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Die Gleichheit

fanfaren gewesen. Sie haben namentlich in Österreich   viel dazu beigetragen, nach dem ersten internationalen Kongreß zu Paris  den Enthusiasmus für die Maifeier zu entfachen. Wie Andreas Scheu   die Gedichte von Joynes, Morris, Jones und anderen nam­haften Sozialisten aus dem Englischen ins Deutsche übertragen hat, so sind manche seiner Lieder ins Englische überseht worden. So hat er auch als sozialistischer Dichter zum Emporblühen inter­nationaler Solidaritätsgefühle beigetragen. Eine gute Auswahl der Gedichte der eigenen wie der von ihm übersetzten ist als fünftes Bändchen der Sammlung Deutsche Arbeiterdichter" er­schienen.( Stuttgart  , Verlag J. H. W. Diez Nachf.) Seit 1911 lebt Scheu in Weimar  . Die Last der Jahre hat diesem kernfesten Mann nicht die Arbeitskraft verdorren lassen. Als Mitarbeiter ange­fehener deutscher   und österreichischer Parteiorgane dient er den Idealen seiner Jugendjahre weiter. Möchten ihm fichte Tage noch lange die Frische und Freudigkeit dazu erhalten. Das ist der Herz­liche Wunsch der deutschen   Genossinnen.

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Von der Agitation. Im Auftrag der Parteileitung des fiebten sächsischen Wahlkreises referierte die Unterzeichnete in Gruben, Nünchriz, Weida  , Großenhain  , Moris, Rob­schüß, Prausig, Zadel  , Weinböhla  , Riesa  , Wersch­wiz, 8scho chau, Brockwitz   und Meißen   über das Thema: " Arbeiterfrauen im Kampf um Brot und Recht". Der Besuch war durchweg zufriedenstellend, in einzelnen Orten sogar glänzend, so zum Beispiel in Nünchrih. Von Prausig abgesehen, waren überall die Frauen zahlreich vertreten. Sie hatten trotz des schlech= ten Wetters weite Wege nicht gescheut, aufmertfam folgten sie den Ausführungen des Vortrags und gaben oft durch Zurufe ihre Zu­stimmung tund. In der industriereichen Gegend macht sich die Arise schon seit einiger Zeit bemerkbar. Arbeitszeitverkürzungen oder in manchen Betrieben tageweises Aussetzen sind an der Tages­ordnung. Doppelt erfreulich ist es, daß die Agitation trotzdem Früchte zeitigte. 108 weibliche Mitglieder wurden in die Partei aufgenommen. Da diese die Gleichheit" erhalten, so wurde deren Leserinnenzahl entsprechend vermehrt. Hier und da griffen Ge­nofsinnen recht wirkungsvoll in die Debatte ein. Das geschah jedoch nur an solchen Orten, wo regelmäßig Diskutier­abende für Frauen abgehalten wurden. Wir dürfen also den Umstand als sicheres Zeugnis dafür gelten lassen, daß die Dis­futierabende wertvolle Arbeit leisten. Darin liegt auch die Gewähr, daß die neugeworbenen weiblichen Parteimitglieder zu überzeug­ten Genosfinnen herangebildet werden, der Sozialdemokratie ein dauernder Gewinn.

Mina Bollmann.

Im Wahlkreis Reuß i. Linie fanden in folgenden Orten öffent­liche Frauenversammlungen statt: 3wößen, Köstritz  , Langenberg  , Lusan  , Wendischenbernsdorf, Dürrenebersdorf, Rubis, Debschwitz  , Stübnik, Großaga, Kraftsdorf  , Leumniz, Oberndorf  , Tinz  , Fran­tenthal, Töppeln  , Scheubengrobsdorf  , Frössen  , Bottiga, Pirt, Seubtendorf  , Künsdorf  , Lolintendorf, Göttengrün  , Kaeschwitz, Lang­wegzendorf und Oßla  . Die Versammlungen sollten die Frauen auf­klären und für die Landtagswahl interessieren. Alle waren gut be= fucht, manche sogar überfüllt; die meisten Erschienenen waren Frauen, und zwar nicht nur dort, wo die Industrie festen Fuß ge= faßt hat, sondern auch in Orten mit rein ländlicher Bevölkerung. Die Unterzeichnete referierte über Die Teuerung und ihre Folgen für die Arbeiterklasse" und über Die bevorstehende Landtags­wahl". In vielen Orten sprach zum erstenmal eine Frau zu Frauen über politische Dinge. Mit größter Ruhe und Aufmerksamkeit folgten die Anwesenden dem Vortrag. Die Wahlkampagne war für unfere Genossen recht schwer. Die bürgerliche Mehrheit hatte es int letten Landtag fertig gebracht, dank der Stimme des jugendlichen Fürsten von Röftriß eine Wahlrechtsverschlechterung durchzu­drücken. Ihr Zwed war natürlich, die Sozialdemokratie aus dem Landtag zu verdrängen. So mußte unsere Partei unter ungün­stigen Umständen in den Wahlkampf zichen. Daß sie diesen troß­dem mit aller Energie führte, war den Gegnern sehr unangenehm. Im dreizehnten Landtagswahlkreis machten die Liberalen ihrem Ärger Luft durch Schimpfen über das Berliner Frauenzimmer", das am Wahlkampf teilnahm. In Gottliebsthal hatten die Herren eine öffentliche Wählerversammlung einberufen. Der so­zialdemokratische Kandidat Genosse Schöberlein sowie die Unterzeichnete wohnten ihr bei. Zuerst wollten die Liberalen es nicht zulassen, daß Frauen an der Versammlung teilnahmen. Schließlich wurde es diesen jedoch gnädigst gestattet, im Saale zu bleiben, jedoch mit der ritterlichen Bedingung, daß sie die Sitzplätze räumen müßten, wenn sich noch Herren einfinden sollten. Auch hieß es, wer sich nicht anständig benimmt, fliegt hinaus. In der Diskussion wurde Frauen das Wort nicht gewährt. Wie gern hätte ich das Geschwafel des liberalen Kandidaten widerlegt! Herr

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Fleischmann stellte unter anderem die kühne Behauptung auf, daß in Deutschland   die Säuglingssterblichkeit zurückgehen werde, wenn man weniger russisches Fleisch in unser Vaterland einführe und die deutsche Landwirtschaft das Volk mit Fleisch versorge. Nach Schluß der Versammlung fonnte ich im Gespräch mit den Wählern und ihren Frauen die liberale Weisheit zerpflücken. Daß die So­zialdemokratie in den bearbeiteten Wahlkreisen Boden gewonnen hat, dafür spricht ein Umstand. In fast allen Orten konnten wir Versammlungen abhalten, während es uns noch im Jahre 1912 bei der Reichstagswahl nicht möglich war, überall Lokale zu be= kommen. Bei der Haupt- wie bei den Stichwahlen haben die Ge­nofsinnen fleißig mitgearbeitet. Trotz dem Wahlunrecht, das man­chen Arten von Wählern bis zu fünf Stimmen verleiht, darf unsere Partei mit Genugtuung auf den Wahlkampf zurückblicken. Gewiß, wir haben es zu beklagen, daß von fünf Mandaten drei verloren gegangen sind. Die gegnerischen Kandidaten erhielten alle 3., 4. und 5. Stimmen, die bevorrechteten Wählern zustanden; für die Sozialdemokratie votierten die Wähler mit einer Stimme, nur ein Teil der 2. Stimmen wurde für sie abgegeben. Aber die sozia­ listischen   Ideen sind während der Wahlkampagne in die weitesten Kreise getragen worden. Und nicht bloß die Männer, auch die Frauen nahmen sie begeistert auf. Die Partei gewann neue Mit­glieder, ihre Presse erweiterte ihren Leserkreis. So ist das Heer gewachsen, das das infame Wahlunrecht bekämpft. Der kapita­ listischen   Ausbeutung sind neue Todfeinde erstanden. Berta Lungmi.

Im Herzogtum Altenburg   fanden Mitglieder- und öffentliche Versammlungen statt, in denen die Unterzeichnete referierte. So in Klosterlausnik, Zeschau, Hermsdorf  , Eisenberg, Kahla, Lohma  , Schmölln  , Meuselwitz   und Rauda  . Auf der Tagesordnung stand ..Die Geschichte der Sozialdemokratie"," Die Frau in Staat und Gemeinde"," Die Erwerbstätigkeit in Deutschland  ". Die Versamm­lungen waren durchschnittlich gut besucht, nur in Kahla  , Herms­ dorf   und Meuselwitz   ließ der Zustrom viel zu wünschen übrig. Die entfaltete Agitation hat die Genossen und Genossinnen gefestigt und der Partei neue Mitkämpfer gebracht, auch der Altenburger Volkszeitung" Leser zugeführt.

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In Weißenfels   hatte die Parteiorganisation eine Versammlung für die weiblichen Mitglieder veranstaltet, in der das Thema be= handelt wurde: Die Mutter als Erzieherin". Diese Versammlung hätte besser besucht sein können. Die Referentin wie Genossin Bach wiesen auf die Stadtverordnetenstichwahlen hin, bei denen die Frauen gemeinschaftlich mit den Männern für den Sieg der So­zialdemokratie wirken müßten. Für die Jugend hielt die Unter­zeichnete in Eisenberg   eine Festrede, ebendaselbst und in Theissen einen Vortrag über Bürgerliche und proletarische Jugender­ziehung". Diese Versammlungen waren überfüllt, es war eine Freude, mit welchem Jnteresse unsere arbeitende Jugend den Aus­führungen folgte. Nach dem Vortrag blieben die Jugendlichen und die anwesenden Eltern noch beisammen. Es wurden Spiele ver­anstaltet, und mit Gesang ging man schließlich auseinander. Berta Lungwit.

In einer öffentlichen Frauenversammlung zu Leipzig   hielt Ge= nossin Gradnauer- Dresden einen fesselnden Vortrag über ,, Emile Zola   und die Arbeiterliteratur". Lichtvoll zeigte die Vor­tragende, daß mit der gesellschaftlichen Entwicklung, mit dem Klassenkampf des Proletariats für Freiheit und volles Menschen­tum der Arbeiter in steigendem Maße von der Kunst behandelt und berücksichtigt wird. Sie entrollte dann ein Bild vom Leben Bolas und ging näher auf seine dichterischen Schöpfungen und ihre Bedeutung ein. Der Vortrag endete mit einem zündenden Appell an die proletarischen Frauen, in der Arbeiterbewegung mitzu­kämpfen, damit ihnen bald der Achtstundentag und andere Ne­formen Zeit und Gelegenheit schaffen, sich zu bilden und an Kunst­genüssen und allen edlen Lebensgütern zu erfreuen. Mehr Bildung und Lebensfreude verpflichte zu kraftvollerem Kampfe für die volle Befreiung durch den Sozialismus.

Politische Rundschau.

m. b.

Zwei herausfordernde Freisprüche, die am 10. Januar von Militärrichtern in Straßburg   gefällt wurden, drängen alle anderen politischen Ereignisse im In- wie im Ausland in den Hintergrund. Die Bedeutung dieser beiden Urteile in den Pro­zessen gegen Oberst v. Reuter und den Leutnant b. Forstner ist gar nicht hoch genug anzuschlagen. Sie sind Signale, die zum Kampfe rufen, Schlaglichter, die uns im grellen Scheine das Deutsche Reich als den Militärstaat zeigen, der es wirklich ist. Als den Staat, in dem das Militär, das Werkzeug in der Hand des