Nr. 11
Die Gleichheit
Die Mitglieder dieser Kommission suchen die gewerblich tätigen Schulkinder zu ermitteln, Zuwiderhandlungen gegen die Gesetze durch persönliche Einwirkungen abzustellen und den Ursachen von Mißhandlung und Ausbeutung der Kinder nachzugehen. Nur wo auf gütlichem Wege Abhilfe nicht erreicht wird, soll die Hilfe der Behörden in Anspruch genommen werden. Die Zahl der Kommisfionsmitglieder ist groß; auf den einzelnen entfallen nur wenige, leicht übersehbare Häusergruppen. Die Zahl der polizeilich ermittelten Gesebesübertretungen ist denn auch in Mannheim verhältnismäßig flein."
Diese Anerkennung muß unsere Genossinnen zur weiteren eifrigen Tätigkeit auf dem dankbaren Gebiet des Kinderschutes anfeuern. Hier liegt ein Wirkungsfeld vor, das gerade die Betätigung der proletarischen Frauen fordert und lohnt. Hier können sich wertvolle weibliche", mütterliche Eigenschaften zum Segen der ganzen Klasse ausleben.
Die erschütterte päpstliche Autorität.
Die München - Gladbacher Gewerkschaftschriften jubeln über das Urteil in dem Prozeß, den die Leiter der christlichen Gewerkschaften, Giesberts und Genossen, gegen eine Anzahl Redakteure von Partei- und Gewerkschaftsblättern angestrengt hatten. Mit dem Ergebnis des Prozesses können aber gerade wir außerordentlich zufrieden sein. Er hat Bresche in einen Wall gestoßen, der unseren Organisationsbestrebungen unter den katholischen Arbeitern bisher unerschütterlichen Widerstand entgegensetzte. Das Hemmnis war die absolute Autorität der Kirche und ihres unfehlbaren Oberhauptes. Diese Autorität galt ganz uneingeschränkt. Es entspricht dies der Kirchenlehre von dem Zweck des Menschen auf Erden. Das irdische Leben ist danach nur die Vorbereitung auf das Jenseits. Alle Lebensbetätigungen der Katholiken müssen sich unter die Gebote Gottes beugen. Kein Denken, kein Tun, fein Unterlassen, das nicht danach zu beurteilen wäre. Ob etwas erlaubt ist oder nicht, ganz gleich, ob es sich um das private oder das öffentliche Leben handelt, darüber entscheidet in allen Fällen die Kirche und als deren Oberhaupt der Papst. Das ist für jeden gläubigen Katholiken selbstverständlich. Ebenso selbstverständlich ist es für ihn, daß er aus Pflichtgefühl gegen die Kirche dem Zentrum und den christlichen Gewerkschaften Gehorsam leistet, denn auch in diesen Organisationen erblickt er Hüter seiner religiösen Interessen. So erklären sich manche auffälligen Erscheinungen. Auf Anordnung machen die katholischen Arbeiter einmal von der Waffe des Streifs Gebrauch, und das sogar in Gemeinschaft mit den freien Gewerkschaften, dann verüben sie wieder Streifbruch. Heute wählen sie einmal sozialdemokratisch, morgen verhelfen sie gegen die Sozialdemokratie Scharfmachern und Junkern zum Siege. Sie tun's, auch wenn sie überzeugt sind, gegen ihr wirtschaftliches Wohl zu handeln, fie tun's nicht als Arbeiter, sondern als Gläubige, die dem Gebot und der Autorität der Kirche folgen. Mit dieser Autorität deckt sich das Zentrum, und darin liegt die geheimnisvolle, sonst unerklärliche Macht dieser Partei. Eine Macht, die dem Zentrum immer noch die Gefolgschaft der katholi schen Arbeiterschaft sichert, obwohl es deren Klasseninteressen immer und immer wieder an die herrschende Gesellschaft verriet und verkaufte.
Dies alles muß man sich vergegenwärtigen, wenn man die Ergebnisse und Nachwehen des erwähnten Prozesses richtig einschäßen will, es gibt ihnen eine Bedeutung, die in gar feinem Vergleich steht zu dem Siege der klagenden Christenführer. Des Papstes unbedingte Autorität ist erschüttert, die fatholischen Arbeiter werden in wichtigen Dingen zum Ungehorsam dawider von den nämlichen Organisationen angereizt, denen sie bisher als vermeintlichen Trägern und Willensvollstredern der katholischen Kirche Gefolgschaft leisteten, selbst wenn sie damit ihre Interessen als Arbeiter preisgaben. Es ist eine Ironie der Geschichte, daß zu dieser
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Wendung gerade die Zentrumspartei den Anstoß gegeben hat, und das obendrein mittels der gewerkschaftlichen Organisation, die von ihr eigens zu dem Zweck der Zersplitterung der Proletarier ins Leben gerufen worden ist.
Um was handelte es sich in dem Prozeß? Das kommt in den Entscheidungsgründen des Gerichts genügend klar zum Ausdruck. Den Christenführern war der Vorwurf des Doppelspiels gemacht worden. Sie gaben der Enzyklika zur Gewerkschaftsstreitfrage eine Auslegung, nach der die christlichen Gewerkschaften beim Papst keinen Anstoß erregten und feiner kirchlichen Aufsicht und Beeinflussung unterständen. Bei verschiedenen Gelegenheiten erklärten sie weiter, daß ein Entscheidungsrecht der Kirche in wirtschaftlichen Fragen nicht anzuerkennen sei. Die christlichen Gewerkschaften würden bleiben, was sie bisher gewesen, nämlich Organisationen der Arbeiter, deren Verhalten einzig und allein von den Arbeitern selbst bestimmt werde. Mit diesen Erklärungen leugnete man die unbedingte Autorität des Papstes und der Kirche in einer der bedeutungsvollsten öffentlichen Angelegenheiten. Angesichts dieser grundsätzlichen Stellung ist die Redensart durchaus belanglos, daß man in den christlichen Gewerkschaften und durch ihre Aktionen natürlich nicht gegen das religiöse Sittengeset verstoßen werde. Sie ist schon darum belanglos, weil in der Verleugnung der päpstlichen Autorität ein grundsözlicher Vorstoß gegen das erste und oberste Sittengesetz der katholischen Kirche liegt.
Aus verschiedenen Umständen glaubten die Angeklagten schließen zu dürfen, daß die christlichen Gewerkschaftsführer die erwähnte Auslegung nur zur Beruhigung der evangelischen Mitglieder der christlichen Gewerkschaften gegeben, heimlich aber den Bischöfen gegenüber sich der Enzyklika unterworfen hätten. Diese Vermutung war in den unter Anklage stehenden Artikeln zum Ausdruck gebracht worden. Darin lag der Vorwurf des Doppelspiels. Was sagt nun das Gericht dazu? Es stellt fest, daß für eine heimliche Unterwerfung der Kläger fein Beweis erbracht worden sei.„ Es war nicht die Aufgabe des Gerichts, festzustellen, was der Bapst tatsächlich mit der Enzyklika gewollt oder beabsichtigt hat. Es mag den Angeklagten zugegeben werden, daß die Auslegung, die sie der Enzyklika geben, eine größere Wahrscheinlichkeit für sich hat als die anderen Auslegungen. Es mag auch sein, daß andere Leute, insbesondere der Bischof Korum von Trier, die Enzyklika anders auslegen und andere Anweisungen an ihre Untergebenen erlassen haben als die christlichen Gewerkschaftsführer. Darauf kommt es aber nicht an, denn von einem unerlaubten Doppelspiel fann nur dann gesprochen werden, wenn Stegerwald bewußt von der Unrichtigkeit seiner Interpretation überzeugt war. Für die Annahme, daß dies der Fall war, ist keinerlei Beweis erbracht worden."
Ob Stegerwald von der Unrichtigkeit seiner Auslegung überzeugt war oder nicht, ob er heimlich das Aufsichts- und Entscheidungsrecht der Kirche anerkannt hat oder nicht, das ist ganz nebensächlich. Das grundsätzlich Wichtige ist, daß man für die Gewerkschaften, daß man in einer der wichtigsten irdischen Angelegenheiten die unbedingte päpstliche Autorität ablehnt. Daß das absichtlich, ganz bewußt geschieht, brachte übrigens auch der Rechtsbeistand der Kläger , Dr. Schreiber, zum Ausdruck. Nach dem Prozeßbericht der„ Kölner Volkszeitung" erklärte er unwidersprochen, das in der Enzyklika betonte kirchliche Aufsichtsrecht trage lediglich grundsäßlich- historischen Charakter.
Es liegt auf der Hand, daß gerade die stark betonte öffentliche Ablehnung der kirchlichen Autorität in wirtschaftlichen, gewerkschaftlichen Dingen eine unabsehbare Gefahr für die Herrschaft des Papsttums bedeutet. Das Bewußtsein davon hat denn auch die streng Päpstlichen erneut gegen die gewerkschaftliche Mischmaschrichtung mobilisiert. Kardinalbischof Kopp hat in einer aufsehenerregenden Form die vielberufene Darlegung der Gewerkschaftsenzyklika öffentlich abgelehnt. Darob ist ein Streit unter den Bischöfen ausge