Nr. 9

Die Gleichheit

beschäftigen; eine Goldspinnerin, die mit einem Goldschläger berheiratet ist, durfte bis zu drei, eine ledige Goldspinnerin aber bis zu vier Mägden halten; die Höchstzahl der Arbeite­rinnen im Seidenmachergewerbe betrug ebenfalls vier. Das Abmieten des Gefindes war verboten.

In allen drei Zünften herrschte Zunftawang, das heißt jeder, der das Gewerbe ausübte, mußte auch der Zunft angehören. Die ausführlichsten Bestimmungen finden sich darüber bei den Goldspinnerinnen, deren Zunft, als die vor­nehmste unter den dreien, auch die strengsten Satzungen hatte. Eine Lehrtochter konnte nach Ablauf der Lehrzeit sich als Goldspinnerin selbständig machen unter der Bedingung, daß sie die Bruderschaft gewinnt und erwirbt" durch Zahlung einer Gebühr von 2 Gulden und einem Viertel Wein. Wenn sie das Gewerbe widerrechtlich ausübt, verfällt sie einer Buze bon 1 Gulden. Wer das Gewerbe ausübt, ohne der Zunft anzugehören, soll jeden Monat 1 Mark vollwichtiges Silber Strafe zahlen, und zwar so lange, bis er der Zunft beitritt. Will er die Strafe nicht zahlen, soll er gepfändet werden oder das Gewerbe aufgeben. Eine Goldspinnerin darf einem Gold­schläger, der die Bruderschaft, das heißt die Zunftmitglied­schaft nicht erworben hat oder ihrer verlustig gegangen ist, fein Blattgold abkaufen; umgekehrt darf ein Goldschläger einer Goldspinnerin, die unter denselben Umständen steht, kein Blattgold verkaufen oder Arbeit geben.( Schluß folgt.)

Berufsfragen

der Bürsten- und Pinselmacher.

Die Bürsten- und Pinselmacher Deutschlands hielten am 23. und 24. November im Berliner Gewerkschaftshaus eine Branchenkonferenz ab. Sie war von ihrer Organi­sation einberufen worden, dem Deutschen Holz­arbeiterberband. Aus 27 verschiedenen Orten waren 34 Delegierte erschienen, die zusammen 4500 Mitglieder des Berufes vertraten. Daß ein Drittel davon Arbeiterinnen sind, kam zwar dabei nicht voll zum Ausdruck, da bei solchen Tagungen die Vertretung nicht nach der Stärke der Orts­gruppen erfolgt, sondern nach den Produktionsgebieten. Immerhin trat die steigende Bedeutung der gewerkschaftlichen Mitarbeit von Frauen dadurch in Erscheinung, daß an der Konferenz eine Delegierte teilnahm, Genossin Betty Thal­heimer aus München . Die Wiener Bürstenmacher hatten einen Vertreter entsandt.

Da die Branchenkonferenzen weniger organisatorische Fra­gen zu behandeln brauchen, blieb auch der Zusammenkunft der Bürsten- und Pinselarbeiter fast die ganze Zeit für die Erörterung reiner Berufsangelegenheiten. Das Ergebnis war für die Teilnehmer recht reich. Aus den Verhandlungen ging hervor, daß der Beruf selbst in sich recht differenziert ist. Zunächst ist die Herstellung von Bürsten und Pinseln in den Betrieben fast ganz voneinander getrennt. Für die Fabrikation von Pinseln kommen nur einige wenige Orte in Frage. In der Bürstenfabrikation selbst treten große Unter­schiede auf. Neben der wohl ursprünglichen Heimarbeit kommt der handwerksmäßige Betrieb und in immer steigen­dem Maße der Großbetrieb vor. Die wirtschaftliche über­legenheit des letteren hat zur Folge, daß die anderen Be­triebsarten immer mehr zurücktreten. Ja selbst die Heim­arbeit mit ihrer endlosen Arbeitszeit und den billigen Ar­beitskräften von Frau und Kind kann der Konkurrenz der Fabrikbetriebe nicht mehr standhalten. In diesem Berufe zeigt sich, wie die Heimarbeit beseitigt wird, weil die Fabrik trok kürzerer Arbeitszeit, besserer Verdienste und. gesundheitſchüßender Einrichtungen billiger als jene produ­ziert. Nach den Berichten aus einzelnen Orten ist die tech­nische Entwicklung in diesem Beruf während der letzten Jahre eine außerordentlich rasche gewesen. Die Arbeitslei­stung ist immer mehr in einzelne Verrichtungen zerteilt und für jede davon ist möglichst eine besondere Maschine ge­schaffen worden. So haben die Fabriken Bandsägen und

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Fräsen zur Vorbehandlung der Bürstenhölzer, automatische Bohrmaschinen, Stanzen sowie Maschinen zum Mischen, Hecheln und Kämmen der Borsten und Haare, zum Polieren der fertigen Bürsten und andere mehr. Und jede neue Ma­schine macht Arbeiter entbehrlich. Eine Fabrik in Schönheide hatte früher bei 400 Beschäftigten 28 Puter. Heute, nach Einführung geeigneter Maschinen, sind nur noch zwei Buzer tätig, die bloß für ganz besonders feine Arbeit gebraucht werden. Vielfach sind infolge der technischen Fortschritte an die Stelle männlicher Arbeiter weibliche Kräfte getreten. Die Betriebsleistung ist bei alledem bedeutend gesteigert worden. So bekommt zum Beispiel eine Arbeiterin für das maschinelle Bohren von einem Dugend Nagelbürsten mit rund 600 Loch 3 Pf. Sie verdient dabei mit etwa 12 Mf. die Woche mehr als früher bei Handarbeit und einem Afford­preis, der um das Mehrfache höher war. Wenn trop riesig gestiegener Leistung die großen Betriebe ihren früheren Ar­beiterbestand hielten, so läßt dies eine bedeutende Absatz­zunahme erkennen.

Die gekennzeichnete Entwicklung der Betriebe beweist aber noch ein anderes. Nämlich daß in dem Beruf alle Voraus­segungen einer beträchtlichen Arbeitszeitverkür­zung gegeben sind. Die Fabriken mit ihren 10 bis 15 Bro­zent Dividenden können eine solche finanziell durchaus er­tragen. Nicht nur die immer eintöniger werdende Arbeits­weise macht die kurze Arbeitszeit notwendig. Auch die Staub­entwicklung drängt zu der Forderung. Die Nürnberger Pinsel- und Bürstenindustrie weist in der Hinsicht mit einer Arbeitszeit von 52 Wochenstunden fortgeschrittene Verhält­nisse auf, und sie besteht sehr wohl dabei. Da gibt es keinen sachlich rechtfertigenden Grund mehr für die 60stündige Ar­beitswoche in den Schönheider Großbetrieben und die noch längere Arbeitszeit in der Heimarbeit.

Die eigentliche Bürstenindustrie hat dort ihren Sitz, wo es billige Arbeitskräfte in Hülle und Fülle gibt. In den größeren Städten werden fast nur noch Bürstenwaren für städtischen oder industriellen Bedarf angefertigt, vereinzelt auch Luxus­waren. Diesen Betrieben wie zum Teil auch den Fabriken für Waren des Hausbedarfs erwächst eine besonders unliebsame Konkurrenz in der Gefangenenarbeit. Der Staat läßt " die Sträflinge gegen ganz minimale Bezahlung für Privat­unternehmer arbeiten. Vielfach wird auch über die Konkurrenz der Fürsorge- und Blindenanstalten geklagt. Doch wurde auf der Konferenz festgestellt, daß es damit nicht inmmer so schlimm ist. Die Arbeit dort deckt zum Teil nur den unmittelbaren Bedarf staatlicher Anstalten. Die Berliner Blindenanstalt zahlt den Blinden für Straßenbesen sogar höhere Sätze als ehedem der Unternehmer seinen vollsinnigen Arbeitern. Dies ist natürlich notwendig, um den Blinden das Leben zu ermöglichen. Die Konferenz anerkannte denn auch die volle Berechtigung der Blinden , in dem Beruf erwerbs­tätig zu sein. Doch betonte sie, daß diese Arbeit nicht zu einer Ausbeutung der Blinden gemißbraucht werden dürfe, die zur Unterbietung der Preise führe.

Da die Arbeitsbedingungen in der Bürsten- und Pinsel­industrie noch recht unterschiedlich sind, so ist in der Arbeiter­schaft schon länger das Verlangen nach Vereinheitlichung ent­standen. Es erhielt dadurch Nahrung, daß der Verband in den legten Jahren auf diesem Gebiet wesentliche Fortschritte zur Vereinheitlichung der Arbeitsbedingungen erzielt hat. Das gilt zumal von den Tischlereibetrieben. Eine frühere Kon­ferenz der Bürsten- und Pinselmacher hatte eine Zentral­fommission eingesetzt, die den Versuch gemacht hat, einen Einheitsakkordtarif aufzustellen. Die Beratungen zeigten jedoch, daß die Voraussetzungen zur Durchführung eines solchen Tarifs im Augenblick noch nicht gegeben sind. Arbeitsart und Sorteneinteilung weisen der Unterschiede noch zu viele auf. Beschlossen wurde, mehr als bisher auf den Ab­schluß von Tarifverträgen hinzuarbeiten und damit auch auf eine Vereinfachung der Sortengruppierung und Vereinheit­lichung der Affordsätze.