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Die Gleichheit

Genossenschaftssache für ihn verantwortlich zu machen. Er hat aber auch noch eine andere interessante Seite. Die hessische Regierung bewilligte in Übereinstimmung mit den Kammern angesichts dieses Krachs den ländlichen Genossenschaften eine Million Mark, die in zwanzig Jahren getilgt werden muß und während der Zeit mit 3/2 Prozent zu verzinsen ist. Außerdem wurde ein weiterer Kredit von zwei Millionen in Aussicht gestellt. Würden auch Arbeiter­konsumvereine in ähnlicher schwieriger Lage auf solche Hilfsattion rechnen können? Als Antwort auf diese Frage braucht man nur darauf hinzuweisen, daß um dieselbe Zeit die hessischen Konsum= vereine mit drückenden und ungerechten Sondersteuern bedacht wurden. Also: Schröpfung der reellen, geschäftlich mustergültigen und den Ärmsten dienenden Genossenschaften auf der einen Seite, staatliche Hilfe bei einer Bankrottwirtschaft der bürgerlichen Ge­nossenschaften auf der anderen! Wir würden eine Unterlassung begehen, wenn wir diesen lieblichen Gegensaß nicht in das Licht der Öffentlichkeit rückten. Im übrigen legen wir den Fall so lange zu den Akten, bis sich die bürgerliche Bresse wieder einmal über Miß­wirtschaft in Konsumvereinen" moralisch entrüsten wird.

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Die sozialdemokratische Fraktion der Hamburger Bürger­schaft hatte die Beseitigung der in Hamburg seit einiger Zeit bestehenden Sonderbesteuerung der Konsumvereine beantragt. Die bürgerliche Mehrheit lehnte diesen Antrag ab, wie zu erwarten war. Unsere Genossen hatten aber Gelegenheit, die große Ungerech­tigkeit jener Steuer in ihrer praktischen Wirkung und ihren Kon­sequenzen aufzuzeigen.

Der Verband sächsischer Handwerker- und Ge= werbevereine wandte sich in einem Schreiben gegen die Gründung eines Konsumvereins sächsischer Eisen­bahnbediensteter an die Generaldirektion der sächsischen Staatseisenbahnen. Diese hat hierauf geantwortet:" Die Staats­eisenbahnverwaltung hat in Würdigung der vom Verband säch­fischer Gewerbe- und Handwerkervereine vertretenen Interessen des Gewerbestandes gegenüber dem geplanten Konsumverein säch­sischer Eisenbahnbediensteter bisher völlige Neutralität beobachtet und jede Begünstigung des Unternehmens vermieden und wird diese Stellung auch in Zukunft einnehmen. Wenn der Verband jedoch ersucht, die Generaldirettion möge der Gründung des Kon­fumvereins entgegentreten und eventuell seine Auflösung ver­fügen, so ist die Generaldirektion nicht in der Lage, dem zu ent­sprechen, weil nach den bestehenden Gesetzen den Staatseisenbahn­bediensteten ebenso wie anderen Staatsbürgern das Recht zusteht, sich zur wohlfeilen Befriedigung ihrer wirtschaftlichen Bedürfnisse zusammenzuschließen." Das ist eine ebenso treffende mie kurz und bündige Antwort, die freilich den Mittelständlern wenig gefallen wird.

Demgegenüber ist gleichfalls aus Sachsen ein Fall unerhörter Anmaßung einer Reichsbehörde zu melden. In Ga stenz bei Oderan hat der Konsumverein im selben Hause, in dem fich die Postagentur befindet, eine Verkaufsstelle. Dem Vertreter der Postagentur ging nun ein Schreiben der Oberpostdirektion zu, worin er als Hausbesitzer aufgefordert wurde, dem Konsumverein den Laden zu fündigen. Der betreffende Herr Postdirektor bildet sich sicher ein, dem Staat einen großen Dienst mit der boshaften Maßregel geleistet zu haben.

Der bürgerliche Genossenschaftsverbandsdirektor Oggermann ist im Alter von 86 Jahren gestorben. Er spielte im Allgemeinen Verband lange Zeit eine große Rolle und zählte zu den schärfsten Gegnern der modernen Konsumvereinsbewegung.

Notizenteil.

H. F.

Arbeitslosigkeit der weiblichen Erwerbstätigen.

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Die Zahl der weiblichen Arbeitslosen nimmt weiter zu. Nach den Berichten von 807 Arbeitsnachweisen 95 hatten nicht recht­zeitig berichtet wurden im Monat November 1913 für weibliche Erwerbstätige insgesamt 60 766 offene Stellen gemeldet, denen 86 926 Arbeitsgesuche gegenüberstanden. Nur 42 806 Stellen fonn­ten vermittelt werden, so daß nicht weniger als 44 120 arbeit­suchende Frauen und Mädchen übrig blieben. Gegen den gleichen Monat des Jahres 1912 haben die Arbeitsgesuche um 12 390 zu­genommen, die offenen Stellen jedoch um 533 abgenommen. Auf 100 offene Stellen tamen im Berichtsmonat 143 weibliche Arbeit­suchende, während die entsprechenden Zahlen im Oktober 1913 und im November 1912 je 122 betragen haben. Die höchsten Verhält­niszahlen weiblicher Arbeitsloser weisen wiederum Industrie und Gewerbe auf. Erheblich verschlechtert hat sich die Lage gegen beide

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Vergleichszeiten für die Metall-, Textil- und Tabatarbeiterinnen, Schneiderinnen, Büglerinnen usw., Buchdruck- und Fabrikarbeite­rinnen, ebenso für weibliches Küchenpersonal, Dienstboten, Puy­und Waschfrauen und sonstige Taglöhnerinnen. Weniger Arbeits­lose als im Vormonat, aber mehr als im November des Vorjahres weisen die landwirtschaftlichen Arbeiterinnen und die Buchbinderei­arbeiterinnen auf. Größer als sonst war auch im November 1913 der Andrang weiblicher Stellesuchender in der Gruppe Sonstige Lohnarbeit und häusliche Dienste". Diese Erscheinung erklärt sich nur durch äußerst ungünstige Verdienstmöglichkeiten. Familien,- die früher Hauspersonal beschäftigten, behelfen sich jetzt mit Auf­wärterinnen oder verrichten diese Arbeiten selbst.

Die schlimmen Ergebnisse der Arbeitsnachweise werden durch die Angaben der gewerkschaftlichen Organisationen bestätigt. An den gewerkschaftlichen Arbeitslosenzählungen beteiligten sich 38 Ver­bände, die zusammen 218 738 weibliche Mitglieder umfassen. In diesen Organisationen wurden am Ende der letzten Woche des Mo­nats November 5099 Arbeiterinnen gleich 2,4 Prozent der Mit­gliederzahl als arbeitslos gemeldet. Gegen den gleichen Monat des Vorjahres, wo 2467 weibliche Arbeitslose ermittelt wurden, be­deutet das eine reichliche Verdoppelung der organisierten beschäf= tigungslosen Arbeiterinnen, eine Zunahme um 2637 oder rund 100 Prozent. Die meisten weiblichen Arbeitslosen hat immer noch der Hutarbeiterverband zu verzeichnen. Er zählte am Ende des Monats November 1351 arbeitslose weibliche Mitglieder, das ist der vierte Teil der in ihm organisierten Hutarbeiterinnen. Über den Gesamtdurchschnitt( 2,4) haben noch weibliche Arbeitslose auf­zuweisen die Verbände der Fleischer( 17,3), Kürschner( 7,2), Tape­zierer( 7,1) und Glasarbeiter( 3,9).

Die einzelnen vorliegenden Berichte für den Monat Dezember lassen auf eine weitere erhebliche Steigerung der Arbeitslosigkeit schließen. Die weiblichen Erwerbstätigen und namentlich die ge­werblichen und industriellen Arbeiterinnen haben also weiter schwere Zeiten zu erwarten. Bei ihrem schmalen Verdienst auch in Zeiten flotten Geschäftsgangs eine sehr trübe Aussicht. b.

Soziale Gesetzgebung.

Frauen im Vorstand von Krankenkassen. Der Gewerkschafts­berein München nahm Stellung zu dem Ergebnis der Orts­frankenkassenwahlen. Bei der Delegierung von Mitgliedern in den Vorstand der Ortsfrankenkasse erhielt Genossin Weich die meisten der abgegebenen Stimmen. Der Gewerkschaftsverein hat also durch die Tat bewiesen, daß er anerkennt, wie wichtig und gerecht es ist, daß die weiblichen Mitglieder in dem Ortskrankenkassenvorstand auch durch Frauen vertreten werden.

-as.

Frauen im Ausschuß und Vorstand der Stuttgarter Kranken­kassen. In den Ausschuß der Allgemeinen Ortstrankenkasse haben die Arbeitgeber eine Frau entsendet, die an 21. Stelle gewählt wurde, die Arbeifer sechs Frauen, die an 5., 7., 19., 34., 49. und 54. Stelle standen. In dem Vorstand sind die Arbeitgeber durch keine Frau, die Versicherten durch zwei Frauen vertreten, die dank der freien Gewerkschaften in das Amt kamen. Früher gehörten der Generalversammlung der Allgemeinen Ortstranfenfasse 10 Frauen an, der Vorstand hatte ein weibliches Mitglied. In den Ausschuß der Ortstrantenfasse für das Handelsgewerbe wurden von den Versicherten fünf Frauen, von den Arbeitgebern eine Frau dele­giert, dem Vorstand gehört nur eine Frau an, die die Versicherten vertritt. In der früheren Generalversammlung dieser Kasse hatten allerdings bei größerer Vertreterzahl 35 Frauen Siz und Stimme, der Vorstand war dagegen frauenrein".

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Sozialistische Frauenbewegung im Ausland.

Die sozialistische Frauenorganisation in Spanien ist noch sehr schwach und größtenteils über die ersten, schweren Anfänge nicht hinaus. Lebenskräftige Frauenseftionen der sozialistischen Partei gibt es in Bilbao , Barcelona , Capdepera , Libar, Erandio, Gallorta, Madrid , Mieres, Reus und Sevilla . Die Zahl ihrer Mitglieder beträgt insgesamt nicht mehr als 500; die älteste dieser sozialistischen Frauengruppen ist die zu Bilbao . In der letzten Zeit sind in vielen anderen Orten ebenfalls solche Organisationen entstanden, doch haben sie noch nicht wie die oben angeführten den Beweis erbracht, daß sie sich auf die Dauer zu halten vermögen. Neugegründete Frauen­gruppen bestehen in Almanza, Benavente, Ferrol, Gijon , Oviedo , Santander, San Sebastian , To­Iosa, Riotinto, Guadalajara und Alicante . Sie

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