also Geld unter die Leutebringen, und die Begeisterung der großen und der kleinen Bürgerfür den neuest König bekommt so einen bürgerlich soliden Boden.In der NeichStagsersatzwahl im vierten sächsischen WahlkreisDresden-Neustadt für den verstorbenen Genossen Kaden wurdeder sozialdemokratische Kandidat Buck trotz aller Anstrengungen derGegner mit 81159 Stimmen gewählt. Die Fortschrittliche Volkspartet verlor bei dieser Nachwahl 1299 Stimmen gegen die Wahlvon 1912. Ebenso wurde der erste Hamburger Wahlkreis,Bebels ehemaliger Kreis, in der Nachwahl von der Sozialdemokratie behauptet, wenn auch mit einem Verlust von 8999 Stimmen.Immerhin erhielt Genosse Stoltcn 9131 Stimmen mehr als allebürgerlichen Kandidaten zusammen.In der preußischen Wahlrechtsfrage„erwägt" die Regierungnoch immer, wie nichts zu Um sei. Sie Ivird in der Entschlossenheit,nichts zu tun, sicher bestärkt durch den Ilmstnnd, daß der rnssischeMinister des Innern plant, daS preußische Dreiklassenwahlrecht derrussischen Srädteordnung zugrunde zu legen. DaS preußische Drei-llassenwahlrecht als russisches Ideal! Aber eS gibt preußische Wirklichkeit, die selbst einer russischen Regierung über die Hutschnur geht.Das russische Ministerium hat nämlich sich gezwungen gesehen, sichder russischen Landarbeiter anzunehmen, die alljährlich in großenScharen nach Ostelbien auf die Gutshöfe wandern. Das russischeMinisterium erklärt, die Prcußengängerei russischer Untertanen aufJahre zu verbieten, wenn deren Behandlung sich nicht ändere.Rußland in Preußen voran! Dagegen völlig ans dem russischenNiveau ist wieder die empörende Freisprechung des ArbeitswilligenBrandenburg, des Mörders eines streikenden Arbeiters, durchdaS Stettiner Schwurgericht.Aber nicht immer ist ein preußisches Gericht so milde. Am15. Oktober wurde die letzte Angeklagte der Moabiter Polizcikrawallezu zwei Monaten Gefängnis verurteilt, die Arbeiterfrau Reinhardt.Vom Balkon ihrer Wohnung auS sollte auf die ausschreitenden Polizisten ein Blumenstock herabgeworfen worden sein. Daraufhin stürmteeine Patrouille von sechs Schutzleuten diese Wohnung, in die ebender Mann, von Schutzleuten mißhandelt, mit blutüberströmtem Kopfzurückgekehrt war und in der die Kinder krank zu Bett lagen. Dieschwer hysterische Frau wird nun beschuldigt, den hereinpolterudenSchutzleuten die Petroleumlampe entgegengeworfen zu haben. DieFrau bestreitet das entschieden und behauptet, in der Erregung seiihr die Lampe entfallen. Niemand wurde durch die fallende Lampeverletzt; fünf Arzte bekunden den Krankheitszustand der Angeklagten.Tut alles nichts. Die Frau wird zu zwei Monaten Gefängnis verurteilt.Aber die feigen Polizeimörder des Arbeiters Hermann gehen immernoch frei herum.Zur Besetzung eines Koloniallandes gehört der Eingeborenen-aufstand wie zum Ansetzen des Zünders die Explosion. Neukamerun,ehemals französisches Kolonialgebiet, ist seit kurzem von Deutschland besetzt. Wir haben daher jetzt einen Eingeborenenaufsiand indiesem Gebiet, vorläufig anscheinend noch in kleinem Umfang. Dengroßen Nutzen deutscher Kolonien für auswanderungSlustige Habenichtse bezeugt das Ergebnis der Volkszählung in Deutsch-Ostafrika vom 1. Januar 1913. DaS Gebiet zählte ganze 538kweiße Bewohner, davon Reichsdeutsche nur 4197. Als erstes Vorpostengefecht zwischen Ausbeutern und Ausgebeuteten auf diesem