Nr. 4Die Gleichheit63Erwerbung von Wissen und Erkenntnis mahnten. 68 Delegiertewaren zur Konferenz gekommen. Tag und Nacht hatten armeFrauen aus den entferntesten Teilen des Landes auf die Reise verwendet, um zu hören, was sie tun könnten, damit die Aufklärungund Organisierung der Proletarierinnen Fortschritte mache. Esist schon viel getan worden. Fast 7<XX> Exemplare der ungarischenArbeiterinnenzeitung„Nömunkäs" werden bereits verbreitet.Es sprachen Vertreterinnen der Buchdruckerei- und Buchbindereiarbeiterinnen, der Schuhstepperinnen, der Schneiderinnen undTextilarbeiterinnen, und auch delegierte Handlungsgehilfinnenund Angestellte von Versicherungsinstituten fanden begeisterteWorte für die sozialistischen Ideen. Genossin Serene Buchingerist Redakteurin von.Nömunkäs", außer ihr gehören dem Landeskomitee der ungarischen Sozialdemokratinnen noch viele wackere undtüchtige Genossinnen und Agitatorinnen an. Es wurden drei Referate erstattet: von Genossin Brandstein über die bisherige Tätigkeit der Genossinnen; von Genossin G railich über Arbeiterinnen-,Mutter- und Kinderschuh; von Genossin Buchinger über dieErziehung von Agitatorinnen und über die Presse. Die Gedankengänge lehnten sich an die Grundsätze und Forderungen der deutschen und österreichischen Genossinnen an. Genossin Popp wohntein Vertretung der österreichischen Genossinnen der Konferenz bei,der sie die herzlichen Grüße der sozialistischen Frauenintcrnatio-nale überbrachte. Sie nahm an den Beratungen teil, was dadurcherleichtert wurde, daß die meisten Delegierten die deutsche Spracheverstehen. Allgemein' wurde die Notwendigkeit hervorgehoben,kräftiger und ausgedehnter als bisher unter den Frauen des arbeitenden Volkes zu agitieren. Die Konferenz beschloß, zu diesemZwecke sei es anzustreben, daß jede Genossin einen Beitrag von2 Heller wöchentlich für die Frauenorganisation entrichte. DiePartei trägt zwar die Kosten der Agitation, die Genossinnen wollenaber etwas mehr Selbständigkeit bei ihren Arbesten, eine Selbständigkeit, die in erhöhter Tätigkeit der Partei zugute kommensoll. Die Grundlage dafür sind materielle Mittel, die auf die angegebene Weise beschafft werden sollen. Eine fcstorganisierte sozialistische Partei nach deutschem und österreichischem Muster gibt esin Ungarn nicht, weil die Regierung Statuten von politischenVereinen der sozialistisch gesinnten Arbeiter nicht bewilligt. DieOrganisation der ungarischen Proletarier beruht hauptsächlichauf den Gewerkschaften. Das trifft auch für die proletarischenFrauen zu. Es find gegen 16 666 Arbeiterinnen in den Gewerkschaften organisiert, und soweit diese durch die sozialistischeFrauenagitation zu erfassen sind, sollen sie 2 Heller an dasFrauenkomitee abliefern. Die ungarische Arbeiterinnenbewegunghat natürlich mit all den Schwierigkeiten zu kämpfen, die jederjungen Bewegung anhaften. Die Begeisterung und die Willens-kraft der Genossinnen wird aber, das hoffen wir, alle Hemmungen überwinden. Die sozialistische Frauenbewegung Ungarnswird ein kräftig blühender Zweig am Baume der Internationalewerden. Adelheid Popp.Frauen in den holländischen Gewerkschaften. Wir entnehmender„Proletarischen Vrouw", daß nach Angaben der holländischenGewerkschaften deren weibliche Mitglieder im Jahre 1612ebenso zugenommen haben wie im Jahre 1911. Am I.Januar 1912gab es 8267 weibliche Mitglieder und am 1. Januar 1913 3652. Inden Jahren 1916, 1911, 1912 stellten die organisierten Arbeiterinnen je 6,6, 6,2 und 5,9 Prozent der gesamten Mitglicdcrzahlder Gewerkschaften. Der relative Rückgang ist nicht ohne Bedeutung. Hinzu kommt, daß das Mehr an weiblichen Mitgliedern imletzten Jahre ausschließlich dem Diamantarbeiterverband und demBeitritt des Verbandes der Hausangestellten zu verdanken ist. Sowohl bei dem Verband der Handels- und Kontorangestellten wiebei dem Verband für die Arbeiter der Bekleidungsindustrie unddem Textilarbeiterverband ging die Zahl der weiblichen Mitgliederzurück. Bei den erstgenannten Organisationen nur sehr wenig, beidem letzteren ziemlich stark..Im allgemeinen ist eS in den Niederlanden mit der Organisation der weiblichen Erwerbstätigen nochärmlich bestellt/ sagt I. van der Tempel,„denn nach der Übersichtüber den Stand der Fachverbände, den das Zentralbureau fürStatistik— das niederländische Reichsarbeitsamt am 1. Januar1912 veröffentlichte, gab eS im Januar 1911 7126 in Fachverbändenorganisierte Frauen, im Jahre 1912 8455, das macht 4,64 und5,63 Prozent weibliche Mitglieder. Mag es auch außergewöhnlichschwer sein, Frauen in den Fachverbänden zu organisieren, somüßten doch Maßregeln getroffen werden, den Erfolg unserer Bemühungen auch nach dieser Richtung hin zu vergrößern.Die vom Zentralbureau für Statistik veröffentlichte Liste ergibt für die nachstehenden Berufsgruppen diese Zahl weiblicherMitglieder:Industrie der Erden, GlaS, Kalk, Steine..... 73Diamantindustrie............. 1865Chemische Industrie............ 222Bekleidungsindustrie(Schneider, Näherinnen usw.). 863Lederverarbeitungsindustrie(Schuhmacher usw.).. 224Metall- und Maschinenindustrie........ 386Textilindustrie.............. 1312Tabak- und Zigarrenindustrie........ 485Handels- und Kontordienst......... 383Warenhandel usw.............. 126Verkehrswesen(Post, Eisenbahn usw.)..... 524Sonstige Berufe............. 321Gastwirts- uns Schankgewerbe........ 813Dienstboten............... 266Staats- und Gemeindedienst usw........ 1538455Von diesen 8455 organisierten weiblichen Erwerbstätigen gehören 3LS2 der Niederländischen Fachvereinigung an, das heißtGewerkschaften, die auf dem Boden des Klassenkampfes stehen undrund 6s<M Mitglieder zählen. Nur sehr langsam geht es voran.Verbände, die wie der der Textilarbeiter mit großen Scharen Arbeiterinnen rechnen müssen, haben bisher herzlich wenig für diePropaganda unter diesen getan. Auch die Handels- und Kontorangestellten scheinen eine besondere Frauenagitation nicht fürnötig zu halten. Aber doch erweist die Erfahrung, daß trotz dergleichen Interessen männlicher und weiblicher Berufsgenossen dieFrauen vielfach diese Interessen nicht sehen, nicht begreifen, dasganze Leben anders erblicken als die Männer. Es bedarf einer besonderen Agitation, um sie zu erwecken und zu schulen. In Deutschland haben die Gewerkschaften sehr frühzeitig erkannt, daß esunter den Arbeiterinnen einer besonderen Agitation durch Frauenbedarf, ebenso besonderer Institutionen, die dieser Agitation mitihren vielgestaltigen Aufgaben dienen. Die Generalkommission der deutschen Zentralverbände hat ein Arbeiterinnensekretariat errichtet, dem Gertrud Hannatrefflich wirkend vorsteht. Auch die niederländischen Gewerkschaftenwerden diesen Weg einschlagen müssen, wenn sie die Arbeiterinnender Organisation zuführen wollen. r. r.Frauenbewegung.Der„Ostdeutsche Franrinag". Von Zeit zu Zeit veranstaltendie bürgerlichen Fraucnvereine des Ostens einen„OstdeutschenFrauentag". Da kommen die Damen aus verschiedenen Orten zusammen, um Vorträge zu hören und einige Resolutionen anzunehmen. Sie fühlen sich berufen, alles mögliche zu erörtern. Fürwichtige soziale Fragen wie für die Lage der Arbeiter und Dienstboten haben sie natürlich kaum Zeit. Ein desto breiterer Raum istden sogenannten„nationalen Fragen" vorbehalten. Kürzlich fandin dem schönen Ostseebad Z o p p o t ein derartiger Frauentag statt,auf dem Frau Gutsbesitzer Böhm- Lamgarben über„Erziehungder deutschen Jugend zu bewußtem Volkstum" sprach. Die Dameerledigte ihre Aufgabe mit so großem Geschick, daß sie sogar unterden bürgerlichen Damen und Herren Protest hervorrief. Daß FrauBöhm gegen die Sozialdemokratie den Vorwurf erhob, sie macheim Ausland das eigene Vaterland schlecht, daran hatte man natürlich nichts auszusetzen. Aber eS wurde ihr schwer angekreidet, daßsie den deutschen Katholiken nachsagte, sie sympathisierten mit deninternationalen Jesuiten, und auch die Bekenner der jüdischenReligion abkanzelte. Sie wurden für manche russischen Verhältnisse verantwortlich gemacht. Nur an den Junkern hattedie Frau Gutsbesitzer nichts auszusetzen. Dieschienen nach ihrer Meinung die„wahrhaft national Gesinnten"zu sein. Zum Schlüsse forderte die Dame auf, dem AlldeutschenVerband und dem Ost markenverein beizutreten. Denletzteren scheint sie besonders ins Herz geschlossen zu haben,„weiler immer wieder auf den Kampfplatz ruft zur Wahrung der deutschen Ehre". In Wirklichkeit will er die brutale„Germanisierung"polnischer Gegenden. Die Hakatistisch gesinnte Dame sagte auch,die Polen könnten Wohl für das Deutschtum gewonnen werden,da sie gar keine reinrassigen Slawen seien. In der Diskussion wurdevon katholischer und jüdischer Seite gegen die„Entgleisungen"des Vortrags protestiert, und die Vorsitzende hatte große Mühe,die aufgeregton Geister zu beruhigen. Die Referentin erklärte ge-lassen, sie habe nur Tatsachen vorgebracht; sie hoffe, einigeSeelenfürdiedeutscheSachegewonnenzuhaben.Auch über„DaS Jahr 1813 und die Ostmark" wurde referiert.In welchem Sinne, daS versteht sich. Daneben wurden einige so-ziale Fragen erörtert. Man besprach ganz kurz und oberflächlich