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Die Gleichheit

zu stärken und unermüdlich in der Werbearbeit für unser Ziel zu sein. Mitglieder für die Partei und Leser für unsere Presse wurden gewonnen. Wenn Mann und Frau zusammen für unsere Sache marschieren, sind wir den kommenden Kämpfen gewachsen.

Mit uns das Volt, mit uns der Sieg!

Loni Eifinger, Mainz  . Um die Agitation unter den proletarischen Frauen zu fördern, wurden im Bezirk Magdeburg   nach dem Parteitag fieben Ver­sammlungen abgehalten. Der Frauen Kampf gegen Not, Unter­drückung und Rechtlosigkeit" war das Thema, das die Unter­zeichnete behandelte. Leider waren die ersten drei Versammlungen in Oschersleben  , Osterwiet und Wernigerode   nur mäßig besucht. Es war das wohl die Folge schlechter Vorbereitung. Die Versammlungen in Halberstadt  , Schönebed, Magde­ burg   und Stendal   waren hingegen in jeder Hinsicht ein guter Erfolg.

Mit dem oben angeführten Thema beschäftigten sich neun Ver­sammlungen im Kreise Gotha  . Hier waren die Vorbereitungen im allgemeinen sorgfältig getroffen, so daß überall ein recht guter Er­folg zu verzeichnen war. Außer in Liebleben und Fried= richroda ließ sich überall eine stattliche Zahl von Frauen in die Partei aufnehmen. Besondere Rührigkeit entfalteten die tätigen Genossinnen in Gotha   selbst, so daß sie dort in der Versamm­lung 50 neue Parteimitglieder warben. Auch in Frankenhein  , Gräfenroda  , Bella, Remstädt  , Waltershausen  und Jbenhein waren die Genossen tüchtig auf dem Posten, so daß insgesamt über 220 neue Mitstreiterinnen gewonnen worden find. Die Erkenntnis bricht sich Bahn, daß die unaufgeklärte Ar­beiterfrau nur zu oft das größte Hindernis für das Emporblühen der Arbeiterorganisationen ist. Sie veranlaßt mehr und mehr die Genossen, alles daranzusetzen, um die uns noch feindlich gesinnten oder gleichgültig gegenüberstehenden Frauen für die sozialistischen  Ideen zu gewinnen. Um die neugeworbenen Proletarierinnen der Partei zu erhalten und um sie zu schulen, wird man auch im Gothaer Bezirk dazu übergehen, für die Genossinnen Leseabende einzurichten, die sich anderwärts so gut bewährt haben. Hoffen wir, daß die Einrichtung bald mit Erfolg ins Leben tritt, so daß alle neugewonnenen weiblichen Mitglieder tüchtige Mitkämpferinnen für unsere gute Sache werden. M. Reichert. Veranstaltungen der Kinderschuhkommiffion in Königsberg  . Wie in zahlreichen anderen Städten richtet auch in Königs­ berg   die Partei ihre Aufmerksamkeit immer mehr auf die schul­pflichtige und vorschulpflichtige Jugend. Die Kinderschutz= tommission beschränkt ihr Wirken nicht auf die Feststellung der ungesetzlichen Beschäftigung der Kinder. Sie versucht durch Spaziergänge, Tagesausflüge und Spielstun den die Kinder wenigstens auf kurze Zeit dem verderblichen Ein­fluß der Straße zu entziehen, durch die Pflege von Sing= spielen in frischer freier Luft trachtet sie die Freude und die Gesundheit der kleinen Proletarier zu fördern.

Bereits im vergangenen Jahr fanden in den Ferien Spazier­gänge mit den Kindern statt. Alle politisch organisierten Genossen wurden von den weiblichen Vertrauenspersonen aufgesucht und wie ihre Frauen aufgefordert, ihre Kinder an den Veranstaltungen teilnehmen zu lassen. Da die Kinder beim ersten Ausflug mit Kaffee und Kuchen bewirtet werden sollten, zeichneten viele Frauen freiwillig Beiträge, so daß die Partei nur einen geringen Zuschuß für die Veranstaltung zu zahlen hatte. An dem Ausflug nahmen insgesamt 1800 Kinder teil. Bei der Verteilung der großen Massen von Kaffee und Kuchen ließen sich trotz der gewissenhaftesten und aufopferndsten Sorgfalt kleine Unstimmigkeiten nicht vermeiden. Bei den weiteren vier Ausflügen hatten die Kinder selbst Proviant mitzubringen. Die leitenden Genossinnen achteten jedoch darauf, daß jedes Kind mit Speise und Trank versehen wurde. Die ver­schiedenartigsten Spiele hielten die Kinder fröhlich zusammen, und mit lustigem Gesang zogen sie freudestrahlend abends 8 Uhr nach Hause.

Der harmonische Verlauf der Spaziergänge hatte bei sehr vielen Genossinnen den Wunsch geweckt, daß auch im Winterhalbjahr Veranstaltungen für die Kinder stattfinden sollten, und zwar wollte man sich für die Beteiligung besonders an die Genossen wenden, deren Kinder die christliche Sonntagsschule besuchten. Auf Befragen erklärten diese Eltern sich gern bereit, ihre Kinder an unseren Spielstunden teilnehmen zu lassen. Durch diese Tatsachen halb ge= zwungen, beschloß die Kinderschutzkommission, an jedem Sonn­tag Vormittag von 10 bis 12 Uhr Spielstunden ab­zuhalten. Infolge der beschränkten Räume, die uns zur Verfügung standen, konnte leider nur ein Teil der Kinder von organisierten Genossen daran teilnehmen: höchstens 450. Viele Kinder, und zwar

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die der Vertrauensleute, mußten abgewiesen werden. Der mangeln­den Räume und auch der mangelnden Kräfte wegen haben wir nur Kinder im Alter von 4 bis 12 Jahren zugelassen. Es ist schon schwer genug, Kinder dieser verschiedenen Altersstufen zusammen zu unterhalten.

Auf irgendwelche praktische Erfahrungen in der Sache konnten wir uns nicht stüßen. In den Spielstunden wollten wir durch Kinderbeluftigungen, beschäftigungen und arbeiten unterhalten. Wir haben keine kindergärtnerisch und pädagogisch geschulten Kräfte unter uns. Die Genossinnen 10 Frauen, 6 junge Mädchen- die sich als Spielleiterinnen zur Verfügung gestellt hatten, machten sich daher in mehreren Zusammenfünften mit den Fröbelschen Be­wegungs- und Beschäftigungsspielen vertraut. Auf den Ausflügen hatten wir beobachtet, daß sämtliche Kinder kein Reigenspiel, kein Lied vollständig fonnten. Eine ganze Anzahl alter und neuer Marsch, Hüpf, Kreisspiele und Volkslieder haben wir mit den Kindern in den Sonntagsspielstunden eingeübt. Die Kleinen er hielten den Text des betreffenden Spiels oder Liedes, dann lernten sie die Melodie und darauf die Art des Spiels. Wie freudig und stolz leuchteten die Augen, wenn die Kinder ein Spiel erlernt hatten! Werden die Spiele genau eingeübt, so fühlen die Kinder die Ord­nung, der sie sich anzupassen haben, und schallt der Gesang kräftig, so spielen sie mit größter Lust. Manchmal werden sie so start vom Rhythmus des Spiels erfaßt, daß sie am Schluß in ein lautes Freudengeschrei ausbrechen.

Bilden diese Bewegungsspiele vor allem Kraft und Gewandtheit aus, so wird bei den Beschäftigungsspielen der Geist der Kinder mehr angeregt, sie sind schöpferisch tätig. Die Geschicklichkeit der Hand, die Empfänglichkeit des Auges für Farben und Formen, das Nachdenken, die Phantasie können sich beim Arbeiten mit Pla­stilina, beim Tuschen, Zeichnen, Kleben, Bauen, Flechten entfalten. Die Mädchen haben reizende Körbchen aus verschiedenem Material angefertigt. Die ganz Kleinen nähten mit farbiger Wolle allerlei Gegenstände auf Karton aus. Das Zusammenstellen von Webe­mustern durch Papierstreifen, das Flechten von Märchenbildern aus Papier, das Ausschneiden und Aufbauen von Schlössern und Tieren erregte spielend den Eifer der Kinder. Verschiedene von Knaben geformte Sachen aus Plastilina verrieten eine scharfe Be­obachtungsgabe und rege Phantasie. Dem Tuschen und Malen gaben sich die Kinder mit Vorliebe hin. Unterhaltungsspiele wie Mosait, Klebe, Klößchen-, Märchen-, Struwelpeter-, Dütchen-, Quartett, Lottospiele fesselten die Besucher der Spielstunden.

Ronnten wir die Beschäftigungs- und Unterhaltungsspiele dem Alter und dem Verständnis der Kinder anpassen, so war das Vor­lesen und Erzählen von Geschichten schwieriger. Die ganz Kleinen hörten nicht lange zu, während die etwas älteren immer mehr aus der rosenroten Märchenwelt hören wollten. Die Zwölfjährigen interessierten sich besonders für Erzählungen aus der Beilage der " Gleichheit":" Für unsere Kinder" und langweilten sich, wenn die gesammelten Märchen der Brüder Grimm   immer wieder von Zauberern, Elfen, Zwergen und Riesen erzählten. Darüber fühlten sie sich hinaus. Als sie aber darauf hingewiesen wurden, daß die Märchen feine von Fabelhänsen erfundenen Lügengespinste seien, sondern daß sie den Glauben, die Anschauungen und die Sitten aus der Kinderzeit der germanischen Völker widerspiegeln, und daß diesen damals die Zauberei als das einzige Mittel er= schien, unbegreifliche Naturgewalten zu beeinflussen: da lauschten auch die Größeren wieder gespannt den Märchen. Viele Knaben und Mädchen erzählten selbst sehr geschickt Märchen. Besonders be­liebt war auch das Rätselraten. Die Kinder bedauerten jeden Sonntag, daß die Stunden so schnell ihr Ende erreichten!

Zu Weihnachten hatten wir alle Kinder der organisierten Ge­nossinnen zu einer bescheidenen Feier eingeladen. 1200 Kinder folgten jubelnd dem lustigen Lichtbildervortrag von Wilhelm Busch  . Von einer Verteilung von Spielsachen oder Süßigkeiten hatten wir grundsäßlich abgesehen. Der Bildungsausschus hatte das Theater veranlaßt, das Weihnachtsmärchen aufzuführen. Die Kosten für unsere Veranstaltungen im Winterhalbjahr betrugen gegen 150 Mt., die größtenteils für Saalmiete und Heizung aus­gegeben worden waren. Die Partei deckte den Betrag. Als Abschluß der Spielstunden im Winterhalbjahr fand im Mai ein Kinder­fest des sozialdemokratischen Vereins statt. Es beteiligten sich daran gegen 2500 Erwachsene und 7000 Kinder. Im Saale   wurden auf einer langen Reihe von Tischen die Spielarbeiten der Kinder ausgestellt. Sie fanden sehr viel Bewunderung und Anerkennung. Es gab einen Umzug der Kinder durch den Garten. Bei den lustigen Klängen einer Musikkapelle marschierten die festlich geschmückten Kinder, die Mädchen Blumenkränze im offenen Haar, die Knaben mit Fähnchen und Schärpen, nach der Festwiese auf die für sie ab­