Nr. 5Die Gleichheit77Presse hetzt deshalb wie besessen gegen die.aufrührerischen' El-sässcr. denen sie durch Ausnahmegesetze und blaue Bohnen denreichsdeutschcn Patriotismus beigebracht wissen will, der solcheAuswüchse des Militarismus ruhig hinnimmt. Der Fall beweistwieder einmal, wie der preußisch- deutsche Militarismus dieProtestlerstimmung im Elsaß immer wieder aufs neue ansacht.Natürlich haben nicht nur die beschimpften Elsässer. sondern diedeutschen Bürger überhaupt und besonders die deutschen Prole-raricr dagegen zu protestieren, daß die Soldaten von ihren Vorgesetzten zum Waffengebrauch gegen die Zivilbevölkerung aufgereizt werden. Durch solche Erziehung will man die Soldatenvom Volke völlig trennen, das Heer zu einer Maschine machen,die mit dem Volke nichts gemein hat und die man jederzeit gegendas Volk verwenden kann.In Kiew hat der R i t u a l m o r d p r o z e ß. den die Reaktion angezettelt hatte, uin die wieder erstarkende revolutionäreBewegung in Judenhetzen zu ersticken, mit einer schweren Niederlage der zarischen Vcrbrecherbande geendet. Trotz aller verzweifelten Anstrengungen des Staatsanwalts, des Gerichts und derSchwarzen Hundert sprachen die sorgfältig geeichten Geschworenende» angeklagten Juden Beilis frei. Der Prozeß wird für alleZeiten ein unauslöschliches Schandmal des blutigen Zarismus sein.In Italien haben die ersten Parlamentswahlen unter demerweiterten Wahlrecht den Sozialisten einen großen Erfolg gebracht. diese haben ihre Sitze im Parlament und ihre Stimmenüber alles Erwarten stark vermehrt. Die Regierung und dieBourgeoisie, die darauf spekulierten, daß sie die ohne Schulbildung aufgewachsenen Massen leicht für sich einsangen könnten,sehen sich bitter enttäuscht.Auf der B a l k a n h a l b i n s e l ist endlich der letzte der'Friedensschlüsse, der zwischen der Türkei und Griechenland, zustande gekommen. Die Abgrenzung Albaniens aber ist noch nichtgelungen, des Zündstoffs bleibt für lange Zeit genug.Der Präsident Chinas, Juanschikai, hat einen Staatsstreich gemacht, er hat die Abgeordneten der revolutionären Parteides Südens einfach aus dem Parlament geworfen. Ob es ihmgelingt, sich mit solchen Mitteln in der Herrschaft zu behaupten,ist abzuwarten. Die chinesische Bourgeoisie scheint allerdings rc-volutionSmüde zu sein und sich nach einer starken Diktatorfaustzu sehnen._ lt. ö.Gewerkschaftliche Rundschau.DaS Gewerbe der Streikbrechervermittlung hat guteKonjunktur. Gehätschelt von Polizei und Justiz, erfreut es sichnicht nur steigender Beliebtheit bei den Privatunternehmern, nein,sogar städtische Behörden nehmen als Arbeitgeber neuerdingsseine Dienste in Anspruch. Man muß auch zugeben, daß dieStrcikbrechcrvermittler ihre Betriebe gut organisieren und umsichtig leiten. Ist irgendwo ein Streik im Anzug oder wird dieSperre über irgend eine Firma verhängt, flugs ist der Seelenverkäufer da, reicht seine Offerte ein und bietet lebende Ware injeder Qualität und Quantität an. Wie neuerdings bekannt wurde,dienen den Streikbrechervermittlern die Streik- und Sperrnotizcnin der Arbeiterpresse gewissermaßen als Übersichten für ihrenArbeitsmarkt. Auch in den jedermann zugänglichen Arbeitsnachweisen der Gewerkschaften wurden ihre Späher angetroffen. Sienotierten sich dort die bestreikten oder gesperrten Betriebe, die amschwarzen Brett bekanntgegeben werden. Noch interessanter ist,daß städtische Behörden mit Streikbrechervermittlcrn Verträge abgeschlossen haben. Der Streikbrecherliefcrant wird dadurch verpflichtet, Arbeitswillige für den Fall zu stellen, daß ein städtischerBetrieb bestreikt wird. Beim Stettiner Hafenarbeitc r-streik ist das geschehen, doch war damals in der Öffentlichkeitnichts von dem Bestehen eines Vertrags bekannt. Von der M ü n-chener Stadtverwaltung ist behauptet worden, daß sie einensolchen Vertrag abgeschlossen habe, und bis jetzt hat sie die Nachricht nicht dementiert. Also wird die Sache wohl stimmen. Inbeiden Fällen kommt der bekannte Hesberg in Blankenese beiHamburg als Arbcitswilligenlieferant für Stadtverwaltungen inFrage. Man darf wohl annehmen, daß das Vertrauen auch nochanderer Stadtverwaltungen auf das gleiche Individuum gefallenist. Das Vorleben Hesbcrgs rechtfertigt dieses Vertrauen, ist esdoch eine Bürgschaft dafür, daß er seinem jetzigen Handwerk moralisch und technisch gewachsen ist. Es wurde nämlich festgestellt,daß Ehrenbürger Hesberg aus Hamburg ausgewiesen wurde, unddas wegen seiner gerichtlichen Borstrasen. Ihre Liste kann sichsehen lassen. In Leipzig wurde der Mann wegen Betrug zul Jahr 4 Monaten Gefängnis verurteilt, in Duisburg wegen Betrug zu 2 Jahren, in Düsseldorf wegen Betrug zu 2 Jahren undk Monaten und wegen Unterschlagung zu 6 Monaten. Eine Reiheniedrigerer Strafen wegen ruhestörenden Lärms, Widerstand gegendie Staatsgewalt, verbotswidriger Rückkehr usw. vervollständigendas Register. Und Arm in Arm mit einem solchen Burschen fordern städtische Verwaltungen die ringenden Arbeiter in dieSchranken I Es gibt kaum eine klarere Bekundung dafür, wiesehr das Eigentum, die Ausbeutungsmacht alle Ideale beschmutztund zerbricht, die die Gutgesinnten mit den Lippen bekennen. Esbleibt nur zu wünschen, daß Hesberg auch in seinem jetzigen Wirkungskreis seinem Charakter nicht untreu wird und daß er Unternehmer und Streikbrecher gleichermaßen übers Ohr haut. Seit erein solch nützliches Element der Gesellschaft geworden, braucht ernicht mehr zu fürchten, dabei mit dem Strasrichter in Konflikt zugeraten. Der lange und häufige Aufenthalt hinter Gefängnismauern hat übrigens das zartbesaitete Gemüt Hesbergs für feineEmpfindungen nicht abgestumpft. Sobald jemand seine jetzigeTätigkeit mit dem richtigen Namen bezeichnet, läuft er gleich zumKadi und läßt seine angetastete Standesehre frisch aufputzen. Dashaben schon manche unserer Redakteure zu büßen gehabt.Die niedergehende Wirtschaftskonjunktur läßt die Zuver�lässigkeit der Unternehmer als Tarifkontra�h e n t e n in hellstem Lichte erstrahlen. DaS skandalöse Verhaltender rheinisch-westfälischen Malermeister ist bekannt, diesich den Vereinbarungen einfach nicht fügten, die unter dem Vorsitz der Unparteiischen festgelegt worden sind. Nunmehr ist ihrTun auch vor dem Haupttarisamt verurteilt worden. Die drei Unparteiischen erklärten den ganzen Gau für tari'-srüchtig und verpflichteten den Untcrnehmerverband, die widerspenstigen Meisteraus seiner Organisation auszuschließen. Daß der Unternehmer-verband dazu den Willen oder die Courage haben wird, glaubenwir vorerst noch nicht. Wir möchten aber den Lärm hören, wennirgend eine Arbeitcrgruppe sich herausnähme, nach einem Tarifabschluß Verträge so mit Füßen zu treten I Da würde die bürgerliche Presse sofort nach gesetzlichen Maßnahmen und die Unter-nehmer würden nach Schadenersatz schreien. Übrigens sind dieMalermeister in Rheinland-Westfalen nach wie vor bockbeinig,schon künden sie eine neue Aussperrung an.Die Unternehmer im Baugewerbe handeln nicht viel anders.Sechs Monate sind verstrichen, seitdem die Organisationen beiderParteien die Vorschläge der Unparteiischen unterzeichnet haben.Noch immer jedoch sind in der übergroßen Zahl der Städte dieTarifabschlüsse nicht erfolgt. Von etwa WD örtlichen Tarifverträgen, die abgeschlossen sein sollten, sind bisher ganze 28 unterzeichnet worden. Die Verschleppung kommt ausschließlich auf dasKonto der Taktik, die der Untcrnehmcrvcrband beliebt. Dieserweist seine Mitglieder an, in die örtlichen Verträge Bestimmungenhineinzubringen, die von de» Zentralvorständen der Bauarbeiter-Verbände entschieden abgelehnt werden müssen. Die Entscheidungen der Unparteiischen werden vom Untcrnehmerverband höchstseltsam ausgelegt. Wie vielseitig die Differenzen sind, geht klaraus diesem hervor: die nächste Tarifamtssitzung soll 48 Verhandlungspunkte erledigen.Daß die Unternehmer in Rheinland-Westfalen vonbesonderem Holze sind, beweisen auch die Brauereibesitzer.Erst im nächsten Jahre läuft dort der Tarif ab, und schon jetztrüstet ihre Organisation und bereitet die Mitglieder zum Kampfevor. In einer Versammlung des Bohkottschutzverbandes haben dieUnternehmer beschlossen, daß die Brauereien den Forderungen desBrauarbeiterverbandes auf Verkürzung der Arbeitszeit entgegentreten müßten. Ferner erklärten sie, daß für sie eigentlich auchkein Grund vorläge, bei der nächsten Tariferneuerung in Beziehung auf die Lohnerhöhung nachzugeben, es sei denn, daß maneine Lohnerhöhung als Versicherungsprämie gegen gewerkschaftliche Kämpfe betrachten wolle.Der Streik in der Lahrer Kartonnageindustrie gehtunverändert weiter. Welch patriarchalische Verhältnisse in dendortigen Betrieben herrschen, dafür ein klares Beispiel. Die Arbeiter und Arbeiterinnen, auch verheiratete Leute, wurden mit„Du" von den Unternehmern und den Aufsehern angeredet. DerBehandlung entsprechen die bisherigen Arbeitsbedingungen, mitdenen die Organisation jetzt einmal ausräumen will.Im Stettiner Fleischergewerbe mußte im Kampfeder Gesellen um ihr Koalitionsrecht der Boykott über die Wurstfabriken verhängt werden. Diese setzen ihre Erzeugnisse viel inKolonialwarenhandlungen anderer Städte ab. Die Hausfrauenmögen daher beim Einkauf von Wurstwaren achtgeben und solcheStettiner Herkunft zurückweisen.Die Großeinkaufsgesellschaft deutscher Kon-sumvereine ist bereits wieder mit einer Gewerkschaft zu-