Nr. 9 Die Gleichheit IZI Mansfelder Streik Maschinengewehre gegen die Knappen aufgefahren wurden. Sie haben sich des Rechts und des Willens begeben, den Militarismus zur bürgerlichen Ordnung zurückzurufen, wenn er in Zabern das„Bürgerpack" bis zum Staatsanwalt hinauf mit Bajonetten und blauen Bohnen bedroht. Die Logik ist dabei auf seiner Seite, wie die reale Macht der Mordwerkzeuge, die gegen die papierene Verfassung steht. An diesem Stande der Dinge ändert es nichts, wenn zurzeit der„entschieden liberale" Bürger in seinen Blättern und an seiner Stammtischrunde etwas hitziger und lauter als gewöhnlich über Säbelregiment, Gesetzesbruch, Verfassungsver- letzung und andere Dinge räsoniert, die er seelenruhig auf sein Gewissen nimmt, wenn durch sie das kämpfende Proletariat geknebelt werden soll. Und auch das zu erwartende Gewitter ini Reichstag wird die politische Atmosphäre nicht reinigen. Die Kolophoniumblitze der liberalen Beredsamkeit sind ohne zündende Kraft, und der übliche Theaterdonner dürfte schwächlicher als je grollen. Schon hat-Herr Bassermann auf der Jahresversammlung der württembergischen Nationalliberalen sein Segenssprüchlein über den prächtigen Oberst v. Reuter und das Straßburger Urteil geflötet. Und bis zum„entschiedensten" Volksparteiler würden die bürger- lichen Oppositionsmänner davor zurückbäumen, dem Reichskanzler und dem Kriegsminister kein Gehalt zu bewilligen, gegen das ganze Budget und den Militäretat im besonderen zu stimmen und den Reichstag zu einer politisch handelnden und entscheidenden Macht zu erheben. Der französische Spießer hat auf dem Jahrmarkt ein Spielzeug, an dem er seinen Groll über die„böse Schwiegermutter" auszutoben Pflegt. Das ist der Holzkopf am„Kraftmesser", der beim Schlag hinaufspringt. Nach diesem berühmten Muster werden die liberalen Helden ihren Mannesmut durch Herumpauken auf dem bequemen kronprinzlichen Holzkopf austoben. Natürlich auch das mit dein geziemenden Respekt einer„allergetreuesten Opposition", und in der deutlichen Vorahnung, daß die Politik des„Feste drauf" die künftige politische Weisheit der besitzenden Klassen gegen das Proletariat ist. Die freisprechenden Urteile von Straßburg haben der deutschen Arbeiterklasse nichts Neues über das Wesen des Milita- rismus und seine Rolle gesagt, aber die alte Erkenntnis so scharf bestätigt, daß sie auch dem schwachsichtigsten Auge wahrnehmbar werden muß. Sie haben das amtliche Siegel unter die Bankrotterklärung des„neuen Liberalismus" gesetzt, dessen Blütemöglichkeit politische Bettler und Kinder zu hoffnungsvollen Toren werden ließ. Der triumphierende Säbel hat die letzten Jllusionsschleier zerrissen, die die Werktätigen Massen in Deutschland noch über die Kraft, die„Bündnisfähigkeit" des Bürgertums, der Liberalen täuschen konnten. Von dieser Sippschaft Taten erwarten, wäre töricht, um ihretwillen unseren Kanipf„dämpfen", verächtlich. Die deutsche Bourgeoisie küßt deu Säbel, der sie schlägt, denn sie betet in ihm den letzten Heilbringer ihrer Klassenherrschaft an.„In diesem Zeichen will ich ausbeuten und siegen", das ist der Hoffnungsschimmer auf ihre Ewigkeit, der sie mit dem Triumph des Säbels aussöhnt. Die Tätigkeit der Frau in der Gemeinde. Von Anna Bios. XII. Die Frau in der Schulbehördc: Schuldisziplin in der Einheitsschule.— Ausscheidung des Religionsunterrichtes. Natürlich wollen wir in der Einheitsschule, die wir für die Zukunft Planen, vor allem auch eine andere Disziplin einführen. Das Lehren soll nicht ein Kampf zwischen Lehrer und Schüler sein, in dem ersterer mit dem Stock dem schwachen, ungeschützten Kind gegenübersteht, das schließlich in dem Lehrer einen Feind erblickt, gegen den es keine anderen Waffen kennt als Betrug und Unwahrheit. Denn Deutschland , das klassische Land der Dichter und Denker, hat den Ruhm, daß in seinen Schulen, namentlich in seinen Volksschulen, die Prügelstrafe angewendet wird und gesetzlich erlaubt ist. Die Lehrer werden durch die überfüllten Klassen, durch das Übermaß von Unterrichtsstunden nervös und gereizt. Sie sind gezwungen, in einer bestimmten Zeit ein gewisses Unterrichtspensum zu bewältigen. Die Kinder sind durch den jähen Übergang vom Spiel zur Arbeit, von der Freiheit zu dem Schulzwang in keiner Weise auf eine ernsthafte Beschäftigung vorbereitet. Kommen wir einmal dahin, daß wir nur kleine Schulklassen haben, daß kein Lehrer überlastet ist, daß durch die Kindergärten das Kind allmählich vom Spiel zum ernsten Lernen geleitet wird, dann wird jeder Anlaß zum Prügeln von selbst fortfallen. Die Lehrer aber, die glauben, sich durch Prügeln Autorität verschaffen zu müssen, das sind in unseren Augen keine Pädagogen, sie können nur Schaden anrichten, ohne daß ihr Tun Nutzen bringt. Denn durch das Prügeln ist noch kein Mensch besser geworden. Furcht weckt nur schlechte Instinkte im Menschen. Die Prügel scheiden jeden sittlichen Einfluß aus der Erziehung aus. Der Gehorsam, der durch Prügel erzielt wird, erfolgt nicht aus Überzeugung, nicht aus freier Entschließung. Naturgemäß sucht sich das Kind vor Prügeln zu schützen. Es greift zur List, schließlich zu Lüge und Be- trug. Es wird im geheimen tun, was es aus Furcht öffentlich nicht zu tun wagt. Wird es trotzdem entdeckt, so wird es lügen, um sich zu schützen. So weckt das Prügeln schlimme Triebe und tötet die guten. Schon Amos Comenius , einer unserer ersten Schulmänner, verglich den prügelnden Erzieher niit einem Musiker, der sein ungestimmtes Instrument mit den Fäusten bearbeitet, anstatt Ohr und Hand zu gebrauchen, um es zu stinimen. Der alttestamentarische Satz „Wer sein Kind lieb hat, der züchtigt es" stammt aus einer barbarischen Zeit, in der unsere heutigen Begriffe von Ethik und Moral noch keine Geltung hatten. Er sollte aber in der Zeit keine Anwendung mehr finden, die sich rühint, das Jahrhundert des Kindes zu sein. Nicht nur in dem ge- prügelten Kinde werden schlechte Instinkte geweckt. Auch der Prügelnde selbst gibt der Wallung blinder Wut nach, deren er sich schämt, wenn er zu ruhiger Überlegung zurückkehrt. Sehr häufig ist aber auch die Bestie in ihm geweckt, und die Folge sind dann Mißhandlungen, an denen schon manches Kind körperlich oder moralisch zugrunde gegangen ist. Ich selbst kannte einen sehr gutgearteten fleißigen Jungen, einen der besten seiner Klasse, der aus irgend einem Grunde von seinem Lehrer gehaßt wurde. Der sehr ehrliebende Knabe schämte sich, zu Hause zu erzählen, wie roh er in der Schule behandelt wurde. Er ging scheu und bedrückt umher, aber er klagte nicht. Zufällig sah eines Tages seine Mutter beim Baden, daß sein ganzer Körper niit blutunterlaufenen Stellen bedeckt war, und erfuhr den traurigen Grund. Der Lehrer kam wegen Nervenüberreizung in ein Sanatorium und wurde später versetzt. Wer bietet aber Bürgschaft dafür, daß dieser Lehrer nicht später an anderen hilflosen Kindern ähnliche Roheiten verübt, die nur durch einen Zufall bekannt werden? Wie oft höre ich bei den Abrügekommissionen, daß Väter oder Mütter erklären, sie hätten ihre unfolgsamen Kinder„abgestraft", das heißt geprügelt. Wieviel logischer wäre es, wenn sie dein Grund des Ungehorsams nachforschen würden, der ja durchaus nicht immer in Bösartigkeit zu suchen ist. Aber auch Bösartigkeit ist durch Prügel noch nie ausgetrieben worden.„Körperliche Züchtigung stärkt die beiden Gefühle, die die Wurzel von fast allem Bösen in der Welt sind, Haß und Furcht," so erklärt treffend Ellen Key . Den Beweis, daß nian auch in der Schule ohne Prügel auskommen kann, liefern die höheren Schulen, in denen die Prügelstrafe verboten ist. Aber die Volksschule ist die Vorbereitung zum Kasernenhofdrill, bei dem Prügel und Mißhandlungen ja auch zu dem System gehören. Schon Scharnhorst sagte:„Kein Soldat ist so erbärmlich gepeitscht wor-
Ausgabe
25 (21.1.1914) 9
Einzelbild herunterladen
verfügbare Breiten