Nr. 6
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Genossenschaftliche Rundschau.
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Die Gleichheit
Die Berliner Konsumgenossenschaft hat auch im Tezten 14. Geschäftsjahr sich gut weiter entwickelt. Einem ausführlichen Bericht darüber entnehmen wir folgende Angaben. Die Mitgliederzahl stieg von 56 678 auf 77 115, der Warenumsatz bon 10 540 183 Mt. auf 14 987 277 Mt. Der Mitgliederzahl nach ist die Konsumgenossenschaft Berlin und Umgegend jeßt die größte im Zentralverband deutscher Konsumbereine. Mit dem Warenumsatz steht sie jedoch erst an vierter Stelle. Da wird sie von den Konsumvereinen Dresden , Leipzig und Hamburg übertroffen. Der größere Umsatz dieser Vereine erklärt sich daraus, daß sie über eigene Schlächtereien( Leipzig und Hamburg ) und über Warenhäuser verfügen, wodurch den Mitgliedern Gelegenheit geboten ist, einen größeren Teil ihres Bedarfs durch den Konsumverein zu decken, als es in Berlin der Fall ist. Die Genossenschaft hatte am Schlusse des Geschäftsjahres 107 Verkaufsstellen. Der Jahresumsatz der Bäckerei belief sich auf 2 706 779 Mt. Das sind 59 Prozent mehr als im Vorjahr. An dem Gesamtumsatz der Genossenschaft ist die Bäckerei mit 18,1 Prozent beteiligt. Es ist ein durchschlagender Beweis für die Leistungsfähigkeit und überlegenheit des ge= nossenschaftlichen Großbetriebs, daß die Konsumgenossenschaft ihr Roggenbrot von anerkannt vorzüglicher Qualität für 25 Pf. pro Kilogramm liefert, während der amtlich festgestellte Durchschnittspreis in den Privatbäckereien 29,01 bis 30,11 Pf. beträgt. Seit September 1912 betreibt die Genossenschaft auch eine eigene Konditorei, die in den zehn Monaten ihres Bestehens für 190 738 Mt. Ruchenware abgesetzt hat.
Es darf nicht unerwähnt bleiben, daß die Konsumgenossenschaft Berlin im verflossenen Geschäftsjahr mit großen petuniären Opfern. zur Linderung der Fleischnot beigetragen hat. Es handelt sich um den Vertrieb des russischen Fleisches, das infolge be= sonderer ministerieller Erlaubnis durch die Stadt Berlin und einige Vorortgemeinden eingeführt wurde. Zunächst hatten es die Gemeindebehörden abgelehnt, außer den Fleischermeistern auch die Konsumgenossenschaft mit dem Verkauf des Fleisches zu betrauen. Als dann aber infolge inforrekten Verhaltens eines großen Teils der betreffenden Fleischermeister die Gefahr drohte, daß die ganze Notstandsaktion ihren Zweck verfehlen würde, da erinnerte man sich der Konsumgenossenschaft und übertrug ihr gleichfalls den Verkauf von russischem Fleisch. Die Genossenschaft mietete besondere Läden, stellte eine Anzahl Fleischer ein und betrieb den Fleischverkauf in Berlin und einigen Vororten in 52 Läden. Von Nobember 1912 bis Juni 1913 währte der Verkauf von ausländischem Fleisch. Es wurden davon für 2 345 717 Mt. umgesetzt. Diese Summe ist in dem angeführten Gesamtumsaß der Genossenschaft. nicht miteingerechnet. Der Verkauf des ausländischen Fleisches hat einem erheblichen Teil der ärmeren Bevölkerung in der Zeit der härtesten Teuerung den Fleischgenuß ermöglicht und weiterhin bewirkt, daß die Preise des inländischen Fleisches nicht noch höher stiegen, ja hier und da sogar etwas zurückgingen. An diesem für die Allgemeinheit der Konsumenten sehr wertvollen Erfolg hat die Konsumgenossenschaft in hohem Maße mitgewirft.- Obgleich fie beim Bezug von Seefischen nicht die Frachtermäßigung ge= nießt, die den Gemeindebehörden gewährt werden, konnte sie tadellose Ware noch etwas billiger abgeben als die städtischen Verkaufsstellen. Von den 77 115 Mitgliedern sind nur 50 432 durch Ablieferung von Markenblättern als Käufer festgestellt worden. Also 26 683 Mitglieder haben keine Waren aus den Verkaufsstellen der Genossenschaft bezogen. Wohl deshalb, weil sie in Bezirken wohnen, wo noch keine Verkaufsstelle besteht. Zieht man bei der Berechnung des Umsatzes nur die kaufenden Mitglieder in Betracht, dann ergibt sich auf das kaufende Mitglied ein Durchschnittsumfaß von 297,17 Mt. Aus dem Bericht scheint hervorzugehen, daß die Verwaltung des Unternehmens mit den geschäftlichen Einrichtungen der sprunghaften Zunahme der Mitglieder nicht unmittelbar folgen kann. Das ist eine Erscheinung, die man sich leicht erklären kann und die auch schon anderwärts unter ähnlichen Verhältnissen zu beobachten war. In den letzten fünf Jahren ist die Mitgliederzahl des Berliner Konsumvereins von 19000 auf 77000 gestiegen, der Umsatz von knapp 3 auf beinahe 15 Millionen!
In Hamburg bestehen zurzeit vier Konsumvereine. Der größte davon ist die bekannte Genossenschaft Produktion", an zweiter Stelle steht die„ Neue Gesellschaft"; beide Vereine gehören dem Zentralverband deutscher Konsumvereine an. Die anderen zwei sind Beamtenkonsumvereine, die beide zusammen im Jahre 1912 ca. 5671000 Mt. Umsatz erzielten. Für alle vier Vereine zusammen ergeben sich folgende Ziffern: Mitglieder 149 759, Umfaz 37 456 288 Mt., Verkaufsstellen 284. Bei den Mittelständlern
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Hamburgs ist die imposante genossenschaftliche Bewegung natürlich nicht gut angeschrieben. Sie haben es durch ihre fortwährenden Hezzereien fertig gebracht, daß in Hamburg eine sehr harte Umsatzsteuer eingeführt wurde, die ganz willkürlich einen Reingewinn" von 8 Prozent annimmt, woraus nicht weniger wie 9 Prozent„ Einkommensteuer" gezahlt werden muß. Daß man durch solches Verfahren die Arbeiter erst recht mobil für die Konsumvereine macht, sehen jene Kreise noch immer nicht ein. Wenn sie nicht hören, werden sie fühlen müssen.
Vor einiger Zeit hat sich das Zentrum in Bayern wieder einmal in politischen Jongleurkunststückchen geübt. Es ritt im Interesse der ansässigen Geschäftsleute" im bayerischen Landtag eine Attacke gegen die Beamtenkonsumber= eine. Was seine Wortführer eigentlich wollten, wurde nicht recht Klar, denn sie mußten vorsichtig operieren, weil das Zentrum es ja mit den Beamten aus wahltaktischen Gründen auch nicht verderben darf. Was bei solcher Doppelzüngigkeit herauskommt, kann man sich denken. Man tut so! Von Interesse ist vielleicht, was der Zentrumsministerpräsident zu dieser bestellten Arbeit zu fagen hatte. Er berief sich auf eine amtliche Erklärung über eine Eingabe eines Gewerbevereins, in der es heißt:„ Die Staatsregierung betrachtet den Versuch der Errichtung von Beamtenkonsumvereinen als eine unerfreuliche wirtschaftliche Erscheinung und mißbilligt alle hierauf abzielenden Schritte von Beamten. Eine unmittelbare Einwirkung der Staatsregierung auf die Beamten ist aber nur im Rahmen des Beamtengesetzes zulässig, das eine Grundlage zu einem förmlichen Verbot der Beteiligung von Beamten an Beamtenkonsumvereinen nicht bietet. Die Staatsregierungen werden jedoch den ihnen unterstellten Beamten keinen Zweifel darüber lassen, daß die auf Gründung von Beamtenkonsumvereinen abzielenden Bestrebungen nicht gebilligt werden können." Wonach sich die Beamten zu richten haben! Den Standpunkt der Sozialdemokraten vertrat der Abgeordnete Simon. Er erklärte die Beamtenkonsumvereine zwar nicht für nötig, da sie nur eine Zersplitterung der genossenschaftlichen Bewegung bedeuten, aber selbstverständlich wollte er das freie Recht der Entschließung auch den Beamten gewahrt wissen. Die Heßerei gegen die sozialdemokra tischen" Konsumvereine der Arbeiter treibt die Beamten ja förmlich in besondere Gründungen dieser Art.
Die Großeinkaufsgesellschaft deutscher Konsumvereine hat ihre drei Zigarrenfabriken in Hamburg , Hodenheim ( Baden) und Frankenberg ( Sachsen ) bedeutend vergrößert und verbessert. Nach einem Bericht in der Konsumgenossenschaftlichen Rundschau" sind diese Betriebe besonders hygienisch sehr modern eingerichtet. In den drei Fabriken werden gegenwärtig 961 Arbeiter und Arbeiterinnen beschäftigt: in Hockenheim 556, in Hamburg 214, in Frankenberg 191; Arbeitsplätze sind für 1540 Personen vorhanden. Die Großeinkaufsgesellschaft betreibt auch eine Seifenfabrik mit 246, eine Rautabatfabrik mit 58 und eine 8ündholzfabrit mit 49 Beschäftigten. Es sind mithin insgesamt 1314 Personen in den eigenen Produktionsbetrieben der Großeinkaufsgesellschaft tätig.
Wir meldeten in der vorigen Rundschau ein mehr als sonderbares Urteil des Schöffengerichts in Dresden , das einen Genossen zu 20 Mt. Geldstrafe verurteilte, weil er eine Versammlung nicht angemeldet beziehungsweise bekanntgemacht hatte, in der über die„ Volksfürsorge" geredet wurde. Das Gericht nahm gleich der Behörde an, daß die Versammlung" politisch" gewesen sei. Diese Annahme mutet um so sonderbarer an, als der überwachende Beamte schon die überwachung war unzulässig!- als Zeuge bekundete, daß ihm die Versammlung nicht politisch vorgekommen sei. Das Landgericht hat jetzt den Angeklagten freigesprochen und damit nur entschieden, was eigentlich von vornherein - selbstverständlich war.
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Die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften Deutschlands wiesen am 1. Januar 1911 einen Mitgliederbestand von 5 203 759 Personen auf, die sich insgesamt auf 30 489 Genossenschaften verteilten. Die Genossenschaften mit beschränkter Haftpflicht zählen 2 888 228 Mitglieder, während zu den Genossenschaften mit unbeschränkter Haftpflicht jett 2287 223 Personen gehören. Die Entwicklung der beiden Genossenschaftsformen in bezug auf die Zahl der Mitglieder läßt die Form der Genossenschaft mit beschränkter Haftpflicht als die für die Zukunft aussichtsreichere erscheinen; denn sie ist seit dem Jahre 1907 in bedeutend schnellerem Tempo gewachsen als die Genossenschaft mit unbeschränkter Haftpflicht. Während die Genossenschaften mit unbeschränkter Haftpflicht im Jahre 1907 bereits 2007 649 Mitglieder aufwiesen, verfügten die Genossenschaften mit beschränkter Haftpflicht damals erst über eine Gesamtmitgliederzahl von