Nr. 10

Die Gleichheit

früher oder später zum Throne berufen werden kann, daß er den Kriegsfall als den Augenblick höchsten Soldatenglücks" bezeichnet.

Die Zurückhaltung der Konservativen in der Zaberndebatte wird zu einem Teil auch durch die bösen Hereinfälle erklärt, die ste mit ihrer neuesten Schöpfung, mit dem Preußenbund, erleben mußten. Diese von der Junkerpresse protegierte Gründung, die durch Herrn v. Heydebrand aus der Taufe gehoben wurde, war als ein Sturmbock gegen Liberale und Sozialdemokraten ge= dacht, hat sich aber durch wüstes Schimpfen und tapsige Ungeschick­lichkeiten zu einem wahren Stein des Anstoßes für das Zentrum und die Nationalliberalen gestaltet. Die Redner dieses schwarz­weißen Zweihunderts, das sich am 18. Januar in Berlin versam= melte, begnügten sich nämlich nicht damit, die Sozialdemokraten, Bolen, Welfen, Dänen und Elsaß- Lothringer und allenfalls noch die Fortschrittler zu beschimpfen, sondern ließen sich in der Hibe ihres preußischen Patriotismus auch dazu hinreißen, den Reichs­ tag eine sehr gemischte Gesellschaft und eine Rotte zu nennen sowie allerlei giftige Bemerkungen über den demokratisch verseuchten Süden zu machen. Dem Faß wurde aber der Boden ausgeschlagen, als ein besonders geschickter Taktiker, der General v. Kr a cht, um die Tapferkeit der preußischen Soldaten Anno 1870 besonders her= auszustreichen, die Bayern der mangelnden Courage bezichtigte. Jetzt flammte der bayerische Spezialpatriotismus auf, und alle nachträglichen Abschwächungen und Vertuschungsversuche des allzu offenherzigen Redners konnten den Schaden nicht mehr gutmachen

der Preußentag war gründlich ,, berfracht". So sehr, daß es selbst die Junker für gut hielten, in feierlichen Erklärungen in der Kreuzzeitung " und durch den Mund des Grafen Westarp im Reichstag die Verantwortung für die Schimpforgie des berun glüdten Sprößlings abzulehnen, der seine Familienähnlichkeit mit der Junkerschaft indes nicht verleugnen kann.

Sonst sind jedoch die Junker sehr angriffsluftig. Jm preu= ßischen Landtag haben sie die Regierung unter Kreuzfeuer genommen. Es hatte nichts geholfen, daß Bethmann ihnen gleich zu Anfang versichert hatte, daß sie eine Wahlreform wirklich nicht zu besorgen haben und daß die Regierung ihre Forderung nach der Wiederausgrabung der Zuchthausvorlage gegen das Koalitions­recht die Konservativen haben das im Reichstag jetzt zum dritten Male beantragt damit noch lange nicht zufrieden, er fordert eine Politik der Provo­tation der Sozialdemokratie, er möchte sie vor die Bajonette und die Maschinengewehre getrieben wissen. Ungeduldig rief er der Sozialdemokratie zu: Machen Sie Ihre Revolution!"

-

155

prüfen, aber immerhin glauben wir's den Herren schon, daß die Gelben in dieser Zeit wirtschaftlichen Niederganges Oberwasser haben. Und daß die gewerkschaftlichen Organisationen, das heißt solche Organisationen, denen es mit der Vertretung der Arbeiter­sache ernst ist, in Zeiten der Krise Mitglieder verlieren, ist eine alte Erfahrungstatsache, die jetzt nicht erst neu zu entdecken war. Die Statistik über die Entwicklung unserer Verbände läßt die Einwirkung der Krisenjahre auf die Mitgliederbewegung deutlich genug hervortreten. Im letzten größeren Krisenjahr, 1908, hatten wir einen Mitgliederverlust von 33 775. Bereits 1907 zeigten sich die Vorboten der Krise in einem schwächeren Mitgliederzuwachs, und ihre Nachwehen waren 1909 in einer recht geringen Zunahme fühlbar. Bittere wirtschaftliche Not bricht eben selbst das Eisen fester Gesinnung. Daß in Zeiten der wirtschaftlichen Depression die gelbe Sumpfpflanze üppig gedeiht, ist begreiflich. Unter Androhung der Entlassung werden die Arbeiter in die gelben Werkvereine ge­preßt, denn in dieser Zeit bedeutet diese Drohung für den Aus­gebeuteten die bange Aussicht, 20 Wochen länger hungernd und frierend auf der Straße nach Arbeit herumzubetteln. Ihren Triumph verdanken die Scharfmacher der Krise, das heißt letzten Endes der Anarchie der herrschenden Produktionsweise. Gerade die Krisen sind ein Beweis für die Richtigkeit der sozialistischen Theorie und für die Notwendigkeit der sozialistischen Praxis des Klassen­tampfes. Den Anschauungsunterricht der Krise für immer größere Maffen der Ausgebeuteten fruchtbar zu machen, kann uns der Ab­stieg der Gewerkschaften" nur anspornen. Wer zuletzt lacht, lacht am besten.

Der Abschluß der örtlichen Tarifverträge im Baugewerbe geht immer noch in recht mäßigem Tempo vor sich. In der Unter­nehmerpresse wurde natürlich behauptet, daß die vielen, von den Arbeiterorganisationen erhobenen Einwendungen an der Verzöge­rung schuld seien. Demgegenüber ist jetzt festgestellt worden, daß von 208 Tarifverträgen, die beim Vorstand des Unternehmerver­bandes eingegangen sind, bisher nur 44 genehmigt, aber 144 be­anstandet oder nicht geprüft wurden.

Der Streit in der Berliner Etuisbranche dauert schon 16 Wochen, ohne daß ein Ende abzusehen wäre. Arbeitswillige haben die Unternehmer bisher troß größter Bemühungen nicht be­Für die Arbeiter und Arbeiterinnen der Rauchwarenzurichtereien sind die Tarife im Wege der Verhandlungen erneuert worden. Der Kürschnerverband setzte eine Erhöhung von 6 bis 10 Prozent durch.

tommen fönnen. wohlwollend erwägen werde. Heydebrand ist

In der Berufungsverhandlung gegen die Zeugoffiziere, die der Aruppfirm a amtliche Geheimnisse verrieten, sind von dem Oberkriegsgericht sehr milde Urteile gefällt worden, die den Ver­urteilten das Verbleiben im Amt gestatten. Die Krupp- Presse hat mit ihren Protesten gegen den Krupp- Prozeß Erfolg gehabt, die schmutzige Affäre der Millionenfirma wird als eine Bagatelle be= handelt, die Verfehlungen ihrer Zuträger werden mit Stuben­arrest gefühnt". Und im preußischen Dreiklassenhaus hat Beth­ mann Hollweg den aufbegehrenden Junkern eifrig versichert, daß die Untersuchungskommission für die Rüstungslieferungen- trot ihrer Sozialistenreinheit! nicht mehr Befugnisse habe, als die Regierung ihr höchst sparsam zumesse. Weshalb sie denn auch in der Öffentlichkeit den Namen Vertuschungskommission" mit Fug und Recht führt. H. B.

Gewerkschaftliche Rundschau.

Der Niedergang der freien Gewerkschaften in Deutschland und damit die Unhaltbarkeit der Lehre vom Klassenkampf ist wieder einmal schlagend erwiesen. Frohlockend verkünden es die bürger­lichen Zeitungen, die im Solde der Scharfmacher stehen. Und an der Wahrheit dieser Seilsbotschaft ist um so weniger zu zweifeln, als die Gewerkschaften ja selbst die Zeugnisse dafür geliefert haben. Nach der Gewerkschaftsstatistik haben unsere Zentral­verbände bis zum dritten Quartal 1913 gegen das Vorjahr etwa 20 000 Mitglieder verloren, der Abstieg der sozialistischen Gewerk­schaften" ist also Tatsache. Der Schmerz über den Mitgliederver­Just soll bei uns um so herber sein, weil unsere Gewerkschaften große Hoffnungen auf das Jahr 1913 gesetzt und in Erwartung bedeutender Kämpfe die Werbetrommel eifriger denn je gerührt hätten. Und was das Glück der Scharfmacher und Ausbeuter voll macht: es wird behauptet, daß die Gelben in diesem Jahre wunderschöne Fortschritte gemacht haben. Ihre Vereine sollen 1913 um 50000 Mitglieder zugenommen haben, von 110000 auf 160000 gestiegen sein, und es werden auch 7000 jugendliche Gelbe gezählt. Die Genauigkeit dieser Zahlenangabe läßt sich ja schwer nach­

-

Die Malermeister in Rheinland- Westfalen muß­ten auf den Entscheid der Unparteiischen hin durch den Vorstand des Unternehmerverbandes aus der Organisation ausgeschlossen werden. Sie fämpfen meiter gegen die Tarifverträge und versenden an die Einwohner der rheinisch- westfälischen Städte Rundschreiben, in denen sie die Namen der dem Unternehmerverband angehören­den und nichtangehörenden Meister gesondert bekannt geben. Der Zweck soll natürlich sein, daß die tariftreuen Mitglieder keine Auf­träge erhalten. Ein solches Vorgehen darf man beiliebe nicht Terro­rismus nennen, der ist nur bei den Arbeitern zu finden.

Lohnabzüge unter der Form von Strafgeldern ist eine der Geißeln, die die Zechen herren über die Grubensklaven schwingen. Die Jahressumme der Lohnabzüge ist ganz bedeutend, und sie steigt von Jahr zu Jahr. 1913 war sie bedeutend höher als im Vorjahr. Auf 118 Zechen wurden den Bergarbeitern für Förde­rung unreiner Kohle oder ungenügend beladener Wagen 376 205 Mark vom Lohne abgezogen, für Fortbleiben ohne Urlaub und an­dere Straftaten" 765 243 Mart, insgesamt also 1 141 448 Mark. Die Bergarbeiter verweisen mit gutem Recht darauf, daß sie keine Schuld trifft, wenn die geförderte Kohle unrein ist oder die Wagen nicht voll beladen sind. Die Kohle ist oft mit Stein durchsetzt, und während der Fahrt wird sie in den Wagen zusammengeschüttelt, die voll von der Arbeitsstelle abgehen. Was dem Arbeiter aber von seinem sauer verdienten Lohne geraubt wird, muß dazu dienen, ihn noch fester an seinen Ausbeuter zu fesseln. Die Strafgelder fließen nämlich in die Wohlfahrtskassen". Außerdem kann man vermittels des selbstherrlichen Strafrechts mißliebige flassenbe­wußte Arbeiter besonders schifanieren.

Daß wieder einmal ein Streifbrechervermittler wegen Betrugs verurteilt worden ist, wird nicht weiter überraschen. Der betreffende Herr hatte für hohe Provision einem Unternehmer Rausreißer geschickt und diese für eingearbeitete Leute ausgegeben, obgleich sie keine Ahnung von der ihnen übertragenen qualifizier­ten Arbeit hatten. Der Unternehmer war dabei schwer zu Schaden gekommen und stellte Strafantrag wegen Betrugs. Das Gericht kam zu einer allerdings mäßigen Verurteilung. Von einem an­deren Streitbrechervermittler wird gemeldet, daß er wegen der